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Antisemitismus: Israel im Brennpunkt
Äußerst eindringliche Warnungen vor dem neuen Antisemitismus prägten den Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus im Parlament. Appelle für Toleranz und Menschlichkeit erfolgten bei einem Festakt im Haus der EU in Wien. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler lädt nächste Woche zur 3. European Conference on Antisemitism. Israel steht im Brennpunkt des neuen Antisemitismus.
Gedenken an Holocaust und Befreiung
Europa- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler, in der Bundesregierung zuständig für die „Nationale Strategie gegen Antisemitismus“, erklärte im Vorfeld der Gedenktage zu Holocaust und Befreiung von der NS-Diktatur: „Holocaust-Gedenken alleine ist zu wenig. Das Nie mehr wieder ist jetzt“.
Der Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 „hat die Büchse der Pandora für Antisemitismus weltweit geöffnet“, sagte Edtstadler in einem Pressegespräch unter Hinweis auf anti-israelische und pro-palästinensische Proteste an Universitäten:
Antisemitismus an US-Universitäten
„Mit Blick auf die US-amerikanischen Universitäten muss ich feststellen: Das Pendel ist von rechts nach links ausgeschlagen. Wir waren in der Vergangenheit oft blind am linken Auge. Wenn wir sehen, dass an Universitäten, den Zentren der Forschung und des Intellekts, antisemitische Slogans skandiert werden und sich jüdische Studierende aktuell nicht mehr trauen hinzugehen, ist das zutiefst erschütternd und alarmierend.“
Wenn jedoch einzelne Gruppen attackiert werden, können weitere folgen, sagte Edtstadler: „Wenn Jüdinnen und Juden unter Druck sind, sind unsere Demokratien unter Druck. Denn die Vergangenheit zeigt: Der Hass beginnt zuerst gegen Juden, aber breitet sich immer auch auf andere Gruppen aus.“
Israel – Zielscheibe des Antisemitismus
Von einer „Israelisierung des Antisemitismus“ sprach Monika Schwarz-Friesel, Antisemitismusforscherin an der TU Berlin, in ihrer Keynote im Parlament beim „Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus“.
„Der jüdische Staat wird attackiert, weil es ihn gibt“, sagte Schwarz-Friesel. Akademische Bildung sei „leider kein Garant gegen Antisemitismus“. Der Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober sei „monströs“ gewesen, manche Reaktionen darauf ebenso: ohrenbetäubendes Schweigen zu den Taten der Hamas.
Moralisten schweigen zu Angriff der Hamas
Es hätte nach dem 7. Oktober einen „internationalen Aufschrei“ geben müssen. Doch „ausgerechnet jene, die sich sonst so rasch äußern, die politische korrekten Moralisten“ hätten geschwiegen und damit die Opfer verhöhnt. Die „pseudo-intellektuellen Moralisten“ hätten die antisemitische Argumentation übernommen, wonach die Juden „selber schuld sind“, wenn sie angegriffen werden. Nun sei der Judenhass untrennbar mit Israel verbunden, „es wurde nichts aus der Geschichte gelernt“, meinte Schwarz-Friesel.
Sobotkas kritische Worte
Ähnlich und äußerst kritisch über – vermeintlich – akademische Strömungen hatte sich Wolfang Sobotka geäußert, der als Präsident des Nationalrats den Gedenktag im Parlament einleitete. Mit Verweis auf Forschungen zu Rassentheorien in den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts meinte Sobotka, hier seien Naturwissenschaften für Rassengesetze missbraucht worden. Und in der Gegenwart würden Sozial- und Kulturwissenschaften genutzt, um Israel eine postkoloniale Haltung vorzuwerfen, die dann zu Protesten gegen Israel genutzt werde: „Der Judenhass entzündet sich am Staat Israel“.
„Nie wieder“ – Geistige Grundcharta der Republik
Österreich habe sich zu einem „Nie wieder“, verpflichtet, diese Verpflichtung gehöre „zur geistigen Grundcharta der Zweiten Republik“. Österreich werde sein „Schutzversprechen einlösen“ und weiterhin in uneingeschränkter Solidarität zu Israel stehen.
Mandl: Lehren aus der Geschichte ziehen
Ebenfalls am Freitag wurden in Wien fünf Persönlichkeiten mit dem „Mensch Award“ ausgezeichnet, wobei ‚Mensch‘ dem Jiddischen folgend eine besondere Würdigung bedeutet.
Die heuer zum dritten Mal verliehene Auszeichnung geht auf Steven Geiger zurück, der als Sohn jüdischer Flüchtlinge in den USA aufwuchs. Als Festredner erklärte MEP Lukas Mandl, der die Ehrung bereits erhalten hatte: „Die Lehren aus der Geschichte zu ziehen, bedeutet, heute mit Entschiedenheit gegen Antisemitismus und Antizionismus sowie aktiv für die Freiheit einzutreten“.
Internationale Konferenz zu Antisemitismus
Die von Europaministerin Karoline Edtstadler 2022 etablierte European Conference on Antisemitism wird am Montag und Dienstag nächste Woche zum dritten Mal in Wien abgehalten. Israels Präsident Herzog sendet eine Videobotschaft, die Beraterin von US Präsident Biden, Deborah Lipstadt, wird eine Keynote halten. Es werden über 200 Expertinnen erwartet: Special Envoy aus den Mitgliedsstaaten der EU, der Europäischen Kommission, der Grundrechteagentur, des World Jewish Congress, des European Jewish Congress, des American Jewish Congress, der IRG sowie der OSZE.
Edtstadler dazu: „Gerade die aktuellen Ereignisse zeigen, dass der Schlüssel im Kampf gegen Antisemitismus auch die internationale Vernetzung ist.“
Die „Nationale Strategie gegen Antisemitismus“ wird unter Führung von Edtstadler schrittweise umgesetzt: Von den 38 Maßnahmen aus sämtlichen Bereichen, von Polizei bis Pädagogik, sind bereits 28 vollständig verwirklicht.