Europa- & Aussenpolitik
Neutral bleiben, aber Sicherheitsdoktrin anpassen
Der Krieg in der Ukraine und die Reaktionen der skandinavischen Staaten lösen auch in Österreich eine Debatte zu militärischer Sicherheit aus. Christian Stocker, ÖVP-Bereichssprecher für Sicherheit, bekräftigte die Haltung der ÖVP zur Neutralität: Die Neutralität wurde immer diskutiert – aber Österreich ist militärisch neutral und so soll es bleiben. Die Sicherheitsdoktrin werde den neuen Gegebenheiten angepasst.
Militärstratege wirft Frage nach Neutralität auf
In der ZiB2-Debatte hatte der Militärstratege Walter Feichtinger gemeint, die Neutralität Österreichs beruhe auf älteren Grundlagen. Die gegenwärtigen Umstände würden dabei zu wenig berücksichtigt werden. Daher müsse man, so Feichtinger, fragen, ob die Neutralität in der Form noch aktuell sei.
Dem hielt Stocker entgegen, dass Österreich jedenfalls militärisch neutral bleiben solle. Die Neutralität sei in den Jahren vor 1955 entwickelt worden, um die Unabhängigkeit und die Unteilbarkeit Österreichs zu sichern. Die Neutralität habe sich, so Stocker, weiterentwickelt. Auch der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union wurde im Rahmen der Neutralität definiert, damit Österreich an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik mitwirken könne. Dies sei auch in der Bundes-Verfassung – Artikel 23j – verankert.
Und zur Frage, wie denn Österreichs Sicherheit zwischen Neutralität und dem bisherigen NATO-Schutzschirm – ohne Mitgliedschaft Österreichs – gewährleistet werden könne, erklärt Stocker: „Wir haben nicht nur die NATO und die Neutralität, es gibt auch die EU. Es wurde die irische Klausel angesprochen, aber im EU Vertrag gibt es eine Beistandsverpflichtung, wenn ein EU Staat angegriffen wird. Wir haben auch eine EU Sicherheitsstruktur.“
Beistandsverpflichtung der EU-Mitglieder
Mit dieser Beistandsverpflichtung sprach Stocker eine Bestimmung im Vertrag über die Europäische Union (EUV) an. Im Artikel 42, Absatz 7 heißt es:
„Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung, im Einklang mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen. Dies lässt den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten unberührt.“
Höhere Aufwendungen für das Bundesheer
Zudem würde der Strategische Kompass des Verteidigungsressorts eine EU-Perspektive enthalten. Österreich verstärke gerade seine Aufwendungen für militärische Sicherheit. Stocker: „Wir müssen uns bei der Verteidigung verbessern, aber das passiert. Wir haben jetzt das Ziel von 1 % des BIPs und in einigen Jahren 1,5% des BIPs.“ Gemeint ist der Anteil des Verteidigungsbudgets am Bruttoinlandsprodukt.
In welche Bereiche des Bundesheeres und der Landesverteidigung investiert werden sollte, zeige unter anderem der Bericht des früheren Verteidigungsminister Thomas Starlinger, Unser Heer 2030, erklärte Stocker: „Wenn man sich den Zustandsbericht von Starlinger ansieht, dann enthält dieser vieles, worin das Bundesheer investieren sollte.“
Der Angriffskrieg Russland gegen die Ukraine „ist ein Zeichen“, einiges „zu überdenken“, hat aber nicht zur Folge, dass „man alles über Bord werfen muss“, so Stocker.
Zeitgemäße Sicherheitsdoktrin für Österreich
Die aktuelle Herausforderung für Österreich liege nicht in einem Entweder Oder, sondern „es geht darum, mit den geltenden Gesetzen eine Sicherheitsdoktrin zu entwickeln“. Diese „muss für Österreich passen und die Sicherheit gewährleisten“. Die NATO allein sei nicht die Alternative. Aber wenn Österreich neutral bleiben wolle, bedeute das noch nicht, dass die Sicherheitsdoktrin nicht angepasst werden könne.
Der von der ÖVP eingeschlagene Weg ist, die Verteidigungsausgaben auf 1,5 % des BiP zu erhöhen. „Das ergibt für das Bundesheer die Möglichkeit, die Landesverteidigung und die Durchhaltefähigkeit zu stärken“, sagte Stocker. Und weiter: „Wir wollen eingebunden sein in die EU-Sicherheitsarchitektur, und zwar auf Basis unserer Rechtslage und Neutralität.“ Österreich werde seine weiter entwickelten militärischen Fähigkeiten im Rahmen der EU einbringen. Erforderlich sei es, die Investitionen tatsächlich effizient zu gestalten, erklärte Stocker.