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Korrektur einiger Irrtümer dieser Tage
Anzeigen und die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, so scheint es, prägen derzeit das politische Geschehen. Einige Personen bemühen ständig die Justiz, vor allem gegen Minister und Abgeordnete der größeren Regierungspartei, die türkise ÖVP.
Eine von drei Säulen
In ihrer Aufgeregtheit meinen manche Akteure in ihrer politischen Polemik, die Justiz sei die einzige, jedenfalls aber die höchste Instanz des Rechtstaates. Das ist ein erster Irrtum.
Österreich hat mit dem Parlament, der Verwaltung und der Justiz drei Säulen des Rechtsstaates. So heißt es auf der Internetseite des Bundesministeriums für Justiz: „Die Justiz ist neben der Gesetzgebung und der Verwaltung die dritte Säule des Rechtsstaats.“ Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Punktum. Es gibt zwischen diesen Säulen keine Über- oder Unterordnung, sondern gesetzlich geregelte Beziehungen, damit diese Institutionen zum Wohle der Bürger und des Staates funktionieren. Tun sie das, tragen sie gemeinsam das Haus der demokratischen Republik. Diese drei dürfen und können kritisiert werden. Auch die Justiz. Das zu leugnen, ist der zweite Irrtum.
Jeder in der Pflicht, keiner außerhalb der Kritik
Seit der Aufklärung gilt für das Handeln im Staate ein einfaches Prinzip: Jeder steht in der Pflicht, keiner außerhalb der Kritik. Das gilt für alle, auch wenn es nicht jeder gerne hört. Manche müssen sich erst daran gewöhnen. Wer Kritik etwa an einem Gesetz äußert, gefährdet damit noch nicht das Parlament. Wer Kritik an einem Bescheid vorbringt, stellt damit noch nicht die Verwaltung in Frage. Und wer Kritik an einem Vorgang der Justiz vorbringt, untergräbt damit noch nicht den Rechtstaat.
Im Klartext: Es muss erlaubt bleiben, öffentlich diskutierten Vorwürfen aus der Justiz gegen eine Person, etwa Minister oder Abgeordnete, auch öffentlich entgegenzutreten. Das muss für die ÖVP etwa Klubobmann August Wöginger ebenso möglich sein wie für Abgeordneten Andreas Hanger. Wenn diese sich kritisch zu einzelnen Vorgängen äußern, ist das eine Kritik an diesen Vorgängen aber noch keinesfalls eine Attacke auf die gesamte Justiz, wie manche in ihrer Übertreibung meinen. Zudem sehen auch andere die ÖVP im Visier der WKStA. In einer österreichischen Qualitätszeitung hieß es vor fünf Wochen: „Wer den Akt zur Causa Casinos studiert, kann sich des Eindrucks kaum erwehren, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft derzeit wie ein Rudel Löwen um die ÖVP kreist – und nur darauf wartet, das verwundbarste Mitglied der türkischen Herde zu identifizieren.“
Entscheidungen treffen, Lösungen schaffen
Das führt zur Klarstellung über den dritten Irrtum. Dieser besteht in der Annahme, Anzeigen und die WKStA würden derzeit das politische Geschehen prägen. Wie gesagt, ist das ein Irrtum. Diese Anzeigen und ihre Folgen prägen vorerst bloß die politische Kommunikation. Die Kommunikation ist ein Teil der Politik aber noch nicht die gesamte Politik. Tatsächliche Politik hingegen ist das Erkennen, Entscheiden und Handeln für Staat und Gesellschaft. Genau damit befasst sich derzeit die Politik, jedenfalls jene der Regierung: Angemessener Umgang mit der Rückläufigkeit der Infektionsgefahren, wirksame Vorgangsweise für Impfungen, sachgerechte Lösungen für die außerordentliche schwierige wirtschaftliche Lage. Darum geht’s.
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