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Verschwörungstheorien und Frauenfeindlichkeit erleben Aufstieg

Der Tätigkeitsbericht der Sektenstelle ergab, dass 2022 Verschwörungstheorien, Frauenfeindlichkeit und Staatsverweigerer massiv zunahmen. Foto: iStock/ BeritK

Die Bundesstelle für Sektenfragen präsentierte am 21. Juni 2023 im Rahmen des Ministerrats ihren Tätigkeitsbericht 2022 im Bundeskanzleramt. Der Bericht, der den Zeitraum 2022 abdeckt, bietet auf etwas mehr als 50 Seiten eine Zusammenfassung der relevanten Themen des vergangenen Jahres. Behandelt werden unter anderem die Pandemie, der Russland-Krieg, Verschwörungstheorien, die Anastasia-Bewegung, Frauenfeindlichkeit und Staatsverweigerer. Weiter Infos liefert eine umfassende Analyse zu Extremismus, die hier zu finden ist. Zur-Sache schafft einen Überblick: 

 

Nachwirkungen der Pandemie

Auch das Jahr 2022 musste sich noch von den Nachwirkungen der Pandemie erholen. Das wirkte sich auch auf das Privatleben hinter verschlossenen Türen aus. Zu Beginn des Jahres häuften sich Anfragen zu Konflikten im familiären Umfeld, und Frustration und Aggression waren noch stärker als 2021 spürbar. Verständnis und Konsensorientierung wichen zunehmend einem Gefühl von Gereiztheit, das sich in gegenseitigen Beschuldigungen und Kontaktabbrüchen äußerte, so die Wahrnehmungen der Bundesstelle.

 

Russland-Krieg schürt  Ängste

„Verschwörungstheorien und Fake News haben durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine neu an Fahrtwind bekommen“, so Bundesministerin Susanne Raab. Im Zusammenhang mit dem Russland-Krieg wurden bestehende Verschwörungserzählungen, die sich zuvor hauptsächlich um Corona und Impfungen drehten, um ein neues Thema erweitert. Verschwörungsgläubige suchten nach Gründen, um das Handeln der russischen Führung zu rechtfertigen oder sogar als notwendig darzustellen. Die Angst vor Krieg, Wirtschaftskrise und Energieengpässen verstärkte vorhandene Ängste, nicht nur bei denen, die sich aufseiten Russlands sehen.

 

Verschwörungstheorien nehmen zu

Die Flut neuer Verschwörungstheorien, die durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ausgelöst wurde, verstärkte die vorhandenen Verschwörungsängste zusätzlich.

Menschen, die zuvor an Verschwörungstheorien rund um die Corona-Pandemie glaubten, neigten auch dazu, jene über die Ukraine als wahr anzusehen. Darüber hinaus gab es neue Themenfelder von Verschwörungstheorien wie Transhumanismus, Klimakrise und Nachhaltigkeitsprojekte. Diese wurden um einschlägige Narrative über LGBTIQ+-Personen ergänzt.

 

Anastasia-Bewegung fasst in Österreich Fuß

Die Anastasia-Bewegung, die ursprünglich in Russland entstand und seit 2012 in Österreich Fuß fasste, war ebenfalls ein wichtiges Thema im Bericht. Es gab Bestrebungen, Anastasia-Siedlungen in Österreich zu errichten und Projekte ins Ausland zu verlagern.

Besondere Aufmerksamkeit galt der Sorge um Kinder und Jugendliche, die aus dem regulären Unterricht genommen und von der als feindlich angesehenen Gesellschaft isoliert wurden. Ein gescheitertes Projekt im Burgenland erregte dabei besondere Aufmerksamkeit. Der Bewegung wird unter anderem vorgeworfen antisemitische zu sein.

 

Raab: Mehr frauenfeindlicher Content auf Social Media

Frauenfeindlichkeit und Sexismus sind nach Angaben des Berichts verstärkt zu beobachten. Es gibt Angebote, die frauenfeindliche Ideologien vertreten oder konservativ-traditionelle Rollenbilder propagieren. Ein Beispiel sind die sogenannten „Pick-up-Artists“, die Flirt-Coachings anbieten und dabei Stereotype und Rollenbilder von Frauen verkaufen. Social-Media-Influencer wie Andrew Tate finden mit ihren offen chauvinistischen Aussagen großen Anklang bei einer fanatischen, meist jungen männlichen Anhängerschaft.

„Als Frauenministerin macht mir auch der Anstieg an frauenfeindlichem Content Sorgen. Daher ist es umso wichtiger, dass es seriöse Stellen wie die Bundesstelle für Sektenfragen gibt, die laufend wichtige Erkenntnisse über die wachsende Szene sammelt, dokumentiert und bewertet sowie auch Beratungen und Hilfestellungen für Betroffene und Hilfesuchende anbietet. Wir nehmen diese Entwicklungen sehr ernst und werden auch weiterhin mit allen zuständigen Stellen eng zusammenarbeiten, um gegen Verschwörungstheorien und andere brisante Entwicklungen anzukämpfen“, so Raab im Zuge des Tätigkeitsberichts.

 

Anzahl an Staatsverweigern nimmt zu

Ein weiteres besorgniserregendes Thema, das im Bericht behandelt wird, sind die Staatsverweigerer. Im Umfeld der Corona-Demonstrationen erlebten einschlägige Forderungen und die typische Sprache der Staatsverweigerer eine Wiederbelebung.

Beispielsweise wurden vermehrt Aktionen wie der sogenannte „Papierterrorismus“ beobachtet, und es kam zu mehr Drohungen und Sabotageakten gegen staatliche Organe. Der Bericht weist darauf hin, dass es wahrscheinlich einen regen Austausch zwischen Akteuren in Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt, insbesondere über Online-Plattformen.

 

Mehr Ausbildungsabbrüche durch Schneeballsysteme

Des Weiteren werden Pyramiden- und Schneeballsysteme im Bericht thematisiert. Diese geben sich häufig als Coaching- und Multi-Level-Angebote aus und verleiten insbesondere junge Menschen zu hohen Investitionen, was wiederum zu Ausbildungsabbrüchen führt. Ein wichtiger Aspekt dabei ist der Aufbau eines Netzwerks und das Anwerben von Vertriebspartnern. Die IM Mastery Academy wird dabei als besonders relevant für die Bundesstelle für Sektenfragen genannt.

 

Tätigkeitsbericht 2022: Zahlen, Daten, Fakten

Die Zahlen und Daten aus dem Bericht zeigen das Ausmaß der Arbeit der Sektenstelle im Jahr 2022. Insgesamt wurden 4.826 Informations- und Beratungsgespräche mit 2.013 Personen geführt, wobei in 431 Fällen eine umfassendere Beratung oder Begleitung erforderlich war. Es wurden insgesamt 236 verschiedene Gemeinschaften, Organisationen, Bewegungen und Einzelanbieter thematisiert.

Seit Beginn ihrer Tätigkeit hat die Bundesstelle Anfragen zu mehr als 3.000 unterschiedlichen Gemeinschaften, Personen oder Angeboten dokumentiert. Die häufigsten Themen in den Informations- und Beratungsgesprächen waren Verschwörungstheorien, kostenintensive und gesundheitlich problematische esoterische Angebote sowie Fragen zu religiös-konservativen oder fernöstlichen Gemeinschaften.