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Faktencheck: Ausgewogene Berichterstattung in Österreichs Medien?

Die WKStA stellte ein Verfahren ein, ein weiteres wurde durch Gerichtsbeschluss eingestellt. Fotos: Jakob Glaser; iStock.com/ querbeet

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hat das Verfahren gegen Hartwig Löger sowie drei weitere Manager wegen des Verdachts der Untreue im Zusammenhang mit Parteispenden eingestellt, ebenso den Beschuldigtenstatus. Wie Zur-Sache dokumentiert, waren die Berichte und die medial vermittelte Empörung zum Start der Ermittlungen gegen Hartwig Löger groß. Nun wird aber eher knapp darüber berichtet, dass sich der Verdacht entkräftet und daher die Ermittlungen der WKStA in diesen Punkten eingestellt wurden.

 

Entkräfteter Verdacht

Im Februar 2021 wurde bekannt, dass die WKStA Vorwürfe gegen Hartwig Löger wegen zwei Spenden eines Unternehmens erhoben hat, dessen Aufsichtsratsvorsitzender Löger 2017 und 2018 war. Diese Vorwürfe haben sich nun als falsch erwiesen und die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue im Zusammenhang mit Parteispenden eingestellt. Ebenso auch der Beschuldigtenstatus Lögers.

Als die Ermittlungen gegen Löger im Februar dieses Jahres bekannt wurden, berichteten einige Medien äußerst ausführlich darüber. Mit Stand 03.11.2021 wurde aber von den gleichen Medien über die Einstellung der Ermittlungen und somit über die erwiesene Haltlosigkeit der Vorwürfe nur wenig berichtet.

Daher stellt sich die Frage: Berichtet Österreichs Medienlandschaft ausgewogen? Zur-Sache geht dieser Frage anhand einer Gegenüberstellung der Berichterstattungen von damals und heute nach.

 

Berichterstattung Tageszeitung DER STANDARD

Am 03.02.2021 berichtete die Tageszeitung „Der Standard“ bereits auf der Titelseite, dass „Ermittlungen gegen Ex-Minister Löger wegen Parteispenden“ aufgenommen wurden. Nach einer umfassenden Vorankündigung wird am Ende des Beitrags auf die Seite 17 der Ausgabe verweisen.

 

Der Bericht zu den WKStA-Anschuldigungen gegen Löger landete auf der Titelseite des Standard vom 03.02.2021

Der Bericht zu den WKStA-Anschuldigungen gegen Löger landete auf der Titelseite des Standard vom 03.02.2021

 

 

"Der Standard" vom 03.02.2021 Seite

„Der Standard“ vom 03.02.2021 – Seite 1.

 

Auf der Seite 17 wird dann umfassend über alle Einzelheiten der Ermittlungen der WKStA gegen Löger berichtet. Weiters wird auch über die diversen Aspekte berichtet, wie etwa die Chats zwischen Löger und dem Manager des Unternehmens.

 

"Der Standard" vom 03.02.2021 Seite 17

„Der Standard“ vom 03.02.2021 Seite 17

 

Ganz konträr dazu zeigt sich die Berichterstattung am 03.11.2021. Der Standard berichtet lediglich in einem knappen Beitrag über die WKStA-Vorwürfe, die sich als haltlos herausstellten, und die damit verbundene Einstellung der Ermittlungen in diesen Punkten gegen Löger.

Die Ankündigung der Ermittlungen veröffentlichte Der Standard also auf der Titelseite und die Zeitung widmete dem Thema auch noch einen ausführlichen Bericht auf der Seite 17. Als die Ermittlungen aber eingestellt wurden, wurde das nur klein auf Seite 7 gebracht und es gab überhaupt keinen Bericht mehr dazu.

 

"Der Standard" vom 03.11.2021 - Seite 7.

„Der Standard“ vom 03.11.2021 – Seite 7.

 

ZIB 2 – Vier Minuten vs. Kurzmeldung

Auch die Gegenüberstellung der „ZIB 2“ Beiträge im ORF zu den nun fallengelassenen WKStA-Vorwürfen gegen Hartwig Löger wirken unausgewogen: Dass die WKStA Ermittlungen gegen Hartwig Löger aufgenommen hat, wurde im Februar in einem ausführlichen Beitrag in der „ZIB 2“ dargestellt.

Vier Minuten lang wurden die Vorwürfe der WKStA erklärt – und damit gleich ausführlich, wie die damals vorgestellten Corona-Öffnungsschritte, die in der gleichen Sendung erwähnt wurden.

 

Screenshot ZiB2 - 02.11.2021

Screenshot ZiB2 – 02.11.2021

 

Für den Bericht über die WKStA-Anschuldigungen gegen Löger wurde im Februar unter anderem der Anwalt Lögers um ein Interview angefragt, seine Absage war der ZIB 2 auch eine Erwähnung wert. Außerdem kommen Vertreter der FPÖ und der Grünen zu Wort, die ihre Kritik äußern und unter anderem in den Ermittlungen gegen Löger einen „Beweis“ für ein „System“ sehen.

 

Und am Dienstag, als die Ermittlungen gegen Löger eingestellt wurden? – Eine Kurzmeldung am Ende der Sendung.

 

Der Faktor 7 bei ORF.at

Zum Start der Ermittlungen berichtete ORF.at in vollem Umfang und positionierte die Geschichte unter den Aufmachern der ORF-Website: Insgesamt 717 Wörter umfasste der Bericht zu den WKStA-Ermittlungen mit zahlreichen Details und Stimmen zu den Ereignissen.

 

Als die WKStA die nun fallengelassenen Anschuldigungen erhob, berichtete orf.at ausführlich. Screenshot: orf.at

Als die WKStA die nun fallengelassenen Anschuldigungen erhob, berichtete orf.at ausführlich. Screenshot: orf.at/02.02.2021

 

Ganz ein anderes Bild zeichnete sich nun am 03. November 2021: Auf ORF.at erschien lediglich eine vorgefertigte Agentur-Meldung über die als haltlos erwiesenen Vorwürfe der WKStA, die in eingestellten Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue im Zusammenhang mit Parteispenden gegen Löger endeten. Lediglich 110 Wörter umfasste die Meldung.

 

Die Einstellung der Ermittlungen ist nur eine kurze Meldung wert. Screenshot: orf.at

Die Einstellung der Ermittlungen ist nur eine kurze Meldung wert. Screenshot: orf.at/02.11.2021

 

ORF.at berichtete also 7-mal (!) umfangreicher über die Ermittlungen als über deren Einstellung!

 

Das ist eine Auswahl an Gegenüberstellungen mit Stand 03.11.2021 nachmittags.