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In memoriam Erhard Busek

Nach Dr. Erhard Busek, verstorben 2022, ist ein neues Stipendium benannt, das Wissenschaftsminister Martin Polaschek initiierte. Foto Parlamentsdirektion / Bildagentur Zolles / Mike Ranz

Erhard Busek ist am 13. März 2022 im 81. Lebensjahr verstorben. Die Trauerfeier für die politische Persönlichkeit und den langjährigen ÖVP-Politiker findet am Mittwoch, 30. März 2022 am Zentralfriedhof in Wien statt. Hier ein Nachruf In memoriam Erhard Busek von einem seiner engen Mitarbeiter, Thomas Köhler (s.u.), von ihm unter den Titel Ante Portas gesetzt.

 

Konstruktiv gegen Ignoranz gewandt

Vielleicht verkörperte Erhard Busek eine Art geistige Opposition in Permanenz. Allerdings nicht in destruktiver, sondern in konstruktiver Hinsicht. Sei es in seiner römisch-katholischen Kirche; sei es in seiner christ(lich-)demokratischen Partei; sei es in Österreich oder in (Mittel-)Europa. Sein Habitus dabei war der eines Intellekts gegen die Ignoranz: Genau davor warnte er Wolfgang Schüssel als Nachfolger: Um nicht zu scheitern, sondern Erfolg zu haben, möge er seine Intelligenz eher ver- als entbergen. „Denn des wollen’s net.“ Er selbst konnte es freilich nicht.

Unbestritten ist, dass er dann und wann recht hatte mit seiner Skepsis gegenüber einer Seele der kleinen Alpenrepublik, der ein Geist der großen Donaumonarchie – verkörpert par excellence in Wissenschaft und Kunstschaffen von „Wien um 1900“ – eher fremd blieb als eigen war. Busek war im Kopf Jurist und im Herz Historiker. Worunter er als Zoon politikon in und an Partei und Staat litt, war also eine Enge – statt Weite – des österreichischen „Rests“ nach 1918. Eine solche zu kritisieren wurde er bis zu seinem plötzlichen Tod vor rund zwei Wochen nicht müde.

 

Groß und weit statt klein und eng

Psychologisch gesprochen, bildete „Mitteleuropa“ – das für Erhard Busek viel mehr nach Osten denn nach Westen reichte und heute umkämpfte Städte wie Lemberg und Czernowitz umfasste – eine Kompensation verlorener und zu gewinnender äußerer „Größe“ statt „Kleine“. Jenes ferne „Mitteleuropa“ blieb sein naher Traum. Dass dieser nach 1989 nicht in Erfüllung ging, ja gerade heutzutage in Trümmern liegt, brach ihm wohl das Herz. In einem seiner letzten Statements sprach er deswegen von enormer Sorge: nicht für sich oder die alte Generation, sondern für die junge.

Er wuchs in der Nachkriegszeit auf. Seine Mutter war Hausfrau und sein war Vater Baumeister. In Wort und Tat: Damals ging es um Wiederaufbau, indem man den inneren und äußeren Schutt entfernte, der Österreich belastete. Außen räumte man weg, baute man auf, riss man ab. Was für die Stadt galt, galt auch das Land. Innen verbot man sich die Erinnerung an den Nationalsozialismus, als hätte es ihn bzw. Österreichs Position dazu nicht gegeben. Gegen unbewusste Verdrängung forderte Erhard Busek bewusste Verantwortung ein. In solcher Haltung wurden Historiker und Jurist eins.

 

Österreichs Narrative

Als Junior hatte er 1955 erlebt, dass mit dem Abschluss des Staatsvertrags das erste Narrativ der Zweiten Republik positiv erreicht wurde: die staatliche Souveränität. Als Senior erlebte er an der Seite von Franz Vranitzky 1995 das positive Erreichen des Zweiten Narrativs: des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union. Damit assoziierte er zugleich ein Überwinden der angesprochenen und empfundenen alten Enge zugunsten einer neuen Weite. Umso mehr vergrämte ihn, der nun nicht mehr inner-, sondern außerhalb der Spitze der Partei wirkte, dass es just die Außen- und Innenpolitik war, die viel zu wenig mit Mitteleuropa kooperierte.

Ein besseres Ventil zur Welt erkannte Erhard Busek in der Bildungs- und Kulturpolitik. Als Wissenschafts- und Unterrichtsminister nahm er – gegen viele Widerstände – den Staat zurück und stärkte die Autonomie der Universitäten; führte im europäischen Kontext in Österreich die Fachhochschulen ein und schloss zugleich aus, dass jeder Bürgermeister sofort eine bekam; modernisierte die Museen und förderte den Dialog zwischen Schulen und Künsten.

 

Parte Dr. Erhard Busek

Parte Dr. Erhard Busek

Metropole Urbanität

Was für den österreichischen Bundespolitiker galt, hatte auch für den Wiener Landespolitiker gegolten. Das in den 19970er-Jahren unter den damaligen „Sozialisten“ noch graue Wien wurde durch seine Impulse viel bunter. Typisch mag sein, dass SPÖ und Grüne viele seiner Vorstellungen übernahmen, während die klientelistische Stadt-ÖVP ihren Obmann absetzte. Der Parteitag von Oberlass wurde ein „Waterloo“. Das Schicksal des Propheten ist ein Exil in der Heimat.

Um Erhard Busek als Gläubigen im Zweifel zu verstehen: Von Franz König geprägt, warf er sich bis zum Schluss vor, Kurt Krenn als Bischof durch einen Widerspruch im Ministerrat nicht verhindert zu haben. Er dachte und fühlte dabei als Zeuge des Zweiten Vatikanischen Konzils. Dabei war quasi ein „Weltgeist“ gegen einen „Dorfgeist“ (nicht nur, aber vor allem) im Klerus angetreten und hatte Papst Johannes XXIII. die für ihn bestimmenden Worte gesprochen, endlich „die Fenster zu öffnen und frische Luft zu atmen“.

 

Universell, nicht atomar: europäischer Christdemokrat

Erhard Busek blieb Katholik im Wortsinn: universal und nicht atomar. Zugleich war er Christdemokrat: In dem unter seinem Vorsitz beschlossenen Grundsatzprogramm betonte die Volkspartei so sehr wie nie zuvor und danach, Christdemokratie aus deren drei Wurzeln – aufgeschlossen – zu begreifen: der christsozialen, -liberalen und -konservativen Wurzel.

Damit war Busek nahe an Josef Klaus, während dessen Alleinregierung er dem ÖVP-Klub gedient hatte, worin er von Felix Hurdes geholt worden war. Schon Klaus hatte wie Hurdes das ideologische Bekenntnis zur Christdemokratie forciert, ebenso übrigens wie eine Öffnung Österreichs nicht nur in Richtung Europäischer Union, sondern auch in Richtung Mitteleuropa, das damals großteils noch hinter dem Eisernen Vorhang lag! Wird ein solcher heute wieder errichtet: innerlich wie äußerlich unter uns?

 

Ewig mit Humor

Am 25. März 2022 – zu Mariae Verkündigung – hätte Erhard Busek Geburtstag gehabt! Ob er ihn angesichts des Zustands der Welt gefeiert hätte? 81 Jahre wäre er geworden: alt oder jung. Nun ist seine Stimme verstummt: diesseits, nicht jenseits. Er hatte Humor: Streitbar steht er – zum weiteren Dialog bereit – quasi ante portas.

 

Zum Autor:

Prof. Dr. Thomas Köhler, MSc., arbeitet wissenschaftlich und kunstschaffend sowie als Psycho- und Logotherapeut in Wien. Von ihm liegen zahlreiche Publikationen interdisziplinär zu Geschichte und Politik, Pädagogik und Psychologie vor. Von 1991 bis 1995 war er Sekretär von Vizekanzler und Bundesminister Dr. Erhard Busek.

 

Buchtipp:

Thomas Köhler und Christian Mertens (Hg.), Josef Klaus und Erhard Busek: Reform als Auftrag – Wegbereiter einer modernen Christdemokratie (edition mezzogiorno: Wien 2016).

Der vorliegende Artikel ist die adaptierte Fassung eines zum 80. Geburtstag von Erhard Busek im Feuilleton der Wiener Zeitung erschienen Beitrags.