Nachgefragt

Nachgefragt: Im Gespräch mit Susanne Kraus-Winkler

Der Tourismus ist ein kräftiger Motor der österreichischen Wirtschaftsleistung. Fast 200.000 Menschen arbeiten unselbstständig in der Branche. Zur-Sache hat mit der Tourismusstaatssekretärin Susanne Kraus-Winkler über die Herausforderungen im Tourismus der Zukunft gesprochen. Foto: BKA / Andy Wenzel

Sie gilt als eine wahre Expertin in der Tourismusbranche – es wurde ihr quasi in die Wiege gelegt. Denn ihre Familie betreibt seit mehreren Generationen im Marchfeld Gastronomie, Landwirtschaft und Hotellerie. Ab Mitte der 1990er Jahre war sie Obfrau der Fachgruppe Hotellerie in der Wirtschaftskammer Niederösterreich. Seit 2018 ist sie Obfrau der Hotellerie-Fachgruppe in der Wirtschaftskammer Österreich. 

Zur-Sache: Welche Bilanz ziehen Sie für das Jahr 2022?

Susanne Kraus-Winkler: Die Österreicherinnen und Österreicher, unsere heimische Wirtschaft und die Politik wurden nach zwei Corona-Jahren, durch den Ukraine-Krieg und die Teuerungen erneut vor große Herausforderungen gestellt. Im Tourismus bleibt eine der größten Herausforderungen der Arbeitsmarkt: Zwar arbeiten mit Stand November 194.917 Beschäftigte im Tourismus und somit bereits mehr als noch im Vergleichsmonat 2019. Zeitgleich suchen alle Betriebe händeringend nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Zwar ist es uns gelungen das Saisonnierkontingent gleich zwei Mal in diesem Jahr zu erhöhen: Einmal um 1.000 Personen auf insgesamt 2.989 Personen und zum Abschluss des Jahres – und insbesondere um die Saisonspitzen abzudecken, erneut um 400 Personen, dennoch müssen wir vieles am touristischen Arbeitsmarkt nachhaltig verbessern und den Tourismus als Arbeitgeber auch für die Zukunft besser positionieren. Bei einem Stakeholdergipfel mit Sozialpartnern, Branchenvertretern und den Tourismusschulen, sowie Ausbildungsverantwortlichen wurden gemeinsam die wichtigsten Zukunftsstrategien diskutiert und die dringend notwendigen Handlungsfelder aufgezeigt. Einerseits geht es um die Mobilisierung, um mehr Menschen in Beschäftigung zu bringen, etwa durch Anreizsysteme oder etwa auch durch Steuererleichterungen für Regelpensionistinnen und -pensionisten, die gerne noch da und dort weiter mitwirken wollen. Zweitens brauchen wir Maßnahmen zur Attraktivierung der Branche, etwa durch bessere Mitarbeiterquartiere oder Kinderbetreuungsoptionen. Und letztlich muss auch an der Modernisierung des Ausbildungswesens inklusive des Lehrlingswesens und an verbesserten Qualifizierungsmöglichkeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gearbeitet werden.

Mit 55% haben wir im Tourismus einen besonders hohen Anteil an weiblichen Beschäftigten. Oftmals ist eine Vollzeittätigkeit aufgrund fehlender Kinderbetreuungsoptionen nicht möglich. Aus diesem Grund haben wir eine Leuchtturmförderung für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ausgeschrieben. Tourismusregionen und Unternehmen sollen damit motiviert werden, innovative Konzepte zur Kinderbetreuung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erarbeiten. Damit soll Müttern und Vätern die Möglichkeit gegeben werden, Vollzeit zu arbeiten bzw. flexiblere Arbeitszeiten annehmen zu können.

Was die Qualifizierung betrifft, arbeiten wir gemeinsam mit Bildungsminister Martin Polaschek daran, die Lehrpläne an den Tourismusschulen flexibler, praxisnaher und digitaler zu gestalten. Die Digitalisierung birgt somit auch für den Tourismus ein enormes Potenzial, das es zu nutzen gilt. Zusammen mit Staatssekretär Florian Tursky etwa möchten wir ein digitales Gästeblatt etablieren.

 

Wie entwickelt sich der Tourismus aktuell?

Susanne Kraus-Winkler: Nach einer sehr erfolgreichen Sommersaison mit nur 1,4 % weniger Nächtigungen im Vergleich zu 2019 können wir zu recht von einem Comeback des Tourismus sprechen. So blickt die Branche mit großer Zuversicht auf die angelaufene Wintersaison und meldet sehr gute bis gute Buchungszahlen in den Wintersportregionen in den Weihnachtsferien, zu Silvester und in den Semesterferien. Auch im Städtetourismus haben wir derzeit eine gute Auslastung, wobei der Städtetourismus allgemein an den Dezemberwochenenden eine gute Auslastung aufweist.

Eine aktuelle Winterpotentialstudie der Österreich Werbung hat zudem aufgezeigt, dass Österreich zu den TOP 3 Winterdestinationen in Europa gehört und die Lust auf Winterurlaub und Schiurlaub weiterhin sehr groß ist.

 

Welche Schwerpunkte werden Sie im kommenden Jahr setzen?

Susanne Kraus-Winkler: Das Thema Energie und die ausufernden Energiepreise wurden nun ja mit dem Energiekostenzuschuss 2 für 2023 abgefedert. Im Zentrum des Jahres 2023 steht vor allem die Neuausrichtung der gewerblichen Tourismusförderung. Mit treffsicheren Maßnahmen soll die Förderung tourismuspolitische Akzente setzen, den Tourismusstandort nachhaltiger gestalten und Betriebe auf diesem Weg bestmöglich unterstützen und einbinden. Konkret geht es um die Stärkung von familien- und inhabergeführten Betrieben, die Schaffung von Anreizen zur Eigenkapitalbildung sowie die Ausrichtung der neuen Richtlinien auf eine ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltige Tourismuswirtschaft. Im Bereich der Digitalisierung arbeiten wir an der Umsetzung eines digitalen Betriebsregisters als Basis für das digitale Gästeblatt. Die 3 größten touristischen Problembereiche, wo es auch die meisten Zukunftsinitiativen 2023 braucht, bleiben der Arbeitsmarkt, die Nachhaltigkeitstransformation und die Wettbewerbsfähigkeit inklusive der Digitalisierung.