Regierung

Von den vielen Werten des Zivildienstes

Bundesministerin Köstinger bei der Ehrung zum "Zivildiener des Jahres" 2020. Foto: BMLRT/ Paul Gruber

Der Zivildienst hat sich zu einer unverzichtbaren Säule unserer Gesellschaft entwickelt. Auf der Basis wissenschaftlich erhobener Zahlen präsentierte Bundesministerin Elisabeth Köstinger die Erfolgsbilanz des Zivildienstes, dessen Wert sich auf insgesamt eine Milliarde Euro pro Jahr beläuft.

 

Hohe Leistung vermindert Kosten

Welche gesellschaftlichen und ökonomischen Folgen hätte es, würde es das Zivildienst-System nicht geben? Das war die Ausgangsfrage für ein Team des Kompetenzzentrums für Non-Profit-Organisationen (NPO) an der Wirtschaftsuniversität Wien um Christian Grünhaus. In einer Studie im Auftrag der zuständigen Zivildienstserviceagentur erhoben sie im Vorjahr Aussagen und Daten, die Zivildienstministerin Elisabeth Köstinger präsentierte. Sie sieht in den Ergebnissen eine deutliche Bestätigung dieses Erfolgskonzepts:

  • Der Zivildienst bringt den Menschen in Österreich ökonomisch und sozial positive Wirkungen in Höhe von rund einer Milliarde Euro pro Jahr!
  • 90% der befragten Zivildiener würden sich wieder für den Zivildienst entscheiden.
  • Mehr als 70% der Zivildiener gaben an, durch den Zivildienst soziale Kompetenzen, wie auch mehr Resilienz und Toleranz entwickelt zu haben.
  • Mehr als 30% arbeiten nach dem Zivildienst ehrenamtlich in der Einrichtung weiter.
  • Rund 5,6% der Zivildiener bleiben als hauptamtliche Mitarbeiter der Einrichtung erhalten.
  • Im Falle einer Abschaffung des Zivildienstes hätten die Einrichtungen höhere Kosten bei einer geringen Anzahl an Leistungsstunden.
  • Die Reduktion der Leistungen würde sich negativ auf die Betreuungsqualität auswirken.

Daher zieht Köstinger eine positive Bilanz: „Wer Zivildienst leistet, hilft nicht nur seinen Mitmenschen, sondern leistet einen unverzichtbaren Dienst für die gesamte Gesellschaft. Eine neue Studie der WU Wien belegt den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzen des Zivildienstes in Österreich: Die Einrichtungen könnten ihre Leistungen ohne den Zivildienst nicht aufrechterhalten. Außerdem würden sich 90 Prozent der befragten Zivildiener wieder für den Zivildienst entscheiden. Diese Ergebnisse zeigen eindeutig, wie wichtig und unverzichtbar der Zivildienst für unser Land ist.“

Die durch den Zivildienst erworbenen Kompetenzen. Grafik: BMLRT

Die durch den Zivildienst erworbenen Kompetenzen. Grafik: BMLRT

 

 

Positive Effekte nicht nur ökonomischer Natur

Die positiven Effekte des Zivildienstes sind nicht nur ökonomischer Natur, denn:

  • die Zivildiener und zum Teil ihr Umfeld nehmen viel für sich mit, was keine unmittelbaren ökonomischen Wirkungen hat;
  • diese sozialen Effekte sind ebenfalls sehr bedeutsam. So können 115 Mio. Euro als soziale Effekte verbucht werden, wenn beispielsweise die Sensibilisierung für benachteiligten Gruppen, das Gefühl einen positiven Beitrag für die Gesellschaft zu leisten aber auch physische und psychische Belastungen monetarisiert werden.

 

Zivildienst ist Motor und Leitbild für Ehrenamt

  • 30,5% arbeiten nach dem Zivildienst als ehrenamtliche Mitarbeiter in der Einrichtung weiter. Das entspricht einer Steigerung von 4,5% im Vergleich vor 10 Jahren (etwa 26%).
  • Dieser Ehrenamtseffekt führte im Jahr 2019 dazu, dass hochgerechnet 4.471 Zivildiener zumindest ein Jahr als Ehrenamtliche blieben und alleine dadurch in 10 Jahren in Summe ca. 4,3 Millionen Stunden geleistet werden.
  • Im Durchschnitt sind nach 10 Jahren noch 18% der Ehrenamtlichen in der Einrichtung tätig.
  • Es handelt sich somit um einen nachhaltigen Einstieg in das Ehrenamt und um eine nachhaltige Bindung an die ehemalige Zivildienstorganisation.

 

Mehr als Wehrersatzdienst

Der Zivildienst pflastert den Weg junger Männer in die Gesellschaft und zu sozialen Kompetenzen. Köstinger: „Über 70 Prozent der Zivildiener gaben an, durch den Zivildienst soziale Kompetenzen, wie auch mehr Resilienz und Toleranz entwickelt zu haben. Viele junge Männer kommen durch den Zivildienst zum ersten Mal mit sozialen Berufen in Kontakt. Es geht beim Zivildienst also nicht bloß um einen Wehrersatzdienst für den Staat. Hier geht es auch um Menschen- und Herzensbildung. Davon profitieren wir alle.“

 

Soziale Funktion des Ehrenamts

Das Ehrenamt hat eine bedeutende soziale Funktion in der Gesellschaft. Der Zivildienst stimmt darauf ein, so Köstinger: „Die Studie bestätigt einmal mehr, dass der Zivildienst der Türöffner für das Ehrenamt ist. 30,5 Prozent arbeiten nach dem Zivildienst als ehrenamtliche Mitarbeiter in der Einrichtung weiter. Das entspricht einer Steigerung von 4,5 Prozent im Vergleich vor 10 Jahren. Dieser Ehrenamtseffekt führte im Jahr 2019 dazu, dass hochgerechnet 4.471 Zivildiener zumindest ein Jahr als Ehrenamtliche geblieben sind und alleine dadurch in 10 Jahren in Summe ca. 4,3 Millionen Stunden geleistet werden.“

 

Zivildiener würdigen Nutzen

Zivildiener sehen den Nutzen für die Gesellschaft, erläutert die Studienautorin, Constanze Beeck: „Manche behaupten der Zivildienst bringt jungen Männern nichts außer ein verlorenes Jahr. Sie selbst sehen dies zum überwiegenden Teil anders. So melden sich schon 73% zum Zivildienst, weil sie den Nutzen für die Gesellschaft sehen. Sie erwerben dann dort aber auch persönliche Fähigkeiten und Fachwissen, lernen im Team zu arbeiten, werden resilienter und haben ein höheres Verständnis für Menschen in schwierigen Lebenslagen.“

Die Folgen, sollte der Zivildienst entfallen, wären umfangreiche und teuer.

  • Die Stunden der Zivildiener müssten durch Mehrarbeit bereits angestellter Mitarbeiter und durch neue hauptamtliche oder ehrenamtliche Mitarbeiter erbracht werden.
  • Eine Auswertung der Statistiken zu den relevanten Teilarbeitsmärkten hat allerdings gezeigt, dass etwa im Bereich Hilfstätigkeiten im „Rettungsdienst und Krankentransport“ bezogen auf das Jahr 2019 nicht genügend Arbeitskräfte zur Verfügung stehen würden.
  • 68% aller Zivildiener sind der Meinung, dass die ehemalige Einrichtung die angebotenen Leistungen ohne Zivildiener schlechter oder sehr schlechter erbringen kann.
  • Im Falle der Abschaffung haben die Zivildiensteinrichtungen höhere Kosten bei einer geringeren Anzahl an Leistungsstunden, die erbracht werden können. Die Reduktion der Leistungen würde sich auf die Betreuungsquantität und -qualität auswirken, was bei der allgemeinen Bevölkerung negative Effekte hätte.
  • Die Einrichtungen rechnen aber nicht damit, dass die durch den Zivildienst gewonnenen Ehrenamtlichen im gleichen Ausmaß durch andere neue Ehrenamtliche ersetzt werden könnten.
  • Eine Abschaffung des Zivildienstes würde in einem Beobachtungszeitraum von 10 Jahren zu einem Verlust von Ehrenamtlichen führen, die ca. 31,7 Millionen Stunden leisten würden.

Die Kosten für den Zivildienst den Leistungen gegenübergestellt. Grafik: BMLRT

Die Kosten für den Zivildienst den Leistungen gegenübergestellt. Grafik: BMLRT

Fazit über die positiven Effekte

  • Die positiven Effekte des Zivildienstes übersteigen die negativen Effekte und Kosten um insgesamt knapp 680 Mio. Euro.
  • Haupteffekt, mit etwa 630 Mio. Euro, sind die durch den Zivildienst gewonnen Ehrenamtlichen.
  • Der Zivildienst ist für Einrichtungen um 117 Mio. Euro günstiger als das Alternativszenario (Abschaffung und zusätzliche Hauptamtliche) und erbringt um 712 Mio. Euro mehr Leistungen.
  • Die Kosten, die bei einer Abschaffung des Zivildienstes für die Einrichtungen zur Aufrechterhaltung der Leistungen entstehen würden, müssten zum Großteil von der öffentlichen Hand getragen werden. Dadurch hätten Länder und Gemeinden mit erheblichen Zusatzkosten zu rechnen.
  • In Summe ist die Bevölkerung ein klarer Profiteur des Zivildienstes. Ökonomischen und sozialen Wirkungen in der Gesamthöhe von 74,5 Mio. Euro stehen keine Kosten gegenüber.
  • Bei einer hypothetischen Abschaffung des Zivildienstes würde vor allem der Wegfall von Leistungsstunden, die von den Einrichtungen nicht mehr erhalten werden können, in diesem Alternativszenario negativ zum Tragen kommen.

 

13 Millionen Leistungsstunden

Der Wert des Zivildienstes fällt hoch aus, wie Studienleiter Günther Grünhaus (WU) betont: „Der Zivildienst bringt den Menschen in Österreich ökonomisch und sozial positive Wirkungen in Höhe von rund einer Milliarde Euro pro Jahr. So werden von 14.600 Zivildienern knapp 13 Mio. Leistungsstunden überwiegend im Rettungsdienst und der Pflege und Betreuung erbracht. Dazu kommen noch 4,3 Mio. Stunden an Freiwilligenarbeit über 10 Jahre. Insgesamt sind das umgerechnet rund 2240 Jahre durchgehende Arbeit. Ohne Zivildienst wäre dies nur mit erheblichen Mehrkosten und geringeren positiven Wirkungen zu erzielen. Der Zivildienst zahlt sich gesellschaftlich gesehen mit Gewissheit aus.“

 

Zu den Methoden der Studie

  • Für die Analyse wurde ein Zivildienstszenario (Zivildienst existiert) mit einem Alternativszenario (Zivildienst wurde Ende 2018 ersatzlos abgeschafft) verglichen. Hierfür wurde eine erweiterte Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt, die soziale Wirkungen inkludiert.
  • Als Referenzjahr wurde das Jahr 2019 gewählt.
  • Für die Daten-Erhebung wurden Zivildiener und Zivildienst-Einrichtungen per Fragebögen befragt.
  • Rund 12.000 Zivildienstleistende von 2019 wurden angeschrieben, rund 3.000 Fragebögen konnten ausgewertet werden.
  • 585 Einrichtungen wurden angeschrieben, von denen letztlich 732 in die Stichprobe aufgenommen werden konnten.
  • Darüber hinaus wurde auf Daten einer Vorgängerstudie aus dem Jahr 2012, auf Daten des AMS und der Zivildienstserviceagentur zurückgegriffen.

Die Studie steht auf den Homepages des BMLRT und der WU Wien zur Verfügung: