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Renaturierung: Sachwidriges Gesetz, rechtswidrige Zustimmung

Österreichs Wälder – Orte zum Durchatmen. Foto: Forst&Land

Die Europäische Union hat ein Gesetz zur Wiederherstellung der Natur auf der Tagesordnung. Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler verweisen auf die sachlichen und rechtlichen Gründe gegen eine Zustimmung zur Renaturierungsverordnung. Weitere Ablehnung des Vorschlags kommt von den Landeshauptmännern Markus Wallner und Wilfried Haslauer.

Aus Sicht der österreichischen Land- und Forstwirtschaft sprechen sachliche Gründe gegen den Gesetzesvorschlag. Und es gibt rechtliche Gründe, warum Österreichs Umweltministerin in der EU nicht zustimmen darf. Doch die will genau das. Ministerin Karoline Edtstadler und Minister Norbert Totschnig warnen vor den Folgen.

Für klimafitte Wälder und nachhaltige Forstwirtschaft: Minister Norbert Totschnig. Foto: BMLRT / Christian Lendl

Für klimafitte Wälder: Minister Norbert Totschnig. Foto: BML / Christian Lendl

Renaturierung

Die Sache heißt Renaturierung und löst bei betroffenen Branchen und Bundesländern teils scharfe Kritik und harte Ablehnung aus. Es geht in dem Entwurf für eine Verordnung – vereinfacht – darum, einen Anteil der heute genutzten Flächen wieder in den vorherigen, natürlichen Zustand zu versetzen. Das bedeutet Rückbau, Entschädigung und Bürokratie – und löst dementsprechend Bedenken und Ablehnung aus. Dies auch deshalb, weil Österreich seit 1853 eine an Nachhaltigkeit orientierte Forstwirtschaft betreibt, die zudem seit 2023 für klimafitte Wälder zu sorgen hat.

 

Beratungen der Umweltminister

Die Sache ist aktuell, denn das Europäische Parlament hat den Entwurf für das Gesetz über Wiederherstellung der Natur verabschiedet. Die Umweltminister werden am Montag in Luxemburg eine öffentliche Diskussion zu diesem Gesetz führen, mit dem Ziel, das Gesetz über Renaturierung formell anzunehmen.

Ob es dazu kommt, ist offen.

Umweltminister tagen in Luxemburg (Bild: Ratstagung in Brüssel). Foto: EU

Umweltminister tagen in Luxemburg (Bild: Ratstagung in Brüssel). Foto: EU

Qualifizierte Mehrheit unsicher

Der belgische Vorsitz in der EU wird erst entscheiden, ob abgestimmt wird. Für ein Ja ist eine qualifizierte Mehrheit erforderlich. Das bedeutet, 55 Prozent der Mitgliedstaaten (als 15 von 27) die 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, müssten zustimmen. Eine qualifizierte Mehrheit ist nicht sicher, also könnte eine Abstimmung vermieden werden.

Im Europäischen Parlament wurde der Vorschlag im Februar mit 329 zu 275 Stimmen bei 24 Enthaltungen angenommen (der Rest 77 von 705 Abgeordneten nahm nicht teil).

 

Sachliche Argumente gegen das Gesetz

Aus der Sicht der Bundesländer und aus der Sicht von einigen Bundesministerien sprechen sachliche und rechtliche Argumente gegen die Verordnung zur Renaturierung.

Für die Länder sind Maßnahmen und Zeiträume nicht geklärt, etwa die Frage von Hochwasserschutz offen, ebenso die Finanzierung von Entschädigungen oder der Vernässung ehemaliger Moore.

30.000 Stimmen gegen Bürokratie im Wald: Land&Forst-Betriebe. Foto: LFBÖ

30.000 Stimmen gegen Bürokratie im Wald: Land&Forst-Betriebe. Foto: LFBÖ

Viel Bürokratie, hohe Kosten

Die Interessenvertretung der Land- und Forstbetriebe schätzt, dass die Maßnahmen bis 2030 rund sechs bis acht Milliarden Euro kosten. Zudem sei ein hoher bürokratischer Aufwand abzusehen.

Land&Forst-Päsident Konrad Mylius fordert, dem Klimawandel mit Anreizen für Anpassung und Vermeidung zu begegnen anstatt mit Verboten: „Es ist erschreckend, wie hier ideologische Ziele vorangetrieben werden, anstatt jene Menschen zu unterstützen, die im Einklang mit der Natur arbeiten.“

 

Lebensmittelpreise würden steigen

Schwerstwiegende Bedenken äußert auch der Bauernbund, nachdem Umweltministerin Leonore Gewessler kurz vor dem Ratstreffen ihre Zustimmung angekündigt hatte.

So meinte Präsident Georg Strasser, die Ministerin wäre damit für eine massive Verminderung der Produktion von Lebensmitteln und eine deutliche Steigerung der Preise für Lebensmittel verantwortlich. Schließlich gehe es bei dieser Verordnung darum, agrarische Flächen still zu legen oder aus der Nutzung zu nehmen. Die Waldfläche Österreichs würde ohnedies zunehmen, die Forstwirtschaft sei nachhaltig unterwegs.

 

Regulierung und Doppelgleisigkeiten

Ablehnung kommt auch von Land- und Forstwirtschaftsminister Norbert Totschnig: Gewessler will, so Totschnig, „mit der Brechstange für ein Gesetz stimmen, das übermäßige Regulierung und Doppelgleisigkeiten mit sich bringen werde. Die Bundesländer haben sich in ihrer Stellungnahme dagegen ausgesprochen, sagte Totschnig weiter. Die Entscheidung, das Renaturierungsgesetz ohne Abstimmung mit den Bundesländern und ohne Abklärung innerhalb der Bundesregierung zu treffen, ist verantwortungslos und demokratiepolitisch gefährlich. Sollte das Gesetz hingegen kommen, würde Bauern ihre Höfe aufgeben und Lebensmittel teurer werden.

Rechts- und Verfassungsbruch durch Leonore Gewessler: Karoline Edtstadler. Foto: Thomas Topf

Rechts- und Verfassungsbruch durch Leonore Gewessler: Karoline Edtstadler. Foto: T. Topf

Rechtliche Argumente gegen Zustimmung

Neben den sachlichen Argumenten gegen die Renaturierungs-Verordnung brachte Europa- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler rechtliche Bedenken vor.

Klimaschutzministerin Gewessler sei verfassungsrechtlich an die – ablehnende – Stellungnahme der Bundesländer gebunden, sagte Edtstadler. Und sie habe das Einvernehmen mit dem Landwirtschaftsminister herzustellen. Dieser hat sich gegen das Gesetzesvorhaben ausgesprochen.

Edtstadler dazu: Sollte Gewessler im Rat für das Gesetz stimmen, begehe sie einen Verfassungs- und Gesetzesbruch. Das ist „in höchstem Maß unverantwortlich und befremdlich“, erklärte Edtstadler.

Ähnlich äußern sich die Landeshauptmänner Wilfried Haslauer, Salzburg, und Markus Wallner, Vorarlberg.

Da die Bundesländer gemeinsam einheitlich gegen den EU-Entwurf gestimmt haben, wäre eine Zustimmung der Umweltministerin Leonore Gewessler „ein schwerer Vertrauensbruch gegenüber den Bundesländern“, meinte Wallner.

Und Hauslauer meinte: Sollte Gewessler zustimmen, dann sei dies ein Affront gegen die Bundesländer und gegen die ländliche Bevölkerung.

 

23 Gesetze für die Biodiverstät

Kritisch zum Gesetz und zur Abstimmung äußere sich die Gechäftsführerin von oecolution austria, Elisabeth Zehetner.

„Ein Alleingang der Ministerin zu einem derart realitätsfernen Gesetz ist äußerst problematisch. Das übergeordnete Ziel, die Natur zu schützen und zu erhalten, steht außer Frage, doch wie so oft bei EU-Vorhaben zeigt sich: Gut gemeint, ist nicht gleich gut gemacht“, so Elisabeth Zehetner.

Kritik übt oecolution zum einen an der überbordenden Bürokratie, denn die EU hat bereits 23 Gesetze, die Aspekte der Biodiversität regeln, und ein umfangreiches Förderprogramm. Zehetner: „Auch in Österreich haben wir mit der Biodiversitätsstrategie und dem Biodiversitätsfonds bereits wichtige Instrumente zur Förderung der Biodiversität. Wenn wir eines nicht brauchen, dann zusätzliche bürokratische Hürden.“

Ein weiterer Kritikpunkt seien zudem die nicht abzuschätzenden wirtschaftlichen Herausforderungen, die eine Zustimmung zu dem Gesetz mit sich bringen würde. „Würden zehn Prozent der Waldfläche nicht mehr bewirtschaftet, könnte dies den Verlust von 27.000 Arbeitsplätzen und 2,36 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung bedeuten.“

Gegen die Vorlage zur Renaturierung haben sich auch die Land- und Forstbetriebe ausgesprochen.