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So werden bäuerliche Familienbetriebe vor unfairen Praktiken geschützt

Foto: BMLRT/Gruber

Bäuerliche Familienbetriebe sollen vor unfairen Handelspraktiken entlang der Lebensmittellieferkette geschützt werden. Am Donnerstag erläuterte Landwirtschaftsministerin Köstinger, welche Praktiken dies sind und wie sie mit neuen Regeln bekämpft werden sollen. Köstinger sprach von einem „Meilenstein“ im Kampf gegen unfaire Handelspraktiken. Zur-Sache hat einen Überblick.

 

Das Wettbewerbs- und Nahversorgungsgesetz soll die EU-Richtlinie gegen unfaire Handelspraktiken umsetzen. Der Ministerialentwurf wurde am Donnerstag in dreiwöchige Begutachtung geschickt. Dazu Landwirtschaftsministerin Köstinger: „Erstmals wird es einen klaren Rechtsrahmen gegen erpresserische und unfaire Praktiken der Großen gegen unsere Bäuerinnen und Bauern geben. Die Ombudsstelle allen Bäuerinnen und Bauern die Möglichkeit der Beschwerde, wenn sie von solchen Praktiken betroffen sind. Sie können ihre Probleme auch anonym melden, damit die Ombudsstelle den Vorwürfen nachgehen kann. Damit setzen wir einen großen Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit und faire Preise für hochwertige Lebensmittel.“

Das Landwirtschaftsministerium spricht bei dem Gesetz von einem Erfolg der österreichischen Ratspräsidentschaft. Damals hatte sich Köstinger als Ministerin für die Richtlinie für mehr Fairness entlang der Lebensmittelversorgungskette eingesetzt. Unter der österreichischen Ratspräsidentschaft wurde diese Richtlinie beschlossen, die nun als Basis für das nationale Gesetz dient. Zum ersten Mal wurde mit der Richtlinie auf europäischer Ebene ein verbindliches Regelwerk geschaffen, das unfaire Praktiken eindämmen und kleine Erzeuger schützen soll. Analysen und Studien belegen, dass der Anteil  der Landwirtschaft an der Wertschöpfungskette Lebensmittel stets geringer wird. Den Entwurf für das Wettbewerbs- und Nahversorgungsgesetz präsentierte Köstinger gemeinsam mit dem Präsidenten der Landwirtschaftskammer Österreich, Josef Moosbrugger.

 

Folgende unfaire Geschäftspraktiken fallen unter den neuen Rechtsrahmen:

  • Zahlungsverzug an den Lieferanten über 30 Tage bei verderblichen Lebensmitteln
  • Zahlungsverzug an den Lieferanten über 60 Tage bei anderen Lebensmitteln
  • Kurzfristige Stornierung von Bestellungen verderblicher Lebensmittel
  • Einseitige Änderung der Lieferbedingungen hinsichtlich Häufigkeit, Methode, Ort, Zeitpunkt oder Umfang der Lieferung, Qualitätsstandards, Zahlungsbedingungen oder Preise (auch im Hinblick auf die Erbringung von Dienstleistungen)
  • Verlangen von Zahlungen vom Lieferanten,
    • die nicht im Zusammenhang mit dem Verkauf der Lebensmittel des Lieferanten stehen.
    • für Qualitätsminderung oder den Verlust, die nicht durch Fahrlässigkeit oder Verschulden des Lieferanten verursacht werden.
  • Verweigerung einen schriftlichen Vertrag zu schließen, wenn dies gewünscht ist
  • Rechtswidriger Erwerb oder Nutzung von Geschäftsgeheimnissen des Lieferanten
  • Androhung oder Ergreifen von Vergeltungsmaßnahmen gegen den Lieferanten, wenn der Lieferant sein Recht durchsetzen möchte
  • Verlangen einer Entschädigung für die Kosten von Kundenbeschwerden im Zusammenhang mit dem Verkauf der Erzeugnisse des Lieferanten

 

Wenn nicht explizit anders vereinbart, gelten auch diese Praktiken als unlauter:

  • Der Käufer schickt nicht verkaufte Lebensmittel an den Lieferanten zurück, ohne dafür zu bezahlen.
  • Vom Lieferanten wird eine Zahlung dafür verlangt, dass seine Erzeugnisse zum Verkauf angeboten, gelistet oder auf dem Markt gebracht werden.
  • Der Käufer verlangt vom Lieferanten, dass dieser die Kosten für Aktionen und Preisnachlässe (1+1, -25% etc.) trägt.
  • Der Käufer verlangt vom Lieferanten, dass dieser für die Werbungmaßnahmen (Flugblätter, Anzeigen etc.) des Käufers zahlt.
  • Der Käufer verlangt vom Lieferanten, dass dieser für die Vermarktung von durch den Käufer zahlt.
  • Der Käufer verlangt vom Lieferanten eine Zahlung für das Personal für die Einrichtung der Räumlichkeiten, in denen die Erzeugnisse des Lieferanten verkauft werden.

 

Zusätzlich wird im Landwirtschaftsministerium eine Ombudsstelle eingerichtet.

  • Betroffene Bauern bzw. Lieferanten können sich (auch anonym) an diese Ombudsstelle wenden.
  • Damit soll es den kleineren Akteuren einfacher möglich sein, Beschwerde einzureichen ohne Angst vor Vergeltungsmaßnahmen haben zu müssen – etwa Auslistungen der Produkte im Handel.
  • Diese Erstanlaufstelle wird unabhängig und weisungsfrei 2022 soll die Erstanlauftselle ihre Arbeit aufnehmen.
  • In jährlichen Berichten wird die Erstanlaufstelle über die Anzahl und Arten von unlauteren Praktiken berichten und so zu mehr Transparenz beitragen

 

 

Beispiele für unfaire Handelspraktiken, die nun verboten werden:

Ein großes Handelsunternehmen feiert eine Ausweitung ihrer Filialen oder ein langjähriges Bestehen. Die Kosten von Werbeaktionen und Sonderangeboten werden direkt an die Lieferanten abgewälzt. Kunden strömen in die Filialen, dem Handelsunternehmen entstehen keine Kosten und der Lieferant muss zahlen.

  • Eine Kostenweitergabe an den Lieferanten bei Werbemaßnahmen und Vermarktung ist nicht mehr erlaubt. Ab sofort muss das Handelsunternehmen für seine Werbung selber zahlen.

 

Der Lieferant, der sich in einer schwächeren Verhandlungsposition sieht, möchte statt einer mündlichen Vereinbarung einen schriftlichen Vertrag aufsetzen, da das Handelsunternehmen häufig die mündliche Abmachung nachträglich ändert oder anders interpretiert.

  • Auf Verlangen müssen nun schriftliche Verträge verfasst werden. So kann im Nachhinein der Stärkere nicht seine Marktmacht missbrauchen um mündliche Verträge in Frage zu stellen.

 

Der Landwirt liefert leicht verderblich Lebensmittel, wie z.B. Paradeiser, an eine Handelskette und wartet mehrere Monate auf die vereinbarte Bezahlung der Lieferung.

  • Ab jetzt muss das Handelsunternehmen innerhalb von 30 Tagen die offene Rechnung begleichen.