News
Das Kanzleramt ist kein Bierzelt
In einem Gastkommentar für die Tageszeitung Die Presse schreibt Salzburgs früherer Landeshauptmann Franz Schausberger, Österreich brauche Stabilität. Eine Partei, die bisher jede Koalition in die Luft gesprengt hat, ist dafür kein Garant. Hier der Gastkommentar „Das Kanzleramt ist kein Bierzelt“ von Franz Schausberger.
Kickl startet Lamento
Die FPÖ unter Herbert Kickl und seiner ihm ergebenen Truppe hat bei der Nationalratswahl einen beachtlichen Wahlerfolg erzielt. Nachdem nun nach der Wahl die anderen Parteien das bekräftigen, was sie vor der Wahl klar angekündigt haben, nämlich auf Bundesebene keinesfalls mit Kickl eine Regierung bilden zu wollen, startet er ein Lamento, es werde die Demokratie mit Füßen getreten, wenn er nicht Kanzler werden könne.
Mehrheit im Parlament
Man muss ihn wohl daran erinnern, dass in einer Demokratie für eine solche Funktion eine parlamentarische Mehrheit mit Partnern notwendig ist, außer man hat eine absolute Mehrheit erreicht. Bei dieser Wahl aber haben über 70 Prozent der Wählerinnen und Wähler gegen Kickl gestimmt. Ein 29-Prozent-Kanzlerkandidat muss daher Partner suchen und wenn er sie nicht findet, andere demokratische Mehrheiten zur Kenntnis nehmen.
Ohne Koalitionsfiasko bitte!
Österreich braucht in den nächsten Jahren mehr Gemeinsamkeit, Stabilität und Sicherheit, auch um notwendige Reformen umzusetzen. Eine Partei, die bisher jede Koalition, sei es mit der SPÖ, sei es mit der ÖVP nach kurzer Zeit in die Luft gesprengt hat, ist dafür kein Garant.
Den Parteien einer künftigen Koalition ohne FPÖ muss aber auch die große Verantwortung, die sie tragen, bewusst sein. Sollten sie bei einer Regierungsbildung nur stur auf ihren Extremforderungen beharren, die Zeichen der Wählerinnen und Wähler nicht erkennen und berücksichtigen, nicht konstruktiv verhandeln und zusammenarbeiten und in ein Koalitionsfiasko wie die deutschen Regierungsparteien hineintaumeln, tragen sie die Schuld für ein Erstarken der extremen Kickl-FPÖ.
Eine der entscheidenden Fragen wird sein, wie sehr es einer künftigen Regierung gelingt, fernab von Ideologien pragmatische und wirksame Maßnahmen gegen die illegale Migration zu setzen.
Kickls autoriäres Gehabe passt nicht zur Demokratie
Kickl beklagt, dass alle gegen ihn sind. Es darf ihn nicht wundern: Wenn ein Kanzlerkandidat androht, er habe „Fahndungslisten“ für „Volksverrat“ für die Zeit nach seiner Amtsübernahme, dann ist das ein gefährlich autoritäres Gehabe, das in einer Demokratie nichts zu suchen hat.
Wer vor einiger Zeit die beeindruckende Dokumentation über den ersten Kanzler der Zweiten Republik, Leopold Figl, gesehen hat, wird sich schaudernd an den ersten Prominenten-Transport nach Dachau erinnern, dem neben Figl viele andere christlichsoziale und sozialdemokratischen Politiker angehörten. Und das auf Grund einer von den Nazis schon vor dem Einmarsch verfertigten Fahndungsliste. Nicht weil sie Verbrechen begangen hatten, sondern weil sie einer anderen politischen Richtung angehörten. Dies nicht als direkter Vergleich, aber als ernste Mahnung als Historiker.
Radikale Rhetorik gehört nicht ins Kanzleramt
Wer mit dem russischen Kriegstreiber sympathisiert und den ukrainischen Präsidenten brüskiert, mit den Rechtsextremen anderer Länder kollaboriert, einen EU-Austritt Österreichs und eine isolierte „Festung Österreich“ als möglich ansieht, die rechtsextremen Identitären als Gleichgesinnte und NGOs verharmlost, die Besucher der weltweit anerkannten Salzburger Festspiele als „Heuchler und Inzuchtpartie“ bezeichnet, sollte sich nicht zu wundern, wenn er international geächtet wird. Mit dieser radikalen Rhetorik und mit viel anderem mehr hat er sich selbst aus einer Regierungsbeteiligung herausgeschossen. Darüber sollte auch seine Partei nachdenken. Das Kanzleramt ist kein Bierzelt!
Zum Autor: Franz Schausberger, Univ. Prof. für Neuere Österreichische Geschichte, ehem. Landeshauptmann von Salzburg (1996-2004; ÖVP), Präsident des Karl von Vogelsang-Instituts (Wien) und Präsident des Instituts der Regionen Europas (IRE, Salzburg). Wiedergabe des Gastkommentars mit freundlicher Genehmigung der Tageszeitung Die Presse.