Bundesländer

Länder & Experten drängen auf Asyl-Reform

Landeshauptmann Christoph Drexler und weitere Länderchefs sprechen sich dafür aus, Asylregeln und Rechtsprechung zu überarbeiten. Screenshot: Kleine Zeitung, 15.11.2022

Österreichs Landeshauptleute drängen – wie Experten in Brüssel – auf eine Reform des Asylwesens. Die Menschenrechts- und die Genfer Flüchtlingskonvention seien für die Opfer von Verfolgung angelegt, würden heute aber für illegale Arbeitsmigration missbraucht werden. Und der Zustrom an illegal einreisenden Personen überfordere in Österreich die Behörden und das Asylwesen. Darauf hatte schon Klubobmann August Wöginger hingewiesen, der dann die gegenwärtige Debatte auslöste.

 

Überarbeitung der rechtlichen Grundlagen

Breite Zustimmung erntet Wöginger aus den Bundesländern, die an den Staatsgrenzen liegen und mit einer erheblichen Anzahl an illegal eingereisten und Asylanträge stellenden Personen konfrontiert sind. Dabei wird auf die Menschenrechtskonvention Bezug genommen. Wöginger regte an, diese zu überarbeiten.

Im Interview mit der Tageszeitung Der Standard sagte Wöginger: „Wir haben mittlerweile eine andere Situation, als es vor ein paar Jahrzehnten der Fall war, als diese Gesetze geschrieben wurden (gemeint: Menschenrechtskonvention, Genfer Flüchtlingskonvention). Auch das, was in der Halloween-Nacht in Linz stattgefunden hat, ist inakzeptabel. Wenn wir Menschen Asyl gewähren, erwarten wir uns, dass unsere Gesetze eingehalten werden, ansonsten haben sie hier nichts verloren.“

 

„Wir haben eine pervertierte Asylpraxis“

„Es kann kein Asyl nach Wunsch geben“ – unter diesem Titel publizierte die Kleine Zeitung ein Interview mit dem steirischen Landeshauptmann Christopher Drexler. Der Landeschef kritisierte das Schlepperunwesen und fordert, Asylverfahren auch außerhalb Europas vorzunehmen. Zudem verlangte er eine „Neukodifizierung“ der Menschenrechte.

Angesprochen auf den Vorstoß von Klubobmann Wöginger zur Menschenrechtskonvention, sagte Drexler wörtlich: „Ja, er hat recht. Wenn es darum geht, auch die Europäische Menschenrechtskonvention diskutieren zu dürfen.“ Es gehe ihm, Drexler, weniger um den Text aus dem Jahr 1950 als um die „fortlaufende Weiterinterpretation durch den Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Daher brauche es „möglicherweise eine Neukodifizierung“.

Das Asylrecht sei, so Drexler weiter, eine der vornehmsten Errungenschaften, aber es sei gedacht als Hilfe für den Notfall.  Etwa für die Vertriebenen aus der Ukraine. Aber sie sei nicht gedacht für das, was wir heute erleben, nämlich „eine Smartphone-basierte, schleppergestützte, illegale Migrationsbewegung aus allen Teilen der Welt, die A-la-carte-Asylpositionen in Mitteleuropa verteilt“. Drexler: „Wir haben eine pervertierte Asylpraxis.“

Daraus ergibt sich für Drexler weiters, die Außengrenzen der EU zu stützen und die Asylverfahrfen in Drittstaaten vorzunehmen.

 

Landeshauptleute für Reform des Asylwesens. Foto: Screenshot zur-Sache/krone.at

Landeshauptleute für Reform des Asylwesens. Foto: Screenshot zur-Sache/krone.at

 

Breite Debatte auf allen Kanälen

Der Vorstoß von Wöginger und dann jener von Drexler lösten weitere Zustimmung aus, wie von Medien und auf Social Media Kanälen berichtet und zitiert wurde.

So betonte Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer, Asylgrundsätze seien für jene Personen geschaffen, die Asyl bräuchten. Anderseits benötige man jetzt eine Lösung für Wirtschaftsflüchtlinge, die sich – ohn Aussicht auf Asyl – auf diese Grundsätze berufen würden.

Genau darauf hat zudem Innenminister Gerhard Karner wiederholt hingewiesen.

Wie Drexler argumentierte auch Niederösterreichs Landeshauptfrau, Johanna Mikl-Leitner. Die Rechtssprechung habe häufig mit den Grundgedanken nur mehr wenig zu tun, wenn etwa Rückschiebungen in sichere Länder Europas nicht mehr möglich seien.

Das Gleiche merkte Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner an: Die Grundsätze der Konvention gelten, doch die Rechtsprechung bereite Schwierigkeiten. Dabei verwies Wallner auf den Umstand, dass nach den Vorfällen von Linz eine unbefriedigende Situation entstanden sei.

Auch Tirols Landeshauptmann Anton Mattle forderte Lösungen dafür, wie mit massenhaften Asylanträgen, Wirtschaftsflüchtlingen sowie mit kriminellen Schleppern umgegangen werden soll.

Für eine Überprüfung der rechtlichen Grundlagen sprach sich Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer aus.

Wiens ÖVP-Landeschef Karl Mahrer forderte, sowohl die Rechte als auch die Urteile zu Migration und Asyl den aktuellen und den künftigen Herausforderungen anzupassen.

 

MEP Christian Sagartz: Update längst überfällig

Mit einer klaren Position und Argumentation schaltet sich auch Burgendlands ÖVP-Chef, MEP Christian Sagartz in die Debatte ein. Der Abgeordnete zum Europäischen Parlament meinte gegenüber Zur-Sache:

„Niemand möchte die Menschenrechte willkürlich ändern. Aber für mich ist ganz klar: die über 70 Jahre alte Menschenrechtskonvention benötigt ein Update beim Thema Migration und diese Diskussion sollten wir so schnell als möglich starten. Ähnlich wie in allen anderen Rechtsbereichen müssen wir auch die Menschenrechtskonvention ins neue Jahrtausend holen. Denn seit dem Jahr 1984 gab es keine wesentlichen Anpassungen mehr in diesem Bereich. Noch dazu wurden die alten Passagen sehr freizügig ausgelegt, was zu langen Abschiebeprozessen und zu übermäßigen Zuzug geführt hat. Es braucht daher jetzt ein Update der Menschenrechtskonvention.“

 

Genfer Konvention überarbeiten

Christian Sagartz ist auch stellvertretender Vorsitzender im Menschenrechtsausschusses des Europäischen Parlaments. Und Sagartz fortdert, auch die Genfer Flüchtlingskonvention zu überarbeiten: „Was es braucht sind Regeln, die für die aktuelle Lage Sinn machen. Österreich hat bereits jetzt mehr Asylwerber als während der Flüchtlingskrise 2015. Der ursprüngliche Text der Genfer Flüchtlingskonvention war ausgelegt, unseren unmittelbaren Nachbarn in Not zu helfen. Doch jetzt kommen Menschen von überall nach Europa und wollen Zugang zu unserem hart erarbeiteten Sozialsystem. Das konnte damals niemand vorhersehen. Hier müssen wir nun handeln“, so Sagartz.

 

Europäische Kommission für strukturelle Reformen

Von einem erheblichen Reformbedarf im Asyl- und Migrationswesen spricht auch die Europäische Kommission in ihrem aktuellen „Report on Migration and Asylum„, der im Oktober dem Rat und dem Parlament übermittelt wurde. In dem 26-seitigen Papier heißt es einleitend: Die Jahre nach dem vorangegangenen Report von 2020 hätten bestätigt, dass strukturelle Reformen im Asyl- und Migrationsystem der EU notwendig sind, um sowohl die aktuelle Krise als auch längerfristige Entwicklungen zu berücksichtigen.