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Klare Mahnung für Gedenken und gegen Antisemitismus

Gedenken an die NS-Opfer am 5. Mai im Parlament: Peter Haubner, Zweiter Präsident des Nationalrats, sprach in der Eröffnung eine klare Mahnung gegen Antisemitismus und für Erinnern und Verantwortung aus. Foto: Parlament / Johannes Zinner

Mit einer klaren, beeindruckend formulierten Mahnung für das Gedenken an die NS-Opfer und gegen jede Form von Antisemitismus eröffnete Peter Haubner, Zweiter Präsident des Nationalrats, am 5. Mai im Parlament das Gedenken an die NS-Opfer.

 

Gedenken an Opfer als Mahnung

Der Anlass für das jährliche Gedenken sind die Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen am 5. Mai 1945 und die vorangegangenen historischen Verbrechen des NS-Regimes.

Warum, so fragte Haubner eingangs, sollte man daran erinnern? Die Erinnerung sei schmerzhaft, denn sie löst Entsetzen aus und Fassungslosigkeit darüber, wozu Menschen fähig sind: „Das Geschehene übersteigt unsere Vorstellungskraft“. Gedenken sei daher mehr als Erinnerung, nämlich Mahnung, Verantwortung und Verpflichtung.

Gedenktafeln für die Opfer als Mahnung für die Zukunft: Schloss Hartheim bei Linz

Gedenktafeln für die Opfer als Mahnung für die Zukunft: Schloss Hartheim bei Linz

30.000 Ermordete in Schloss Hartheim

Im heurigen Gedenken werde der Blick insbesondere auf die zehntausenden Opfer der Tötungsanstalt Hartheim gerichtet: „Frauen, Männer, Kinder – Menschen, die wegen einer Behinderung oder Krankheit als ‚lebensunwert‘ erklärt wurden. Was sie brauchten, war Schutz. Was sie bekamen, war Entrechtung, Entmenschlichung – und Tod.“

Ihr Tod war ein systematisches und perfides Verbrechen, erklärte Haubner: „Penibel geplant. Emotionslos verwaltet. Vollzogen wie eine Statistik. Ein Akt des Zynismus. Ein Ausdruck des Rassenwahns.“

Die in Hartheim verübten Verbrechen – Historiker sprechen von rund 30.000 Ermordeten – waren Teil eines Systems, das Millionen Menschen das Leben kostete: Jüdinnen und Juden. Roma und Sinti. Politisch Verfolgte. Homosexuelle. Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Menschen mit Behinderung. Zeugen Jehovas – und viele andere. Daraus folgerte Haubner: „Unsere Aufgabe ist es, diesen Menschen ihre Namen, ihre Gesichter und ihre Geschichten zurückzugeben.“

Schloss Hartheim als Mahnung: Unter dem NS-Regime wurden dort rund 30.000 Personen ermordet. Das Gedenken an diese Opfer stand im Fokus der Mahnung für das Erinnern, die der Zweite Präsident des Nationalrats, Peter Haubner, in seiner Rede forderte. Foto: Verein Lern-und Erinnerungsort Schloss Hartheim

Schloss Hartheim: Unter dem NS-Regime wurden dort rund 30.000 Personen ermordet.

Achtsamkeit gegenüber Verschiebung von Grenzen

Das Unfassbare habe „nicht erst hinter den Mauern der Konzentrationslager begonnen“. Es begann an vielen Orten und in vielen Gebäuden mit dem Wegsehen: „Dort, wo Hass hingenommen, Vorurteile nicht widersprochen und Gewalt verharmlost wurde. Dort, wo Schweigen zur Zustimmung wurde.“

Das Gedenken darf deshalb nicht stumm und nicht rückwärtsgewandt sein, es muss lebendig sein und wachsam bleiben, forderte Haubner: „Denn das Schlimme kommt nicht plötzlich. Es beginnt leise. Mit einem Satz wie: ‚Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.‘ Mit kleinen Verschiebungen der Grenze – die große Wirkungen haben“, sagte Haubner wörtlich.

Präsentierte Zahlen zum Anstieg des Antisemitismus in Österreich: IKG-Präsident Oskar Deutsch. Foto: Screenshot IKG

Präsentierte Zahlen zum Anstieg des Antisemitismus in Österreich: IKG-Präsident Oskar Deutsch. Foto: Screenshot IKG

Antisemitismus entschieden entgegentreten

Und dann meinte Haubner weiter wörtlich:

„Antisemitismus ist kein Phänomen der Vergangenheit. Es war der Ausgangspunkt – der ideologische Nährboden – auf dem das nationalsozialistische Terrorregime wuchs. Der Hass richtete sich zuerst gegen Jüdinnen und Juden – und weitete sich in weiterer Folge auf alle Menschen aus, die als ‚anders‘ galten.

Im Jahr 2024 wurden in Österreich über 1.500 antisemitische Vorfälle registriert.
Ein Anstieg um über 30 Prozent. Darunter: physische Angriffe. Bedrohungen.
Hundertfach Beschimpfungen, Sachbeschädigungen, Hassnachrichten.

Und: Die Täter werden jünger. Die Opfer werden jünger.

Das ist die Realität, die die Israelitische Kultusgemeinde in ihrem Bericht vor wenigen Tagen veröffentlicht hat.

Peter Haubner: Erinnern aus Verantwortung für die Zukunft. Foto: Johannes Zinner

Peter Haubner: Erinnern aus Verantwortung für die Zukunft. Foto: Johannes Zinner

Verschwörungstheorien und Wissenslücken

Die Antisemitismusstudie des Parlaments zeigt ebenfalls deutlich: Es gibt ein wachsendes Problemfeld unter Jugendlichen – vor allem beim Holocaust-bezogenen und israelbezogenen Antisemitismus. Der Glaube an Verschwörungsmythen und Wissenslücken über Holocaust, Israel und jüdisches Leben – sind die stärksten Einflussfaktoren. Deshalb sind Bildung und Wissen unser schärfstes Schwert im Kampf gegen Hass und Hetze.

 

Antisemitismus klar benennen

Unsere Stimme ist gefragt – gerade jetzt. Wenn Antisemitismus in Europa und weltweit im Steigen begriffen ist – ganz egal, ob von rechts, links oder aus dem migrantischen Umfeld – dann gilt es Jüdinnen und Juden beizustehen. Wenn der Terroranschlag vom 7. Oktober 2023 als „Aufstand“ oder „bewaffneter Widerstand“ bezeichnet wird, dann ist es unsere Aufgabe, die Dinge klar zu benennen und keine Täter-Opfer-Umkehr zuzulassen: Kein Verständnis für Gewalt. Keine Relativierung von Terror. Kein Platz für Antisemitismus – in keiner Form

 

Pflicht, sich einzumischen

Der 5. Mai ist kein Tag des bloßen Erinnerns, er ist ein Bekenntnis, führte Haubner weiter aus:

Unser Bekenntnis zur Menschlichkeit, zur historischen Verantwortung, zu einem Nie wieder, das nicht nur Vergangenheit bewahrt, sondern Zukunft gestaltet.

Es bleiben die Aufgaben, die Erinnerung zu bewahren, die Pflicht, sich einzumischen und der Mut, ‚Nein‘ zu sagen – auch wenn es unbequem ist.“

 

„Vergiss uns nicht“

Zum Abschluss seiner Rede berichtete Haubner von seinem kürzlich erfolgten Besuch im Konzentrationslager Mauthausen, um die Mahnung nochmals zu betonen:

„Ich habe auf dem Mahnmal für die griechischen Opfer einen Satz gelesen, der mich zutiefst berührt hat: Vergiss uns nicht, die wir hier getötet wurden. Denn das Vergessen des Bösen ist die Erlaubnis zu seiner Wiederholung.“

So zitierte Haubner dann Hans Rosenthal: „Hoffen wir, dass das, was Vergangenheit war, keine Zukunft hat“.

Gedenken an die NS-Opfer am 5. Mai im Parlament: Peter Haubner, Zweiter Präsident des Nationalrats, sprach in der Eröffnung eine klare Mahnung gegen Antisemitismus und für Erinnern und Verantwortung aus. Foto: Parlament / Johannes Zinner
Gedenken an die NS-Opfer am 5. Mai im Parlament: Peter Haubner, Zweiter Präsident des Nationalrats, sprach in der Eröffnung eine klare Mahnung gegen Antisemitismus und für Erinnern und Verantwortung aus. Foto: Parlament / Johannes Zinner