Europa- & Aussenpolitik

Russlands Nachbarn suchen Sicherheit – vor Russland

Katarina Mathernova (oben), Leiterin der Ukraine-Hilfe in der Europäischen Kommission: Die Menschen in der Ukraine sind traumatisiert. Foto: Pressefoto Neumayr

Der Angriff Russlands auf die Ukraine und das enorme Bedürfnis osteuropäischer Staaten nach militärischer Sicherheit waren das beherrschende Thema zum Auftakt des 18. Salzburg Europe Summit. Staaten wie die Ukraine, Georgien und Moldawien sehen ihre Sicherheit und Zukunft in der EU und in der NATO. Historiker sprechen von einem neokolonialen Krieg Russlands, der mit hybriden Mitteln gegen Europa und gegen die Freiheit geführt werde.

 

Russland ist eine Bedrohung

„Osteuropa nimmt den Krieg akuter und konkreter wahr als Länder Westeuropas“, sagte Simona Cojocaru, Staatssekretärin für Sicherheit in Rumänien beim Europa-Gipfel in Salzburg. „Die Menschen sind einer traumatisierenden Lage ausgesetzt“, so Cojocaru: Der Krieg ist illegal ausgebrochen, es ist ein mehrfacher Krieg, es gibt in diesen Ländern eine Lebensmittel- und eine Energiekrise, Europa befinde sich in der größten Sicherheitskrise seit dem Kalten Krieg. Und Cojocaru wörtlich: „Russland ist eine Bedrohung für Europas Sicherheit. Wir haben Präsident Putin nicht verstanden. Die mutigen Menschen in der Ukraine brauchen uns. Wir sind entschlossen, weiterhin zu helfen.“

 

Täglich Kriegsverbrechen

Von „traumatisierten Kolleginnen und Kollegen“ sprach auch Katarina Mathernova, Direktorin der Ukraine-Hilfe in der Europäischen Kommission in Brüssel: „Dieser Krieg ist eine Invasion, inklusive täglicher Kriegsverbrechen.“ Präsident Putin lasse die Infrastruktur zerstören, auch Schulen, auch Spielplätze: „Ich bin aus einem Nachbarstaat (Slowakei) und sage daher: Wir hätten auf die Menschen aus dem Osten hören sollen.“

In geradezu dramatischen Worten schilderte Vasyl Khymynets, Botschafter der Ukraine in Österreich, die Situation in seinem Land: „Wir sind in der Lage, unser Land zu halten“, aber „die schrecklichen Angriffe gegen die zivile Bevölkerung mit Raketen und mit Drohnen sind für uns sehr schmerzhaft“. Russlands Präsident Putin wolle Europa spalten und schwächen, auch durch eine Energiekrise und ein neue Welle an flüchtenden, Schutz suchenden Menschen.

Um Sicherheit zu erhalten will Georgien der Europäischen Union und der NATO beitreten, erklärte Maka Botchorishvili. Die Vorsitzende des Integrations-Komitees des georgischen Parlaments verwies auf die jahrelangen Bemühungen um Integration in Europa und Aufnahme in die Allianz. Georgien hat inzwischen 250.000 Flüchtlinge aus Russland aufgenommen, darunter überwiegend Oppositionelle und Personen, die der Einberufung in die russische Armee entgehen wollen.

Von einem Krieg Putins gegen Europa und gegen Freiheit sprach auch Lukas Mandl, Mitglied des Europäischen Parlaments. Die russische Führung wolle Europa mittels hybrider Kriegsführung destabilisieren, Österreich müsse sich auf weitere Migrationswellen vorbereiten und werde sich weiter an den Friedensfazilitäten beteiligen, erklärte der Europa-Abgeordnete der ÖVP.

Rudolf Striedinger, Chef des Generalstabs: Ein Wettlauf mit der Zeit. Foto: Pressefoto Neumayr

Rudolf Striedinger, Chef des Generalstabs: Ein Wettlauf mit der Zeit. Foto: Pressefoto Neumayr

Die jüngsten Anschläge auf die kritische Infrastruktur seien möglicherweise ein Teil einer hybriden Kriegsführung gegen Europa, sagte der Chef des Generalstabs, Rudolf Striedinger. Der Krieg sei derzeit auch ein Wettlauf mit der Zeit, hinsichtlich des Verlaufs von vielen Ungewissheiten geprägt.

Ein neokolonialer Krieg

Eine erhellende Analyse zum Verständnis Russlands und Putins präsentierte die Historikerin Franziska Davies, Osteuropa-Expertin an der Universität München. Die falsche Einschätzung Putins, der Angriff auf die Ukraine sei rasch und einfach zum Sieg zuführen, beruhe auf einem klassischen Problem: „Diktaturen haben ein Kommunikationsproblem nach oben“, sagte Davies, denn: „Jeder beschönigt die Lage“. Putins Krieg sei ein Krieg gegen Europa, gegen die Sicherheit, gegen die Demokratie, ein „neokolonialer Krieg“. Putin erachte die Bevölkerung der Ukraine für minderwertig, dieses müsse bekämpft werden, was einer langen Tradition der Politik Moskaus gegenüber der Ukraine entspreche.