Innenpolitik

Demokratie-Rankings im Vergleich

Das Parlament: In einer demokratischen Republik der Ort politischer Debatten und Entscheidungen. Doch wie vertrauenswürdig sind Demokratie-Rankings? Foto: iStock / christianoalessandro

Immer wieder werden Indizes genutzt, um Leistungen und Institutionen miteinander zu vergleichen. So auch in der Politikwissenschaft, die etwa Demokratien analysiert, bewertet und vergleicht. Zur-Sache befasst sich mit diesen Rankings und ihren Tücken sowie mit der Feststellung, warum man sich nicht auf nur eines verlassen sollte. Österreich liegt in seriösen Rankings zur Demokratiequalität nämlich gut vorne dabei. Dieser Artikel dient – wie unser Maßnahmen-ABC zu Teuerung – als Kurzinformation, um komplexe Themen darzustellen und eine Übersicht über Demokratie-Rankings anzubieten.

 

Wie wird verglichen?

Die vergleichende Politikwissenschaft ist die Studie politischer Phänomene, die vorwiegend innerhalb von Staaten stattfinden. Von der kann man die internationale Politikwissenschaft abtrennen, da hier verschiedene Staaten im Zusammenhang stehen. Die Themenbereiche dieser Vergleiche können unter anderem Parteiensysteme, Wahlen und Regierungen sein.

Im Fall des Vergleiches der Demokratien in verschiedenen Ländern ist es zuerst wichtig, ein gemeinsames Verständnis von Demokratie zu schaffen und die Punkte herauszukristallisieren, die eine Demokratie ausmachen.

 

Key Points of Democracy

In der Politikwissenschaft hat man sich gemeinhin auf acht verschiedene „Key Points“, also ausschlaggebende Faktoren geeinigt.

  • Rechtsstaatlichkeit
  • Partizipation
  • Wettbewerb
  • Vertikale Verantwortlichkeit (d.h. Wieder- und Abwahl von Politikern)
  • Horizontale Verantwortlichkeit (d.h. Das Bestehen einer Machtbalance)
  • Freiheit
  • Gleichheit
  • Responsivität von Politikern (d.h. Die Aufgeschlossenheit von Politikern auf die Wählerschaft zu hören)

Anhand dieser Punkte berechnen die Verfasser der verschiedenen Demokratie-Rankings ihre Indizes. Die Punkte werden hierbei oft von Länderexperten mittels einer Umfrage abgefragt, woraus sich dann ein endgültiges Ranking ergibt. Die Anzahl der Länderexperten variiert jedoch oftmals sehr stark.

 

Abstufung Österreichs zur Wahldemokratie

Im April wurde Österreich im „Varieties of Democracy“ – Ranking von einer Liberalen Demokratie zu einer Wahldemokratie herabgestuft. Jetzt stellt sich natürlich die Frage des „Warum“? Eine einfache Antwort ist ein Blick in die österreichische Tagespolitik und auf die haltlosen Vorwürfe der Oppositionsparteien gegenüber der Bundesregierung. Aber ist die einfache Antwort auch die richtige? Nein. Wie so oft liegt der Teufel im Detail.

Der Politikwissenschafter Dr. Laurenz Ennser-Jedenastik schreibt in einem Kommentar in der Wiener Zeitung, dass man bei dieser Bewertung hinter die Kulissen schauen muss.

„Seitens der Ranking-Autoren heißt es über Österreichs Herabstufung zur Wahldemokratie relativ knapp, diese komme durch eine Verschlechterung beim Indikator für ‚transparente Gesetze mit berechenbarem Vollzug‘ zustande“, so Ennser-Jedenastik. Alle anderen Kriterien für eine liberale Demokratie erfüllt Österreich. Dazu zählen freie, faire Wahlen mit ausreichendem freiem Wettbewerb, ein sicherer und effektiver Zugang zum Recht für Männer und Frauen gegeben sein, ebenso Gleichheit vor dem Gesetz, Grundfreiheiten und eine Beschränkung der Macht der Regierung durch Parlament und Justiz.

Ennser-Jedenastik, selbst einer der befragten Länderexperten, legt auch ein weiteres Problem mit dem Index dar: „Es stehen auch immer weniger Experten zur Verfügung: 2005 bis 2017 waren es neun oder zehn, 2021 nur noch zwei (!). Von den acht ausgeschiedenen Experten hatten fünf immer nur die Höchstnote 4 vergeben – da reichte es, dass einer der beiden übrigen nun von 4 auf 3 wechselte, schon war Österreich beim Indikator ‚Transparente Gesetze mit berechenbarem Vollzug‘ unter den Schwellwert für die Einstufung als liberale Demokratie gefallen.“

 

Problem zwischen Realität und Theorie

Ein weiteres Problem mit Rankings ist, dass sie kontinuierlich skalierte Indexwerte in feststehende Kategorien übersetzen – und das kann irreführend sein. „In der Realität ist der Übergang von der liberalen zur Wahldemokratie fließend. Gerade das Beispiel Ungarn zeigt, dass Autokratisierung ein steter Prozess ist und nicht an einem einzelnen Ereignis oder Schritt festzumachen“, so Ennser-Jedenastik in seinem Kommentar in der Wiener Zeitung.

 

Alternativen zu „Varieties of Democracy“

Rankings der Demokratie bzw. politischen oder journalistischen Freiheit gibt es viele. Hier möchten wir jedoch zwei wissenschaftlich besonders anerkannte Rankings hervorheben: Das „Freedom in the World“ – Ranking von Freedom House und den „Demokratie-Index“ des Magazins The Economist.

 

„Freedom in the World“ – Ranking

Dieses Ranking wird von der Organisation Freedom House erstellt. Die Organisation wurde 1941 von Wendell Willkie, Eleanor Roosevelt, George Field, Dorothy Thompson, Rex Stout, Herbert Bayard Swope und anderen in New York City als Reaktion auf den totalitären Nationalsozialismus gegründet.

Methodisch wird dieses Ranking von Länderexperten anhand von Medienberichten, wissenschaftlichen Analysen etc. erstellt und betrachtet vor allem die „politischen Rechte“ und die „bürgerliche Freiheiten“, in denen man 40, respektive 60 Punkte erreichen kann. Die Ratings der Länderexperten werden mit Freedom House diskutiert und sind konsensual.

Österreich erreicht für das Jahr 2021 genau 37 Punkte bei den „politischen Rechten“ und 56 Punkte bei den „bürgerlichen Rechten“. Das ergibt einen Gesamtscore von 93 von 100 erreichbaren Punkten. Zum Vergleich: Schweden, Norwegen und Finnland haben 100 Punkte, Deutschland 94 und Frankreich beispielsweise 89 Punkte. Die USA haben übrigens nur 83 Punkte.

 

„Demokratie-Index“

Der Demokratieindex ist ein von der englischen Zeitschrift The Economist berechneter Index, der den Grad der Demokratie in 167 Ländern misst. Jedes Land wird anhand fünf verschiedener Faktoren (Wahlprozess und Pluralismus, Funktionsweise der Regierung, Politische Teilhabe, Politische Kultur, Bürgerrechte) bewertet und anhand der errechneten Punktzahl in eine der vier Kategorien einsortiert: Vollständige Demokratien, unvollständige Demokratien, Hybridregime (Mischformen aus Autokratie und Demokratie) und autoritäre Regime.

Während Österreich in den Kategorien „Wahlprozess und Pluralismus“ (9,58) und „politische Partizipationsmöglichkeiten“ (8,89) gut abschneidet, büßt man vor allem in den Kategorien „Funktionieren der Regierung“ (6,79) und „demokratische Kultur“ (6,88) Punkte ein. Spitzenreiter im Demokratieindex ist Norwegen mit 9,75 von zehn möglichen Punkten. Auf den Plätzen folgen Neuseeland (9,37) und Finnland (9,27). Österreich liegt mit 8,07 Punkten auf dem 20. Platz knapp hinter Mauritius und gehört damit ebenfalls zur höchsten Kategorie der „vollwertigen Demokratien“.