Kommentare

Semantische Feinheiten: Und wenn auf ein Nie ein Nein folgt?

Foto: iStock/ busracavus

Bundeskanzler Kurz wies im ZIB2 Interview darauf hin, dass sich die Opposition in ihrer Anzeige auf „semantische Feinheiten“ bezieht. Eine semantische Feinheit zeigt nun auch auf, dass Vorwürfe der Opposition eventuell auf wackeligen Beinen stehen. Stichwort: Doppelte Verneinung. Eine Analyse.

 

Die Staatsanwaltschaft stützt sich in ihrer Mitteilung über ihre Ermittlungen auf eine interessante Passage aus dem Protokoll des Ibiza-U-Ausschusses:

Screenshot aus der Mitteilung der Staatsanwaltschaft. Relevant sind das „Nie“ in der Frage und das „Nein“ in der Antwort des Bundeskanzlers.

Screenshot aus der Mitteilung der Staatsanwaltschaft. Relevant sind das „Nie“ in der Frage und das „Nein“ in der Antwort des Bundeskanzlers.

 

Nein auf Nie als doppelte Verneinung

Bei dieser Formulierung des Bundeskanzlers handelt es sich jedoch um eine doppelte Verneinung, wie der profil-Journalist Gernot Bauer anmerkt: Funfact: Auf die Frage im U-Ausschuss, ob er mit Thomas Schmid „nie darüber gesprochen“ habe, sagt Kurz laut Protokoll: „Nein“. Dieses „Nein“ ist für die WKStA zentral. Allerdings: Ein „nein“ auf „nie“ heißt genau genommen: „Ja, ich habe mit Schmid über die ÖBAG gesprochen.“

 

Bauer, der auch die Silberstein-Affäre mit aufgedeckt hat, gibt zu bedenken, dass der Bundeskanzler mit seiner Formulierung gemeint habe: „Ja, ich habe mit Schmid gesprochen“. Der Vorwurf der Opposition und der Ermittlungsgegenstand der Staatsanwaltschaft in dieser Sache wären damit haltlos.

 

Ein verneintes Nie wird zum Ja

Ein fiktives Beispiel für eine selbige doppelte Verneinung zeigt, wie die Aussage des Bundeskanzlers gemeint war:

Auf die Frage: „Hast du nie bemerkt, dass deine Uhr aufgehört hat zu laufen?“, würde die Antwort „Nein, ich habe schon einen Termin beim Uhrmacher ausgemacht.“, lauten: Ja ich habe bemerkt, dass meine Uhr aufgehört hat zu laufen. Deswegen habe ich einen Termin beim Uhrmacher ausgemacht.

Das ablehnende Nein bezieht sich auf das Nie in der Fragestellung und verneint dieses somit. Ein verneintes Nie wird zum Ja.

Auch die WKStA sieht diese Besonderheit ein

Dieser sprachlichen Besonderheit ist sich die Staatsanwaltschaft durchaus bewusst und schreibt in ihrer Mitteilung: “Diesbezüglich ist in Anbetracht eines denkbaren Einwandes anzumerken, dass eine Frage die eine Negation enthält (‘nie’) im allgemeinen Sprachgebrauch durch ein ‘Nein’ bestätigt wird, sonst sie durch das Adverb ‘Doch’ verneint würde (z.B. Frage: ‘Waren Sie noch nie länger krank?’ Antwort: ‘nein’ bzw ‘nein, nie’)”

Die WKStA erkennt also, dass es sich um eine doppelte Verneinung handelt, versucht aber auf den allgemeinen Sprachgebrauch, also die Umgangssprache, zu verweisen. Dabei bleibt zu ermitteln, ob dies als strafrechtliche Relevanz ausreicht. Denn was der Bundeskanzler hinsichtlich der Formulierung seiner Aussagen bereits angemerkt hat:

„Diese Befragung hat vier Stunden gedauert, ich habe nach besten Wissen und Gewissen geantwortet […], wenn ich mit viel Vorbereitungszeit, vielleicht besser vorbereitet, alleine bei mir im Büro, mit viel Ruhe diese Fragen beantworten müsste, dann hätte ich da oder dort, vielleicht eine noch präzisere Formulierung gefunden.“

 

Versuchte Klarstellung?

Dass diese Formulierung, wenn man das denn will, auch missverstanden werden kann, war dem Bundeskanzler vielleicht auch bewusst, denn er stellte einen Antrag auf Abänderung im Protokoll:

Screenshot aus der Mitteilung der Staatsanwaltschaft.

Screenshot aus der Mitteilung der Staatsanwaltschaft.

Das heißt konkret: Bundeskanzler Kurz wollte womöglich seine Äußerung im U-Ausschuss final unmissverständlich abändern, was aber von der Opposition im U-Ausschuss abgelehnt wurde.

Der Bundeskanzler hat sich bereits in einem fast halbstündigen Interview mit der ZIB2 geäußert und klargestellt, dass er im Ibiza-U-Ausschuss bewusst alles dafür getan habe, um die Wahrheit auszusagen. Der Bundeskanzler wies alle Anschuldigungen über eine vorgeworfene Falschaussage zurück.