Europa- & Aussenpolitik

Nehammer: „Europäisches Asylsystem funktioniert nicht – EU muss endlich handeln!“

Illegale Migration durch Schlepper kann tödlich enden. Innenminister Gerhard Karner plant mit EU-Ressortkollegen weitere Aktionen gegen Schlepperkriminalität. Foto: istock/ ozgurdonmaz

Österreich ist aktuell mit einem steigenden Migrationsdruck belastet. Bereits Innenminister Karner zeigte gestern auf, wie ernst die Lage ist. (Zur-Sache berichtete) Rund 31.000 Asylanträge wurden bis Ende Juni verzeichnet – das ergibt einen Zuwachs von 185 Prozent zum Vorjahr. Österreich trägt damit im EU-Vergleich die zweitgrößte Last nach Zypern, noch vor Malta, Italien, Griechenland oder Deutschland. Problematisch sei auch, dass laut Experten rund 80 Prozent der Asylwerber über Schlepper nach Europa kommen. 

 

Nehammer: „EU muss endlich handeln!“

Im Vorfeld seiner Reise in den Libanon übte Bundeskanzler Karl Nehammer Kritik am Nichtfunktionieren des europäischen Asylsystems. Der Libanon hat im Vergleich zu seiner Einwohnerzahl am meisten Flüchtlinge weltweit aufgenommen – geschätzt handelt es sich um zwei Millionen Flüchtlinge. Viele davon ziehen nach Europa und in Folge auch nach Österreich weiter. Zusätzlich befeuert könnte das durch Hungersnöte in Afrika werden. In einer Presseaussendung des Bundeskanzleramts sehe man das World Food Programm und das gemeinsame Vorgehen der EU als einzige Möglichkeit, große Fluchtursache zu bekämpfen.

Die Lage in Österreich sei ernst und nicht mehr zu bewältigen, heißt es aus dem Bundeskanzleramts. Man setze zwar alle Maßnahmen, die man als Nationalstaat ergreifen könne, doch es scheitere am EU-Außengrenzschutz, der strategischen Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern und der Unterstützung der Europäischen Kommission, so Nehammer. Dazu brauche es endlich ein effektives und handlungsfähiges Mandat für die EU-Grenzschutzagentur FRONTEX.

 

Neues Asylsystem in ganz Europa

In der aktuellen Lage sieht Nehammer das Asylsystem missbraucht, das zu einer Schwächung des Systems für jene führt, die tatsächlich verfolgt oder vertrieben werden: „Während der Scheinwerfer der Aufmerksamkeit der europäischen Politik und Öffentlichkeit auf dem Krieg in der Ukraine liegt, nutzen Kriminelle und Schlepper die Situation brutal aus. Sie bauen ihr Geschäftsmodell im Schatten des Krieges aus und locken Menschen mit falschen Versprechungen nach Europa. Es werden Asyl- und Wirtschaftsmigration miteinander vermischt und unsere Systeme damit missbraucht“, so der Bundeskanzler. Eine weitere Folge davon ist die Schwächung des Systems für tatsächlich Verfolgte oder Vertriebene, wie etwa die Menschen aus der Ukraine. Bis zum 11. Juli wurden bislang 80.000 Ukrainerinnen und Ukrainer aufgenommen.

Ein weiteres Problem sei, dass sich nicht nur Wirtschaftsflüchtlinge, sondern auch Kriminelle unter die irregulären Migranten mischen. Deshalb brauche es einen besseren Außengrenzschutz und ein viel stärkeres Mandat für die FRONTEX-Beamten, so Nehammer. Der Bundeskanzler bezieht klare Position zur aktuellen Lage: „Wir haben ein Recht, zu wissen, wer zu uns kommt. Dafür braucht es ordentliche Kontrollen, Registrierungen und Verfahren bereits an der Außengrenze. Das ist eine Herausforderung für die Sicherheit der gesamten Europäischen Union. Die Politik des Weiterwinkens ist keine Lösung.“ Nehammer fordert ein neues Asylsystem in ganz Europa. Er werde die Situation in den nächsten Tagen auch bei seinen Terminen mit den Amtskollegen in Zypern offen und klar ansprechen. Zypern habe mit einer massiven Pro-Kopf-Belastung ebenso viel zu stemmen wie Österreich.

 

EU-Vergleich pro Kopf Belastung Asylanträge. Foto: Presseaussendung BKA