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…, als ob es nicht andere Probleme gäbe.

Zur Sache gedacht: Vorschläge zur Bildung von Prof. Dr. Rudolf Taschner. Foto: Zur-Sache

Einen Vorschlag zur Güte zum Thema einer geschlechtergerechten Sprache unterbreitet Rudolf Taschner, Wissenschafter an der Universität Wien und Abgeordneter zum Nationalrat der ÖVP. 

Anlass, mich dem sogenannten Gendern gedanklich zu widmen, war ein langer Satz aus einer von einem – notabene – Sprachwissenschafter verfassten Stellungnahme zum Universitätsgesetz, der ein Übermaß an Befugnissen der Universitätsleitung beklagte. Dieser Satz lautete:

„Wenn der Rektor/die Rektorin eine/n Berufungsbeauftragte/n nominiert und zudem das Recht hat, nur unter Berücksichtigung von deren/dessen Bericht den Besetzungsvorschlag zurückzuweisen oder die Auswahl zu treffen, so besteht die Möglichkeit, dass die Rektorin/der Rektor die Berufungskommission übergehen kann und in Absprache mit der von ihm ausgewählten Berufungsbeauftragten Kommissionsarbeit behindert oder aufhebt.“

Schwere Lesbarkeit

Abgesehen von der schweren Lesbarkeit ist zu bemängeln, dass erstens statt „deren/dessen“, der Reihenfolge der Satzgegenstände „der Rektor/die Rektorin“ gemäß, „dessen/deren“ richtig wäre, dass zweitens zuerst „der Rektor/die Rektorin“, dann „die Rektorin/der Rektor“ gereiht wurde, dass drittens statt „mit der von ihm ausgewählten Berufungsbeauftragten“ die gendergerechte Schreibweise „mit der/dem von ihr/ihm ausgewählten Berufungsbeauftragten“ lauten sollte und dass es viertens nach so viel und zum Teil verfehlter Bemühung um gendergerechtes und unverständlich gewordenes Schreiben nicht wundert, dass bei „Kommissionsarbeit“ der Artikel fehlt.

Verunglückte Bezeichnung wieder gelöscht

Nun mag dies als Beckmesserei meinerseits abgetan werden, die – so die Verteidiger des gendergerechten Schreibens – keineswegs zur Rückkehr zu den Maskulina mit generischer Bedeutung zwinge, bilde doch der traditionelle Sprachgebrauch eine Gesellschaftsordnung ab, die heute nicht mehr gilt. Schwerer wiegt hingegen das folgende Beispiel, das im Artikel[1] „Mit Intoleranz bekämpft man keine Vorurteile – wie Identitätspolitik Geschichte verfälscht“ von Eric Gujer in der „Neuen Zürcher Zeitung“ zu finden ist. Gujer schreibt:

„Wie der Anspruch auf Gleichberechtigung pervertiert werden kann, demonstrierte die Freie Universität Berlin. In Dahlem fand man unlängst sterbliche Überreste von KZ-Insassen, die bei den Menschenversuchen von SS-Ärzten wie Mengele und ihren akademischen Komplizen ermordet worden waren. In bester Absicht titulierte die Universität die Ermordeten als J_üdinnen.

Die Opfer der Shoah hätten sich nie als J_üdinnen bezeichnet. Indem man Jüdinnen und Juden so nennt, raubt man ihnen ihre Identität gleich auf zweifache Weise. In die Mühlen der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie gerieten sie nicht, weil sie Frauen oder Männer, sondern weil sie Juden waren. Der christliche Puritanismus mit seinen Säuberungswellen wäre ihnen ohnehin wesensfremd gewesen. Das Leid der in der Shoah Umgekommenen wird verhöhnt, indem man ihnen eine identitätspolitische Ideologie des 21. Jahrhunderts überstülpt.“

Zur Ehrenrettung der Freien Universität erwähnte Gujer, dass sie die verunglückte Bezeichnung unterdessen gelöscht hat. Doch das Empfinden von Verstimmung, gar von Ekel verbleibt. In der moralinsauren, mit Sternchen und den Sprachcodes der Political Correctness bewehrten Welt fühlt sich der im freien Denken Formulierende ausgestoßen.

Treffliche Analysen der Sprachcodes

Unter der Fülle luzider Artikel zu diesem leidigen Thema seien Christian Högls bemerkenswerter Aufsatz[2] „Das Gendern als Sollbruchstelle – hier die moralisch Guten, dort die Verwerflichen: mit einer polarisierenden Sprache kommen wir nicht weiter“ in der Zeitung „Die Presse“, Yorck Kronenbergs höchst lesenswerter Artikel[3] „Wir sollten unsere Sprache gegen vorschnelle Eingriffe schützen“ in der Zeitung „Die Welt“ und vor allem das glänzend verfasste Essay[4] von Nele Pollatschek „Deutschland ist besessen von Genitalien – Gendern macht die Diskriminierung nur noch schlimmer“ im Berliner „Tagesspiegel“ hervorgehoben. Die darin angeführten Argumente sind bestechend. Dennoch steht zu befürchten, dass sie jene nicht überzeugen, die unbedingt Geschlechtergerechtigkeit in der Sprache abgebildet wissen wollen.

Die Ziele sind redlich: Einerseits gilt es, der Sprache Verständlichkeit und Schönheit zu bewahren. Andererseits soll dem Verlangen nach Fairness den Geschlechtern gegenüber Genüge geleistet sein.

Vorschlag für einen Schreibstil

Um beide Ziele anpeilen zu können, schlage ich bei Schriften, bei denen es angebracht ist – die Entscheidung darüber muss jedem Autor in seiner Freiheit und seinem Empfinden für guten Geschmack überlassen bleiben, im Allgemeinen aber bei Schriftstücken mit offiziellem Charakter – einen Schreibstil vor, den die renommierte Journalistin Andrea Schurian in ihren Kolumnen praktiziert[5] und der in seiner Eleganz besticht:

Man hält sich, wie es die Sprache verlangt, an das Genus des Appellativums, das ja mit dem Sexus der von ihm bezeichneten Person oder Personengruppe höchstens von der Wortherkunft ein wenig, sachlich aber gar nichts zu tun hat, und setzt danach den Klammerausdruck (w/m/*) – wer will: den Klammerausdruck (m/w/d) oder ähnlich. Diesen Klammerausdruck braucht man natürlich nicht immer, sondern nur fallweise zu setzen. Der Leser (w/m/*) nimmt damit zur Kenntnis, dass der Autor (w/m/*) des Textes in den Appellativa alle Sexus umfassen möchte, deren es, in einem weiten Feld neben weiblich und männlich noch weitere, mit * oder dem Buchstaben d angesprochene, gibt. Beim Vorlesen wird man im Allgemeinen das Symbol (w/m/*) überlesen oder, wer es unbedingt betonen möchte, in einer Paraphrase, zum Beispiel „weiblich, männlich, divers“ oder „jedweden Geschlechts“ oder „welchen Geschlechts auch immer“, umschreiben. Auch in der freien Rede sind solche Umschreibungen, wenn sie sich als passend erweisen, möglich und schöner als ein gequältes „Bürgermeisterinnen und Bürgermeister“, das ja, wenn man ganz korrekt sein möchte, in „Bürgerinnenmeisterinnen und Bürgermeisterinnen, Bürgerinnenmeister und Bürgermeister“ auswuchern müsste …

Bei Schreiben, in denen das Symbol (w/m/*) störend, stilbrechend oder aufdringlich wirkt, überzeugt der in seinem Aufsatz2 stringent begründete Vorschlag von Christian Högl: Man verwendet die Grundform der Nomina und fügt im Falle eines maskulinen Nomens nur dann, wenn es abgestimmt und passend ist, die flektierte feminine Form hinzu.

Verwandlung zu einer Lesbarkeit

Meine Anregung macht zwar den oben zitierten Satz aus der Stellungnahme des Sprachwissenschafters nicht schöner, aber sie verwandelt ihn wenigstens in einen leserlichen Satz:

„Wenn der Rektor (w/m/*) einen Berufungsbeauftragten (w/m/*) nominiert und zudem das Recht hat, nur unter Berücksichtigung von dessen Bericht den Besetzungsvorschlag zurückzuweisen oder die Auswahl zu treffen, so besteht die Möglichkeit, dass der Rektor die Berufungskommission übergehen kann und in Absprache mit dem von ihm ausgewählten Berufungsbeauftragten die Kommissionsarbeit behindert oder aufhebt.“

Was aber, aller Beiläufigkeit des Themas zum Trotz, wirklich wichtig ist: Mit diesem Vorschlag bleibt die Freiheit, zu denken, zu reden und zu schreiben, wie man es für schön und richtig erachtet, dem Einzelnen in seiner Verantwortung überlassen. Nichts ist abstoßender, als das von selbsternannten Moralisten verordnete Diktat.


Weitere Artikel zum Thema fand der Autor unter:

https://www.diepresse.com/6011079/gender-debatte-wer-hat-angst-vor-der-sprachpolizei

https://www.derstandard.at/story/2000128361219/das-ungeliebte-gendern

https://www.diepresse.com/6010151/die-sprachpolizei-w-dein-freund-m-und-helfer-m?from=rss


[1] https://www.nzz.ch/meinung/der-andere-blick/identitaetspolitik-mit-intoleranz-bekaempft-man-keine-vorurteile-ld.1627313

[2] https://www.diepresse.com/5952315/das-gendern-als-sollbruchstelle?from=rss

[3] https://www.welt.de/debatte/kommentare/article231405383/Gendern-Sprache-gegen-vorschnelle-Eingriffe-schuetzen.html

[4] https://www.tagesspiegel.de/kultur/deutschland-ist-besessen-von-genitalien-gendern-macht-die-diskriminierung-nur-noch-schlimmer/26140402.html

[5] vgl.: https://www.diepresse.com/5948067/ich-will-in-keinem-stillen-sprachloch-verschwinden