Europa- & Aussenpolitik

Österreich drängt EU zu Tempo und Entscheidung

Bundeskanzler Karl Nehammer: Schutz der Außengrenzen, Sicherheit in der Energieversorgung. Foto: Pressefoto Neumayr

Der Bundeskanzler und einzelne Fachminister der Bundesregierung drängen die Europäische Kommission und den Rat in den Krisenthemen zu mehr Tempo und zu Entscheidungen. Dies gilt vorrangig für die umfassende Sicherheit, also den Schutz der Außengrenzen, die Versorgung mit Energie und für die strategisch bedeutsamen Industrien.

 

Neue Geschlossenheit in Europa

Die Europäische Union zeigt eine neue Geschlossenheit, erklärten Bundeskanzler Karl Nehammer und Europaministerin Karoline Edtstadler vor dem 18. Salzburg Europe Summit am Montag.

Das zeige sich, so Nehammer, an den Sanktionen gegen Russland wegen dessen Angriff auf die Ukraine: „Der gesamten Union sei klar, dass auf europäischen Boden nie wieder Politik mit kriegerischen Mitteln gemacht werden darf.“ Und Edtstadler meinte, in der Bekämpfung der Pandemie und in der Entwicklung von Impfstoffen hätten sich in der EU teils neue, jedenfalls rasch wirksame Methoden der Zusammenarbeit entwickelt.

 

Für schnelle Asylverfahren an EU-Außengrenzen

„Das EU-Asylsystem hat versagt“, sagte Nehammer in einem für die Konferenz aufgezeichneten Interview. Er bedaure es sehr, dass die Kommission in der Migrationsfrage so lange zugesehen habe. Seit Jahren hätten Mitgliedstaaten vor dem zunehmenden Migrationsproblem gewarnt, auch er als damaliger Innenminister.

Das Versagen des Asylsystems zeige sich etwa daran, dass Österreich mit einer außerordentlich hohen Anzahl an Asylanträgen konfrontiert sei, obwohl es ein Binnenland sei. Also funktioniere der Schutz der Außengrenze offenbar nicht. Eine Lösung bestehe in schnellen Asylverfahren an den EU-Außengrenzen und schnelle Rückführungen.

 

Gemeinsamer Einkauf zur Senkung des Gaspreises

In der Energiekrise habe sich die EU deutlich stärker gezeigt, als man ihr zugetraut habe. Auch Österreich habe man nicht zugetraut, dass die Speicher gefüllt würden, nun stehe man bei einem Füllstand von 85 %, das Ziel waren 80 %. In Österreich konnte die Abhängigkeit von Russland von 80 % auf 50 % verringert werden, was immer noch zu hoch sei, erklärte der Bundeskanzler. Die EU müsse durch einen gemeinsamen Einkauf zu einer Reduktion des Gaspreises beitragen.

Strategisch wichtige Produktionen in Europa ansiedeln: Wirtschaftsminister Martin Kocher. Foto: Pressefoto Neumayer

Strategisch wichtige Produktionen in Europa ansiedeln: Wirtschaftsminister Martin Kocher. Foto: Pressefoto Neumayer

Neue strategische Ausrichtung der Industrie

In vier Punkten plädierte Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher beim 18. Salzburg Europe Summit für eine neue strategische Ausrichtung der Wirtschaftspolitik, jedenfalls hinsichtlich der Industrie: „Wir müssen die strategisch wichtige Produktion nach Europa zurückbringen“, erklärte Kocher vor dem Europa-Gipfel in Salzburg.

Die EU arbeite an einem European Chip Act, um die Produktion von Halbleitern und die Mikroelektronik in Europa zu stärken. Ebenso sollte bei Rohstoffen sowie in der Medizin und in der Herstellung von Pharmazeutika strategische Unabhängigkeit erreicht werden.

Dies sei gegebenenfalls mit höheren Kosten verbunden, so Kocher. Das dürfe nicht übersehen werden, auch nicht der Umstand, dass der Abbau einiger Rohstoffe in Europa unerwünscht sei.

Daher müsse Europa die Lieferketten überprüfen und vielfältiger gestalten, auch, um Abhängigkeiten festzustellen und zu beheben.

Kocher trat zudem für eine neue Ausrichtung der Handelspolitik der EU ein, die zu stark mit dem europäsichen Binnenmarkt befasst gewesen sei. Die Herkunft von Produkten und von Ressourcen sei auf strategische Aspekte zu überprüfen, auch auf Abhängigkeiten von möglicherweise nicht zuverlässigen politischen Systemen. Außenpolitik und Handelspolitik sollten aufeinander abgestimmt erfolgen.

Wesentlich sei es, nicht neue Abhängigkeiten entstehen lassen. Dafür sollte bei den Ursachen der hohen Preise angesetzt werden: Das Angebot zu erhöhen, die Nachfrage zu senken. Es müsste der Preis für Gas, das zur Verstromung genutzt werde, gesenkt werden.

Keynote und Debatte auf ORF III.

Die Europäische Union sind wir alle: Budget-Kommissar Johannes Hahn. Foto: Pressefoto Neumayr

Die Europäische Union sind wir alle: Budget-Kommissar Johannes Hahn. Foto: Pressefoto Neumayr

Russland und China zunehmend aggressiver

Für mehr Gemeinsamkeit und Einigkeit europäischer Staaten trat Johannes Hahn ein. Der für das EU-Budget zuständige Kommissar verwies auf das Selbstverständnis der USA, ihre Interessen stets voranzustellen. Zudem würden China und Russland – wenngleich unterschiedlich – zunehmend aggressiver auftreten. Europas Anteil an der Weltwirtschaft werde weiter sinken, da andere Länder ökonomisch aufholen. Da Europas Stellenwert abnehmen wird, müsse jetzt die gemeinsamen Interessen definiert werden, um sie global wahrzunehmen und zu sichern.