Europa- & Aussenpolitik

EU-Aktionsplan gegen Balkanroute

Innenminister Gerhard Karner vor dem Sondertreffen der EU-Innenminister am Freitag in Brüssel: EU-Aktionsplan gegen Balkanroute. Foto: Rat

Die EU-Innenminister vereinbarten in Brüssel einen Aktionsplan der EU für die Kontrolle der Außengrenzen und zur Eindämmung der Schlepperkriminalität auf der Balkanroute. Aktuelle Zahlen von Eurostat zu Asylwerbern in der EU zeigen, dass Österreich am stärksten von illegaler Migration betroffen ist. Das bestätigt den Reformdruck. Österreichs Innenminister Gerhard Karner setzte ein Fünf-Punkte-Programm auf die Agenda der EU-Innenminister.

 

Österreich setzte Balkanroute auf die Tagesordnung

Das Treffen über die derzeitige Lage entlang der Migrationsrouten befasste sich mit den riskanten Seefahrten über das Mittelmeer und auf ausdrückliche Forderung von Österreich mit den illegalen Schlepperrouten über den Westbalkan.

Der für Migration zuständige Vizepräsident der Europäischen Kommission, Margaritis Schinas, bekräftigte, dass die Kommission dafür nach Lösungen suche und bis zum 6. Dezember beim Westbalkan-Gipfel einen Aktionsplan vorlegen werde. Dessen Dringlichkeit bestätigte Innenkommissarin Ylva Johansson, denn Österreich stehe unter starken Druck. Dies belegen auch die aktuellen Zahlen von Eurostat (siehe unten).

Rat der EU-Innenminister: Aktionsplan soll bis 6. Dezember vorliegen. Foto: Rat

Rat der EU-Innenminister: Aktionsplan soll bis 6. Dezember vorliegen. Foto: Rat

Fünf Vorschläge für Grenzschutz

Bei der Ratstagung in Brüssel legte Österreich fünf Vorschläge vor:

  1. die Kommission soll für Polizeieinsätze im Ausland aufkommen, die dem Grenzschutz, der Bekämpfung organisierter Schlepperbanden und der Bekämpfung der illegalen Migration dienen
    1. So sind zum Beispiel bereits Polizistinnen und Polizisten aus Tschechien, der Slowakei und Österreich in Ungarn im Einsatz
    2. Österreich hat auch Beamte in Serbien und in Nordmazedonien stationiert
  2. Die Kommission soll – analog zur Vertriebenrichtlinie eine „Zurückweisungsrichtlinie“ ausarbeiten lassen
    1. Die Vertriebenrichtlinie wird derzeit für kriegsvertriebene Ukrainer angewandt, die ohne individuelle Prüfung den Vertriebenenstatus bekommen
    2. Für Migranten aus sicheren Herkunftsländern soll eine Zurückweisungsrichtlinie gelten, die es ermöglicht, offensichtlich nicht schutzberechtigte Personen schnell wieder zurückweisen zu können.
  3. Asylverfahren in sicheren Drittstaaten sollen ermöglicht werden – ein Modell, das etwa Dänemark und Großbritannien verfolgen (Stichwort: Ruanda)
  4. Der Schutzstatus von straffälligen Personen soll leichter aberkannt werden
  5. Die Kommission soll ein Pilotprojekt für rasche Asylverfahren an der EU-Außengrenze einrichten und finanzieren

Diese Themen hat Karner in einem Brief an die tschechische Ratspräsidentschaft nochmals dargelegt. Einige dieser Forderungen sind inhaltlich durch Reformvorschläge der Europäischen Kommission erfasst.

Innenminister Gerhard Karner beim Sondertreffen mit Ylva Johansson, in der Kommission zuständig für Inneres. Foto: BMI

Innenminister Gerhard Karner beim Sondertreffen mit Ylva Johansson, in der Kommission zuständig für Inneres. Foto: BMI

Dramatische Lage auf Westbalkanroute

Gerhard Karner vertrat diese Forderungen mit Nachdruck: „Gerade auf der Westbalkanroute ist die Situation dramatisch, wie wir in Österreich jeden Tag sehen können. Wir haben allein heuer 100.000 Aufgriffe, 75.000 Migranten sind in keinem anderen EU-Land registriert. Ich erwarte von der Kommission, dass sie hier konkrete Vorschläge macht, wie wir den Außengrenzschutz rechtlich und technisch robuster machen können. Ich begrüße, dass die Kommission einen Aktionsplan für die Westbalkanroute angekündigt hat und erwarte, dass unsere Vorschläge hier Eingang finden.“

Bereits im Vorfeld des Rates hat Innenminister Karner zahlreiche Amtskollegen getroffen, zuletzt vor dem Sondertreffen in Brüssel diese Woche in Prag den tschechischen, ungarischen und slowakischen Innenminister.

Das Treffen der EU-Innenminister war von einem Konflikt zwischen Frankreich und Italien überschattet. Frankreichs Vertreter Gerald Darmanin erklärte, sein Land werde erst weitere Tausende Flüchtlinge und Migranten von Italien aufnehmen, wenn Italien seine Häfen für Rettungsschiffe öffnet. Sein griechischer Ressortkollege, Notis Mitarachi, verlangte, ein System zur Umverteilung von geflüchteten Personen einzuführen.

Der Entwurf der Europäischen Kommission für ein neues Migrations- und Asylpaket liegt seit September 2020 vor.

Der Entwurf der Europäischen Kommission für ein neues Migrations- und Asylpaket liegt seit September 2020 vor.

Eurostat bestätigt: Österreich am stärksten betroffen

Die aktuellen Zahlen der statistischen Behörde der EU, Eurostat, zeigen ein deutliches Bild: Im August stellten nahezu 78.000 Personen in einem EU-Staat einen Erstantrag auf internationalen Schutz. Gegenüber dem Vorjahr (50.500 Antragsteller) ist dies eine Steigerung um 54 Prozent der Anträge, gegenüber dem Vormonat eine Steigerung um 17 Prozent.

Gemessen an der Bevölkerung verzeichnet Österreich mit 1.563 Anträgen pro einer Million Einwohner die höchste Rate an Erstanträgen auf Asyl, meldet Eurostat. Es folgen Zypern mit 1.482 und Kroatien mit 351 Erstanträgen je einer Million Einwohner. Die niedrigste Rate weist Ungarn mit 1 Asylantrag pro 1 Million Einwohner auf, die durchschnittliche Rate liegt in der EU bei 174 Anträgen.

In absoluten Zahlen entfielen die meisten Anträge mit 17.000 auf Deutschland, gefolgt von Österreich mit 14.000, Frankreich mit 12.000 sowie Spanien mit 8.5000 und Italien mit 6.000 Anträgen. Auf diese fünf von 26 EU-Staaten entfallen drei Viertel der Asylanträge, heißt es im aktuellen Monatsbericht von Eurostat.

Österreich verzeichnet zudem die höchste Anzahl an unbegleiteten Minderjährigen: 1.885 unaccompanied minors stellten im August einen Asylantrag, um 48 Prozent mehr als im  Juli. Die meisten von ihnen aus Afghanistan, Syrien, Somalia, Eritrea und Pakistan.