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Die erregte Republik und ihr Gründungsdokument

Österreich braucht Konsens und Kompromiss.

In einem Parlament als Bühne der Politik toben häufig Wortgefechte und Redeschlachten. Das ist altbekannt und gehört wohl dazu. Neu hingegen sind die Vehemenz, die Aufgeregtheit und die Gereiztheit, mit der Abgeordnete der Sozialdemokraten und der Neos auf den Bundeskanzler und den Finanzminister geradezu losgehen. Am Jahrestag der Unterzeichnung des Staatsvertrages – das ist der 15. Mai – ist vom Gründungsgedanken der Zweiten Republik bei diesen Fraktionen wenig zu bemerken. An diesem Tag, an dem heuer Corona-bedingte Sperren gelockert werden, verströmen die Oppositionsparteien keinen Aufbruch sondern ihren intensiven Trieb nach Zusammenbruch der Regierung. Es ist und bleibt unfassbar, welchen Unsinn und welchen Unfug das kleinkriminelle Erpressungsvideo mit Heinz-Christian Strache und der von SPÖ und Neos drei Jahres später eingesetzte Untersuchungsausschuss schon jetzt angerichtet haben.

Hohe Aggressivität, wenig an Würde

Die Protokolle des Untersuchungsausschusses zeugen von einer teils hoch aggressiven Art der Befragung. Die Fragen sind teils Unterstellungen, teils Fallstricke. Die Behandlung mancher Auskunftspersonen wird von neutralen Beobachtern als entwürdigend bezeichnet. Von der sprichwörtlichen Dampfplauderei Straches im Mai 2017 auf Ibiza ist auch vier Jahre danach nur geblieben, dass sein Rücktritt zwingend war. Das alles wird begleitet vom enormen Getöse einzelner Abgeordneter der Opposition und ihren beharrlichen Versuchen, die Regierung zu skandalisieren. Es war Erhard Busek, der dazu einen guten Vorschlag unterbreitete: Nicht nur Auskunftspersonen sondern auch die fragenden Abgeordneten sollten der Wahrheitspflicht unterliegen. Soll heißen: Sie dürfen nur danach fragen, wofür wahrheitsgemäße Begründungen vorliegen.

Wahrheitspflicht für Abgeordnete

Vorschläge wie dieser haben viel für sich, denn letztlich geht es darum, dass unsere Demokratie funktioniert. Die Verständigung über Parteigrenzen hinweg gehört zu den Gründungsgedanken der Republik. Staat und Gesellschaft brauchen sachliche Lösungen und Kompromisse über die wesentlichen Themen. Diese liegen heute in der Bewältigung der Krise, in der Belebung der Wirtschaft, in neuen Formen von Produktion und Konsum und vielem mehr. Genau daran arbeitet die türkis-grüne Koalitionsregierung. Wer anderer Meinung ist und Konzepte hat, möge sie im Parlament einbringen. Aber unter Missbrauch parlamentarischer Instrumente eine Regierung bloß zu skandalisieren gehört keinesfalls zu jener Zweiten Republik Österreich, deren Gründungsdokument am 15. Mai seinen Jahrestag feiert.