Innenpolitik

300 Psychologen und Psychotherapeuten stellen sich gegen Kickl

Aus der Zivilgesellschaft mach sich Widerstand gegen die Rhetorik und Politik von FPÖ-Chef Herbert Kickl breit. Foto: FPÖ-TV

Abseits der politischen Auseinandersetzung stellt sich nun auch ein Berufsstand gegen die Politik und insbesondere die Wortwahl von FPÖ-Chef Herbert Kickl. In einem Offenen Brief rufen 300 Psychologen und Psychotherapeuten auf, sich gegen Rechtsextremismus zu stellen. Und Österreichs Literaturszene stellt sich gegen den demokratiefeindlichen Sprachgebrauch.

 

Offener Brief

Der Offene Brief, der am Donnertag an FPÖ-Chef Herbert Kickl gerichtet wurde, ist von 300 Therapeuten unterzeichnet. Inhalt des Schreibens: Von Rechtsextremismus würde eine Gefahr für die Demokratie und die Gesundheit ausgehen.

Es geht hier vor allem um ein Body-Shaming, ein Herauslassen niedrigster Instinkte, die im zivilisierten Umgang zwischen Menschen sonst nur in der untersten Schublade zu finden sind, heißt es in dem Brief. Und weiter: Viele Wähler der FPÖ haben sicher auch berechtigte Sorgen in Bezug auf die Krisen in unserer Gesellschaft. Aber als Reaktion und als Antwort darauf darf nicht die Entwürdigung von Fremden und politischen Gegnern gehören.

 

Lange Liste mit Kickls Beleidigungen

Kickl ist laut Unterzeichner „auf die Verspottung und Beleidigung von ihm missliebigen Personen und Gruppen spezialisiert“. Als Beispiele nennen die Initiatoren eine Reihe von Aussagen Kickls auf politische Mitbewerber.

  • Regierungspolitiker sind für ihn der „Swingerclub der Machtlüsternen“. Sie gehören wie gesuchte Verbrecher auf eine „Fahndungsliste“ und sind „Folterknechte“.
  • Ein betagter ÖVP-Politiker wird aufgrund seines Äußeren mit Ötzi verglichen und mit einem „Verstorbenen, der nur noch zuckt“.
  • Der Bundespräsident ist angeblich „senil“ und „die Mumie in der Hofburg“.
  • Ein kritisierter prominenter SPÖ-Politiker ist eine „dicke, rote, fette Spinne“.
  • Arbeitnehmer-Vertreter sind „alle dick, statt ausgemergelt“.
  • Über einen altgedienten grünen Spitzenpolitiker sagt Kickl „niemand ist grindiger als er“.
  • Ein parlamentarischer Aufdecker hat angeblich vom vielen Sitzen beim Aktenstudium schon „einen Hintern, rot wie ein Pavian“.

„Wir sollten alle wissen, dass man so über Menschen nicht reden darf. Aber Kickl gelingt es, sein Publikum zu begeistern. Bevor sich die Restbestände des Gewissens melden, hat man schon auf Kosten anderer gelacht“, kommen die Unterzeichner in einer Aussendung zum Schluss.

 

Auch Warnung vor AfD

Im offenen Brief wird auch auf die Politik der deutschen AfD und auf die Forderung der „Remigration“ und dem Verhältnis zur Identitären-Bewegung eingegangen.

Dazu heißt es in dem Offene Brief: „Wie die AfD in Deutschland unterstützt die FPÖ die Befürworter einer ‚Remigration‘ von eingewanderten Menschen. Die fremdenfeindlichen Aktivitäten und die Terminologie der ‚Identitären‘ mit ihrem Vordenker Martin Sellner wurden während der letzten Jahre immer offener geduldet und gefördert. Laut Kickl sind die Identitären ein ‚unterstützenswertes Projekt‘. Sein EU-Spitzenkandidat Harald Vilimsky forderte Anfang April 2024 offenbar ohne jede Berührungsangst die Einsetzung eines ‚Kommissars für Remigration‘“, heißt es im Brief weiter. Neben der Einladung zur Verfolgung von Minderheiten und zur Schadenfreude würden die Rechtsextremen das vollmundige Versprechen von „Identität“ vor sich hertragen.

„Als PsychologInnen und PsychotherapeutInnen fühlen wir uns verpflichtet, vor der massiven Gefährdung von Demokratie und Gesundheit zu warnen, die von der FPÖ, der AfD und den Identitären ausgeht. – Helfen Sie mit, keine menschenverachtende, rechtsextreme Partei wie die FPÖ regieren zu lassen“, appellieren die 300 Psychologen und Psychotherapeuten an die Öffentlichkeit.

 

Autorinnen und Autoren aktiv gegen Kickl

In den letzten Wochen hat sich ein breiter Zusammenschluss von Verbänden der Autorinnen und Autoren sowie von Literatureinrichtungen konstituiert. Sie wollen jene Begriffe, die in die politische Debatte eingebracht werden, in ihrem Wert für die Demokratie überprüfen, hieß es in der Ankündigung eines Pressegespräches auf der Seite des Pen-Club Österreich.

Die Autorinnen und Autoren sowie Vertreter der Literatur wollen sich insbesondere jene Begriffe kritisch ansehen, die in Wahlkämpfen eingesetzt  und denen im Sprachgebrauch ein Platz verschafft werden soll. Dazu zählen Begriffe wie „Volkskanzler“, „Lügenpresse“ und „Systemparteien“. Eine derartige Wortwahl sei geeignet, die Demokratie abzuschaffen.

 

Kickl verweigert Untersuchungsausschuss

Wegen zahlreicher Vorwürfe etwa wegen parteiinterner Geldzuweisungen aus öffentlichen Mitteln hätte Kickl – der die Vorwürfe stets bestritt – nächste Woche vor dem Untersuchungsausschuss des Nationalrats zum rot-blauen Machtmissbrauch Auskunft geben sollen. In den Parlamentsfraktionen wurde unterdessen bekannt, dass Kickl unter Hinweis auf Urlaub nicht erscheinen wird.

 

Kickls Absage „skandalös“

Die Absage Kickls an den U-Ausschuss bezeichnete Andreas Hanger, Fraktionführer der ÖVP, als „unfassbaren Skandal“. Der Erklärungsbedarf Kickls werde ständig größer und betreffe die FPÖ-Russland-Informationsachse, die unklare Konstruktion rund die Ideenschmiede-Agentur, die öffentlichen Gelder für die blaue Partei und jetzt staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen der Inseratenkorruption. Hanger dazu: „Die Absage kann im Grunde nur bedeuten, dass sich Kickl vor der Befragung unter Wahrheitspflicht drücken möchte.“

Kickl und betroffene FP-Funktionäre haben die verschiedenen Vorwürfe bestritten.