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Spaziergang mit Ausschreitungen: Kickl, Strache und ein rechtsextremer Mob

Foto: orf.at

Die Ereignisse in Wien vom letzten Wochenende gleichen den Eskalationen in Deutschland im Zuge der „Querdenker“ Demos. Vorne mit dabei: FPÖ-Nationalratsabgeordnete und ihr Klubobmann Herbert Kickl, weiters Identitäre. Lob für Kickl spendete Ex-FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache.

Neben der dramatischen Bilanz der Demonstrationen, die die Sicherheitsbehörden ziehen, zeigt sich ein Sittenbild der Teilnehmer, das an die deutschen Verschwörungstheoretiker erinnert: Es erfolgten mehrere Anzeigen wegen Verstößen gegen das NS-Verbotsgesetz. An den Methoden des Vordenkers der „Querdenker“ in Deutschland orientiert sich Herbert Kickl als Aufwiegler der Menge in Hooligan-Manier.

 

Neue und alte Leit- und Feindbilder

Bei einer Kundgebung im Wiener Prater attackierte Kickl in scharfen Tönen die Bundesregierung und pauschal Bundesministerien, bezeichnete Beamte in den Ministerien als „Schmuddel-Typen“. Er verortete „Corona-Stahlhelme in den Regierungsbüros“. Unter seinen mutmaßlichen Anhängern, die Waffen mit sich führten und sich gewaltbereit zeigten, stieß diese Aufstachelung auf große Zustimmung.

Worin Ideologie und Strategie Kickls bestehen, zeigte er bei seiner Rede im Prater deutlich: Er verwendet Rhetorik und Methodik der deutschen Verschwörungstheoretiker-Bewegung. Deren Vordenker, der vegane Koch Attila Hildmann, wird derzeit – wegen des Verdachts auf Volksverhetzung – per Haftbefehl gesucht. Die von Hildmann getriebene Bewegung eskalierte beim versuchten Sturm auf das Reichstagsgebäude in Berlin.

Die Feindbilder der deutschen Corona-Leugner kopiert Kickl dreist für Österreich: Die wahren Gefährder der Demokratie und der Freiheit säßen demnach nicht nur in Österreich aber auch hier in den Ministerien, deswegen seien die Proteste so wichtig. Zusammengefasst gab’s im Prater ganz Hildmann-like Rufe von einer Medien-Propaganda, Lügenpresse und einer „Corona-Tyrannei“. Ähnlich wie Hildmann befand auch Kickl, „die da oben wollen uns beherrschen“.

Davor, demokratiefeindlichen Kräften eine Bühne zu geben, schreckt auch Kickl nicht zurück. Negativ über die zahlreichen rechtsextremen Demo-Teilnehmer hat sich Kickl jedenfalls noch nicht geäußert. Dazu der Sicherheitssprecher der neuen Volkspartei, Karl Mahrer: „Die Polizei hatte alle Hände voll zu tun, jene rechtsextremen Ausschreitungen zu verhindern, die Kickl mit seiner abscheulichen Rhetorik offenbar mutwillig erzwingen wollte. Allen Polizistinnen und Polizisten gilt mein aufrichtiger Dank. Fest steht: Kickl führt die FPÖ immer mehr ins rechtsextreme Eck“. ÖVP Klubobmann August Wöginger forderte Kickl auf, wenigstens den letzten Rest an Anstand zu wahren und endlich zurückzutreten. An die konstruktiven Teile der Freiheitlichen appellierte Wöginger, diese hätten im Sinne ihrer Verantwortung den Wählerinnen und Wählern „umgehend“ zu handeln und Kickl zum Rücktritt zu bewegen.

 

Ganz vorne mit dabei: Klubobmann der FPÖ im Nationalrat Herbert Kickl
Quelle: Screenshot; facebook.com/herbertkickl

 

 

AfDler in Wien

Die Verbindungen der Kickl-Zuhörer zur deutschen rechtsextremen Szene reißen auch nach den Demonstrationen nicht ab. Wie Anfang der Woche bekannt wurde, war ein AfD-Politiker beim Angriff auf ein Versicherungsgebäude in Wien beteiligt, bei dem gewaltbereite Teilnehmer der Kundgebung einen unbeteiligten Sicherheitsmitarbeiter schwer verletzten.

Auch andere AfD-affine Aktivisten waren am Wochenende in Österreich unterwegs und äußerten sich auf abscheuliche Weise zu den Corona-Impfungen. Ein „Aktivist“ filmte sich dabei, wie er in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen die Corona-Impfungen mit Zyklon B verglich. Jenem Gift, mit dessen Hilfe das NS-Regime im Holocaust 6 Millionen Juden und weiteren Volksgruppen sowie Regimegegner hinrichtete. „Der Vergleich des Covid19-Impfstoffs mit dem Gift Zyklon B, das Millionen von Menschen den Tod gebracht hat, ist nicht nur das Verbreiten von Verschwörungstheorien, sondern widerwärtig und kriminell“, so Innenminister Karl Nehammer (ÖVP). Der Mann wurde mittlerweile aus der AfD ausgeschlossen, in der Sache ermittelt inzwischen das LVT Oberösterreich. Ob der ehemalige AfD-Politiker dieses Video auf der Durchreise nach Wien filmte, um dort an den Protesten teilzunehmen, bleibt offen.

Die AfD sorgte zuletzt für Schlagzeilen, da der deutsche Verfassungsschutz überlegte, die Partei auf Bundesebene als „rechtsextremen Verdachtsfall“ zu beobachten. Ein Gericht verhindert dies zunächst. Fest steht aber, dass zumindest einzelne Landesorganisationen der Partei vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Der Verfassungsschutz ist das deutsche Pendant zum österreichischen BVT. Ebendiese Behörde, die der damalige Innenminister Herbert Kickl versuchte, auszuhöhlen.

Neue Vorbilder und Anhänger hat Kickl in der deutschen Corona-Leugner Szene also gefunden. Ein altes Vorbild Kickls war im Prater anwesend und zeigt sich ungewöhnlich freundlich: Heinz-Christian Strache lobte auf seinem Facebook-Account Kickl für seine Rede und sprach von einem Schulterschluss. Ob die Annäherung Straches an Kickl dem FPÖ-Chef Norbert Hofer zusagt oder den ohnehin offenen Führungskampf in der FPÖ verstärkt, bleibt offen.

 

Straches Facebook-Posting mit Lob für Kickl
Quelle: Screenshot; facebook.com/strache

 

Antisemitische Ausbrüche

Zu den heftigsten Ausbrüchen an Antisemitismus kam es am vorigen Samstag im zweiten Wiener Bezirk, in dem historisch – bis zu ihrer Vertreibung während der NS-Diktatur – zahlreiche jüdische Familien lebten. Polizeiberichten zufolge wurden Nazi-Parolen gerufen und der Hitlergruß gezeigt. Dies ergibt ein erschreckendes Bild, das in einem Widerspruch zu jenem Österreichs steht, denn in dieser Woche wird nach dem Nationalrat der Bundesrat über das Österreichisch-Jüdische Kulturerbegesetz (ÖJKG) abstimmen. Mit diesem Gesetz setzt Österreich einen weiteren Schritt hin zur Anerkennung und zur Förderung des vielfältigen jüdischen gesellschaftlichen und kulturellen Lebens.

Was sonst noch von diesem Samstag bleiben wird? Die von den Demonstranten ausgelösten Verhältnisse und der Widerstand gegen die Polizei waren chaotisch. Die durch die Stadt ziehenden Demonstranten sorgen weder für – die von ihnen selbst oft skandierte – Freiheit noch für Sicherheit. Beides nehmen sie der Mehrheit der Wiener und der Besucher. Kickl befeuert Antisemitismus, weiters Wut und Hetze gegen Verantwortungsträger. Damit errichtet Kickl eine neue außerparlamentarische Opposition, diesmal von rechtsextremer Seite. Dafür nutzt er seinen Posten als Abgeordneter, der unverbrüchliche Treue zur Republik gelobte sowie die stete und volle Beachtung der Gesetze. Angesichts seines widersprüchlichen Verhaltens wurde er bereits zum Rücktritt aufgefordert.