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Beschäftigung – das muss jetzt Priorität haben
Im Interview mit Zur-Sache.at nennt ÖAAB-Obmann August Wöginger die Prioritäten der Politik für Arbeitnehmer: Beschäftigung, steuerliche Entlastung und Vorbereitung auf die neuen Jobs und die neuen Arbeitsformen, die auch nach der Corona-Pandemie bleiben werden.
Zur-Sache.at: Sie haben beim Bundestag für den ÖAAB einen programmatischen Prozess angekündigt, einer der neun Arbeitskreise in den Bundesländern soll die Zukunft der Arbeit diskutieren. Was ist aus der Sicht des ÖAAB-Obmanns das wesentliche, das wichtigste Thema, das aufzugreifen ist?
August Wöginger: Es geht um zwei Bereiche. Das erste ist, kurz- und mittelfristig möglichst viele Menschen wieder in Beschäftigung zu bringen, konkret im Sinne des Wiederaufbauplanes der Bundesregierung für die Zeit nach Corona. Das muss jetzt Priorität haben. Die geplanten Öffnungsschritte werden dabei unterstützend wirken, etwa im Tourismus, in der Gastronomie und auf dem Veranstaltungssektor.
Das zweite ist, dass wir als Arbeitnehmerorganisation weit über den Tellerrand der unmittelbaren Gegenwart hinausblicken wollen. Wir stehen vor einer Reihe von Fragen: Wie schaut der Job der Zukunft überhaupt aus? Ich verweise nur auf das Stichwort Digitalisierung, weiters auf Crowd Work und auf Mobile Working. Für diese modernen Arbeitsformen haben wir noch keine ausreichenden rechtlichen Rahmen. Also werden wir uns im ÖAAB mit dieser Thematik befassen. Das übernimmt die Landesorganisation Steiermark mit Christopher Drexler. Dabei geht es auch um die Innovationen in der Wirtschaft und den Unternehmen, siehe Wasserstofftechnologie, aber auch um Fragen der Ökologisierung.
Wenn es um Beschäftigung geht, sagen die Vertreter der sozialen Marktwirtschaft, die Arbeitnehmer sollen sich qualifizieren. Andere hingegen fordern, auch in der aktuellen Debatte, der Staat soll eingreifen, soll die Jobs schaffen und sich an Firmen beteiligen. Wie lautet die ÖAAB-Linie?
August Wöginger: Der ÖAAB bringt ständig konstruktive Vorschläge zur Arbeitsmarktpolitik. Die Meldungen des ÖGB hingegen sind aus dem letzten Jahrtausend, aus der Mottenkiste. Die vom ÖGB genannten werden uns nicht voranbringen. Wir müssen nachhaltige Jobs entwickeln. Was meine ich damit? Es nützt doch nichts, wenn in Gemeinden jemanden aus irgendwelchen Programmen heraus beschäftigt wird, aber nach einem Jahr und Ende des Programms weiß der Bürgermeister nicht mehr, wie er diesen neuen Gemeindearbeiter bezahlen soll. Derartige Programme, wie die damalige Aktion 20.0000, sind nicht hilfreich.
Wir stellen uns vor, durch Umschulungen und Arbeitsstiftungen die Qualifikationen von Arbeitnehmern anzupassen und zu erhöhen. Es stehen dafür hohe Beträge zur Verfügung. Es ist übrigens gelungen, seit Jänner wieder 180.000 Personen in Beschäftigung zu bringen. Wenn die Wirtschaft wieder richtig läuft, dann wird dadurch die Arbeitslosigkeit stark reduziert. Das funktioniert nach wie vor. Da wollen wir hin.
Was hat man aus Corona gelernt? Einiges ist ja beschlossen worden, steuer- und arbeitsrechtlich. Gibt es weiteren Regelungsbedarf, ist irgendwo nachzujustieren?
August Wöginger: Ein wesentlicher Bereich war und ist in diesem Zusammenhang das Homeoffice, und dieses ist weitgehend und gut geregelt, auch im Steuerrecht. Uns geht es um einen weiteren Aspekt, nämlich das angesprochene Mobile Working. Können Arbeitnehmer, falls das von der Art der Tätigkeit her möglich ist, ihre Arbeit künftig auch in einem Park verrichten, in einem Nebenzimmer in einer Gaststätte, in einem Cafe?
Für einige Berufe und Jobs gilt, dass man die Arbeit durch Smartphone oder Laptop überall mit sich führen kann, in der Tasche oder im Rucksack. Für Tätigkeiten in Büros oder an Schreibtischen braucht man keine Aktenschränke mehr. Die Akten liegen auf Servern. Daher müssen wir Mobile Working noch stärker als Thema erkennen und entwickeln und dafür auch die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen.
Worin liegen weitere Forderungen des ÖAAB, ergänzend zur Arbeitswelt?
August Wöginger: Es ist uns wichtig, weitere Schritte der Entlastung zu setzen. Der ÖAAB ist die Organisation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wir haben Verständnis für Arbeitslosigkeit und soziale Notlagen und sind in diesen Fällen für wirksame Unterstützung. Aber den Fokus müssen wir auf jene Personen richtig, die im Berufsleben, die arbeiten, die erwerbstätig sind. Daher möchten wir auch die Steuerentlastung vorantreiben, damit mehr Netto vom Brutto bleibt. Wir müssen in Österreich – einem Land mit hohen Abgaben aber auch hoher sozialer Sicherheit – weitere Schritte der steuerlichen Entlastung setzen. Der erste ist erfolgt, nun sollten die Steuersätze von 35 % auf 30 % und von 42 % auf 40 % herabgesetzt werden. Dazu kommt, den Familienbonus für Familien mit einem Kind von 1.500 Euro auf 1.750 Euro monatlich anzuheben. Das ist ein Gebot der Stunde und sollte rasch umgesetzt werden. Bei niedrigen Einkommen soll es zu einer Erhöhung von 350 Euro statt bisher 250 Euro kommen. Erstens, weil es notwendig ist, und zweitens, weil es die Kaufkraft stärkt. Das kommt wieder dem Staat zugute.
Die örtliche Mobilität von Arbeitnehmer ist immer wieder Thema, ökonomisch und ökologisch. Die Linie des ÖAAB dazu lautet wie?
August Wöginger: Wir unterstützen die Ansiedelung von Betrieben in den ländlichen Regionen, damit die Arbeitsplätze näher bei den Menschen sind. Wir sind für kurze Pendlerstrecken. Zu pendeln ist für die Arbeitnehmer nicht attraktiv und für die Umwelt nicht gut. Also sollen die Jobs zu den Menschen kommen. Das ist die eine Seite der Mobilität. Die zweite ist aber leider, dass wir das nicht zu 100 Prozent schaffen werden. Aus meinem Heimatbezirk Schärding in Oberösterreich pendeln 15.000 bis 20.000 Personen aus. Da gibt es nur zwei Zugverbindungen. Die betroffenen Arbeitnehmer brauchen ein Auto, jedenfalls um zumindest zum Bahnhof zu gelangen. Der Ausbau von Pendlerverbindungen ist zu begrüßen, wird alleine aber nicht ausreichen.
Zum Thema Arbeit kursieren immer wieder Forderungen etwa nach einem Mindestlohn, nach Verkürzung Arbeitszeit oder Verlängerung des Urlaubs. Ihre Meinung dazu?
August Wöginger: Wir stehen als Arbeitnehmerorganisation auf dem Standpunkt, wer voll arbeitet, muss so viel verdienen, dass er davon leben kann. Das ist unsere Ansage. Wir bleiben bei unserer Haltung, dass die Kollektivvertrags-Partner die Tarife gestalten sollen und nicht der Gesetzgeber. Das hat in Österreich übrigens Tradition und ist auch erfolgreich. Zudem ist in vielen Branchen die sechste Urlaubswoche bereits eingeführt. Wer in Teilzeit arbeiten möchte, findet dafür die Möglichkeit und Lösungen. Wir haben eine gute Verteilung zwischen Arbeitszeit und Freizeit. Bei diesem Thema sehe ich keinen akuten Handlungsbedarf. Die arbeitsrechtlichen Bedingungen in Österreich sind sehr gut.