Parlament

Lukas Mandl: „Pressefreiheit ist Daseinsvorsorge“

Foto: Daniel Widner

Werte und Ideale sind deshalb zeitlos, weil ihre Bedeutung nie abnimmt und ihre Aktualität immer wieder neue Spitzen erreicht. Lange war der Tag der Pressefreiheit nicht mehr so aktuell wie dieses Jahr. Denn die Bedrohung der Pressefreiheit ist akut, weltweit und auch in Europa. Die Pandemie hat auch in diesem Bereich vorhandene Probleme vergrößert und stärker zum Vorschein gebracht. Denn Menschen verbringen mehr Zeit denn je in Social Media Kanälen. Und eine echte Krise wie jene der Pandemie ist auch ein Einfallstor für Verschwörungstheorien aller Art.

Die verheerende Logik der Quantität und der Aufmerksamkeit durch negative Emotion ist eine der beiden wesentlichen Bedrohungen der Pressefreiheit. Wir konsumieren kaum rohes Fleisch. Wir konsumieren zubereitetes Fleisch. Wir konsumieren aber in weit überwiegendem Ausmaß rohe Inhalte, also Online-Content ohne jeden Qualitätsstandard, weit weg von recherchiertem Inhalt, also von journalistisch zustande gekommener Information. Check, Re-Check und Double-Check trifft nur auf durch freie Medien produzierten Inhalt zu. Mindestens ebenso gefährlich ist die Bedrohung der Pressefreiheit durch Druck auf Journalistinnen und Journalisten. Exzessive, verbrecherische Auswüchse sind hier Mordanschläge, die auf Medienschaffende verübt werden. Jener aus dem Jahr 2017 in Malta ist in seiner politischen Dimension noch immer nicht aufgeklärt. Jüngst gab es einen solchen Fall in Griechenland, davor in der Slowakei. Freilich ist nichts mit Morden gleichzusetzen, aber Druck und Einschüchterungsversuche beginnen, wenn etwa Redakteurinnen und Redakteure öffentlich in ein schiefes Licht gerückt werden, bloß weil sie ihre Arbeit machen.

 

So ist es unlängst gegen Franziska Tschinderle aus der Profil-Redaktion geschehen. Sie wurde für völlig korrekte Recherchen im ungarischen Staatsfernsehen diffamiert. Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg hat umgehend heftig protestiert. Ich habe in der parlamentarischen Arbeit eine klare „rote Linie“ gezogen, etwa im von mir verhandelten Bericht zur EU-Grundrechtsagentur. Ein „Staatsfernsehen“ ist nicht zu verwechseln mit öffentlich-rechtlichen Medienunternehmen. Letztere sind ein wichtiger Bestandteil zur Sicherung der Ressourcen für freien Journalismus. Um die Vorsorge für Medienfreiheit auch in Zukunft dreht sich maßgeblich der Europaparlaments-Sonderausschuss gegen Einflussnahme auf die liberalen Demokratien Europas und gegen Desinformation. Dort arbeite ich unter anderem an europäischer Medienförderung. Denn Pressefreiheit ist eine Frage der Daseinsvorsorge wie etwa sauberes Wasser, Schulen und Krankenhäuser. Zivilisiertes Leben ist nur in einer Gesellschaft mit freier Presse und Meinungsfreiheit möglich. Daher sind Investitionen essentiell. In Sachen Social Media geht es auch um eine gute Allgemeinbildung und darum, was mit einem alten, aber zeitlosen Wort als Herzensbildung bezeichnet wird.

Der Sonderausschuss plant Resultate für März 2022. Ich verhandle so, dass es neben der durchaus wichtigen Bewusstseinsbildung auch zu wirksamen legistischen Schritten kommt.

 

Gastkommentar von Lukas Mandl, Mitglied des Europäischen Parlaments

Mandl ist Außenpolitik- & Sicherheitssprecher der ÖVP im Europa-Parlament sowie Mitglied des Sonderausschusses „gegen ausländische Einmischung in alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, inklusive Desinformation“.