Europa- & Aussenpolitik

Beim EU-Gipfel setzt Österreich auf aktive Neutralitätspolitik

Vor dem EU-Gipfel hatte Bundeskanzler Karl Nehammer mit Russlands Präsident Wladimir Putin telefoniert (Bild: Pressebriefing). Foto: Bka/Florian Schrötter

Es ist ein Gipfel im Schatten von Krieg und Krise: Bundeskanzler Karl Nehammer reist zum Europäischen Rat nach Brüssel. Der für zwei Tage anberaumte Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs befasst sich mit Russlands Angriff auf die Ukraine und dem Wiederaufbau des Lanes sowie mit der Sicherheit Europas hinsichtlich Ernährung, Energie sowie Verteidigung. Nehammer drängt – wie in den Telefonaten der vergangenen Tage – auf Waffenstillstand, humanitäre Hilfen und Getreidelieferungen.

 

Vorbereitende Telefonate mit Staatschefs

Österreich versteht sich als ein Land mit einer aktiven Neutralitätspolitik, so Nehammer vor der Abreise: „Das heißt, dass wir mit allen, die sich im Konflikt befinden, reden, und gleichzeitig eine klare Meinung haben, wenn es darum geht, den Aggressor oder die Völkerrechtsverletzungen zu benennen.“

Daher hat Nehammer in den Tagen vor dem Gipfel mit Staats- und Regierungschefs eine Reihe von Telefonate geführt, so mit Ukraines Präsident Selensky, Russlands Präsident Putin, dem türkischen Präsidenten Erdogan und UN-Generalsekretär Guterres. Nehammer: „Denn es gibt keine Alternative zu Gesprächen trotz aller Schwierigkeiten und Differenzen, wenn man nicht eine weitere Kriegs- und Eskalationslogik verfallen will.

 

Gipfel setzt sich Ziele für Frieden und Sicherheit

Das Ziel der Gespräche und des Gipfels der Staats- und Regierungschefs laut Bundeskanzleramt ist, einen Beitrag zu leisten für

  • mögliche Friedensgesprächen (Istanbuler Prozess),
  • einen Waffenstillstand
  • humanitäre Hilfeleistungen
  • Exporte von agrarischen Produkten, Millionen Tonnen Weizen, Mais und Ölsaaten.

Bezüglich des Exportes von Getreide – auf den etwa Afrika angewiesen ist – verwies Nehammer auf die positiven Signale Putins.

 

Österreich hilft Ukraine und den Opfern

Österreich bleibe jedenfalls „solidarisch mit der Ukraine und den betroffenen Nachbarländern“, so Nehammer: „Wir helfen, wo immer wir können“.

Daher habe Österreich bereits 80 Mio. Euro an humanitärer Hilfe bereitgestellt und werde bis zu 100 schwerverletzte Personen aufnehmen. Rund 75.000 Personen aus der Ukraine haben bisher in Österreich Schutz und Zuflucht gefunden.

Die Europäische Union werden eine Makrofinanzhilfe von 9 Mrd. Euro bereitstellen und einen Solidaritätsfonds für die Ukraine bereitstellen. Allerdings wird eine auf neuen Krediten basierende Finanzierung – wie für den Fonds Next Generation EU – abgelehnt.

 

Versorgung mit Energie

In der aktuellen Situation ist es wichtig, die Versorgung mit Erdgas für den nächsten Winter zu sichern und so schnell wie möglich die Abhängigkeit von Russland zu reduzieren, bekräftigte Nehammer. Daher sollen die Bezugsquellen und Lieferanten breiter gefasst  sowie neue Lieferrouten erschlossen werden. Österreich setzt auf den Ausbau erneuerbarer Energien und die Steigerung der Energieeffizienz. Zu all diesen Punkten liegen mit dem Programm RepowerEU Vorschläge vor.

 

Gemeinsam neue Lieferanten finden

Viele Fragen seien allerdings noch offen, ergänzte Nehammer vor der Abreise. Etwa die erforderliche Finanzierung im Umfang von rund 210 Mrd. Euro bis zum Jahr 2027. Die EU müsse also rasch etwa beim Einkauf von Gas/LNG und von Wasserstoff rasch Fortschritte erzielen. Gedacht ist an eine Energy Purchase Platform. Die EU könnte gemeinsam und geeint gegenüber Energielieferanten auftreten, etwa USA, Katar und Norwegen.

Hinsichtlich der Energiepreise erwartet die Staats- und Regierungschefs neue Vorschläge, die der Abschlussberichte der Europäische Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) und die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) enthalten soll.

Österreich werde sich weiterhin in der UNO und ihren Friedensmissionen engagieren: UNO-Generalsekretär Antonio Guterres bei einem offiziellen Besuch im Mai in Wien mit Bundeskanzler Karl Nehammer. Foto: Bka / Dragan Tatic

Österreich werde sich weiterhin in der UNO und ihren Friedensmissionen engagieren: UNO-Generalsekretär Antonio Guterres bei einem offiziellen Besuch im Mai in Wien mit Bundeskanzler Karl Nehammer. Foto: Bka / Dragan Tatic

Koordinierte Aufrüstung

Angesichts der beispiellosen militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine müsse die Europäische Union „eine starke, geeinte EU-Position vertreten, die sich für die Verteidigung der europäischen Sicherheitsordnung einsetzt“, erklärte Nehammer.

Wesentlich sei es, gemeinsam die Investitionslücken in den europäischen Armeen koordiniert zu schließen müssen: „Österreich bekennt sich dazu, mehr in das Bundesheer zu investieren“. Dies sei erforderlich, um Souveränität und Neutralität zu schützen und zu internationalen Friedensmissionen beitragen zu können. Österreich werde daher neben der NATO besonders mit der UNO und mit der OSZE kooperieren, denn dort könnten auch Nicht-NATO-Mitglieder wie Österreich einen angemessenen Beitrag leisten.