Innenpolitik
Mit 19.000 Schritten dem Segen entgegen
Es war die erste Wallfahrt des Parlamentsklubs der neuen Volkspartei. Sie führte zum Nationalheiligtum Mariazell. Gut möglich, dass mit den 19.000 Schritten von Annaberg-Wienbruck zum Nationalheiligtum nach Mariazell eine für den Parlamentsklub neue Tradition begründet wurde. Zur-Sache war dabei.
August Wöginger, Klubobmann, geht wie er spricht: sicher und schnell. „Kommt’s, stellt’s Euch ein bisserl z’samm“ rief Wöginger am Ausgangspunkt in Annaberg-Wienerbruck, jener Gemeinde im Mostviertel, der die Türnitz entspringt. Es waren an die siebzig Frauen und Männer, samt und sonders Abgeordnete zu Nationalrat, Mitglieder des Bundesrates oder des Europäischen Parlaments sowie Mitarbeiter der Klubs, die sich bereits vormittags zur Wallfahrt eingefunden hatten. Generalsekretär Axel Melchior war daher ebenso unter den Teilnehmern wie Bauernbund-Präsident Georg Strasser. Die Einladung zur Wallfahrt war ein Novum, eine völlig neuen Sache also, wie Wöginger zum Auftakt erläutert.
Hoffen auf ein baldiges Ende der Pandemie
„Es ist gut und richtig, nach einem herausfordernden Parlamentsjahr zu danken. Und zu hoffen, dass wir jetzt ein gutes Parlamentsjahr vor uns und die Corona-Pandemie bald hinter uns haben“, sagte Wöginger. Dieser „Bitte an den Herrgott“ am Fuße des Josefsberg folgten ein erstes Gebet und Einladungen zu den weiteren, angeleitet durch den geistlichen Begleiter Peter Schipka, Generalsekretär der Österreichischen Bischofskonferenz.
Der erste Teil der Strecke, von Annaberg-Wienbruck bis zu der vor Mitterbach gelegenen Station Erlaufklause wurde nach kurzer Information zu Geographie und Geschichte durch Annabergs Bürgermeisterin Claudia Kubelka in der sauberen Mariazellerbahn zurückgelegt. Die Bahnstrecke kennt im Unterschied zur Landesstraße keine der dortigen 17 Kehren sondern durchschneidet geradlinig den nassen Mischwald. Dessen Lichtungen boten den Raum, Gebete der Engel des Herren zu sprechen. Die Pilgerroute 9b führte die Parlamentarier entlang des Erlaufstausees über breite Wege des Kalkgesteins und engspurige, von der giftigen Pflanze Blauer Eisenhut gesäumte Pfade nach Mitterbach. Dort wurde in dem wenige Meter zur Ortsgrenze von St. Sebastian gelegenen Gasthaus Rauscher eine Mittagsrast eingelegt.
Angeregte Gespräche flotten Schrittes
Die Pilger setzten etwas gelassener und jedenfalls nicht ganz so atemlos wie unterwegs ihre Gespräche fort. Sie tauschten Erfahrungen und Beobachtungen aus, teilten so manche Sorge, kamen einander näher. Wie soll die Tochter eine der ständig teurer werdenden Eigentumswohnungen finanzieren? Wird Österreich die Corona-Pandemie bald überstanden haben? Werden Wallfahrtsorte wie das außerordentlich berühmte Mariazell bald wieder häufiger besucht werden? Wie gut gelang es, dass sich die jungen Abgeordneten der neuen Volkspartei und der Grünen bei einem eigens dafür veranstalteten Abend kennenlernten? Was werden die nächsten Themen sein? Wie kann zu politischen Themen in den Orten und Bezirken bundesweit argumentiert werden? Das und mehr beschäftigte die Wallfahrer, als sie sich wiederum aufmachten und St. Sebastian durchquerten, womit sie die Steiermark erreichten.
Pünktliches Eintreffen zur Messe
Diese ebenfalls zu Fuß zurückzulegende Etappe wurde in etwas mehr als einer Stunde bewältigt und vervollständigte diesen Teil der Wallfahrt gegen 17.00 Uhr vor der Basilika Mariazell. Ausgehend von 789 Meter Seehöhe hatten die Wallfahrer knapp acht Kilometer zurückgelegt, bei 933 Metern den höchsten Punkt überschritten und damit einen malerischen, leicht bewältigbaren Teil der Via Sacra absolviert. Vor der Kirche trafen sie auf weitere Dutzende Wallfahrer des ÖVP-Klubs, darunter Wolfgang Sobotka, Präsident des Nationalrats und Klubdirektor Martin Falb. So besuchten gut 140 Personen die von Gudrun Kugler gestaltete und von Peter Schipka geleitete Messe, die eine Ermutigung für das Bekenntnis zum Glauben bereit hielt.
In Freiheit für den Glauben eintreten
In seiner Predigt wollte Schipka „bewusst auf politische Aussagen verzichten“ sondern vielmehr den an diesem Tag beschrittenen „geistlichen Weg“ eben auch im Gottesdienst weitergehen. Der Tag der Wallfahrt ist das Datum des Gedenkens an die koreanischen Märtyrer und Heiligen Andreas Kim Taegon (1821-18469) und Paulus Chong Hasang (1795-1839), die während der Christenverfolgungen hingerichtet worden waren. Der allen Martyrien gemeinsame Dreischritt – Bekenntnis, Verfolgung, Rettung durch Gott aus dem Tod – kann auch in entgegengesetzter Richtung gelesen werden. Wir, so Schipka, müssen keine Märtyrer sein, können auf Rettung vertrauen und frei für unsere Überzeugung und unseren Glauben eintreten, „egal, ob er nun gut ankommt oder nicht“.
Jährliche Wallfahrt
Dann bezog sich Schipka auf das Wort, unter dem die Messe stand: „Denn ich bin gewiss: Weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Gewalten der Höhe oder Tiefe können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.“ (Römer 8,38-39). Im Vertrauen darauf, dass nichts von der Liebe Christi zu trennen vermag, sind auch „Benachteiligungen, Kränkungen und persönliche Ungerechtigkeiten“ zu ertragen. Und wem der Glaube bedeutsam sei, dem falle es nicht schwer, dafür einzutreten. So erteilte Schipka der Gemeinde der Wallfahrer den Segen. Und als Wöginger nach dem Abendessen ankündigte, von nun an jährlich zum Auftakt der ersten Plenarwoche des Herbstes eine Wallfahrt des Klubs anzusetzen – da waren ihm einmal mehr und letztmalig an diesem langen Tag die Zustimmung und der Applaus sicher.