Europa- & Aussenpolitik

Österreichs Asyl-Problem wird eines der EU

Sieht in Sachen Asylwerber in Österreich die Grenze der Belastbarkeit erreicht. Innenminister Gerhard Karner bei der Eröffnung der Migrationskonferenz im Oktober. Foto: BMI

Österreich macht jetzt das Asyl-Problem zu einem der EU: Es könnten bis Jahresende 120.000 Asylanträge werden. Innenminister Gerhard Karner setzt das Problem auf die Tagesordnung der Innenminister, die sich am Freitag treffen. Schon jetzt kündigt Karner an, dass Österreich gegen die EU-interne Reisefreiheit für weitere Staaten stimmen werde.

 

Asylantrag erst in Österreich

In Interviews erläuterte Innenminister Karner mehrfach die Gründe für diese Strategie. Einerseits gebe es einen enormen Andrang an illegalen Migranten, die aussichtlose Asylanträge stellen. Andererseits versage der Schutz der Außengrenzen. Adressat der Kritik: Die Europäische Kommission.

Von den 90.000 Personen, die in Österreich heuer einen Asylantrag gestellt haben, seien 75.000 Personen erst in Österreich erstmals regulär erfasst worden. Das bedeutet: Da darunter auch Personen etwa aus Indien oder aus Tunesien waren, müssen diese vor ihrer Ankunft in Österreich mehrere Länder entweder durchreist oder überflogen haben. Im Klartext: Sie wurden nicht an den Außengrenzen der EU – oder des Schengen-Raumes – erfasst, sondern kamen illegal und unregistriert bis nach Österreich, um hier einen Asylantrag zu stellen.

 

Das System ist gescheitert

„Das Schengen-System ist gescheitert“, sagte Karner etwa gegenüber Ö1. Gemeint ist jene Regelung für den freien Personenverkehr, die 1985 im Ort Schengen in Luxemburg beschlossen und seither ständig ausgebaut wurde.

Der Schengen-Raum ist eine Zone in Europa, in der 26 Länder ihre Binnengrenzen abgeschafft haben und einen freien sowie uneingeschränkten Personenverkehr ermöglichen. Dazu zählen die meisten EU-Staaten sowie Norwegen, Island, die Schweiz und Liechtenstein. Verbunden ist die Reisefreiheit im Schengen-Raum mit gemeinsamen Regeln für die Kontrolle der Außengrenzen und die Bekämpfung der Kriminalität. Um dies zu erreichen, sollen das gemeinsame Justizsystems und die polizeiliche Zusammenarbeit gestärkt werden.

Die Reisefreiheit wurde aber von einigen Staaten im Jahr 2015 wegen des Zustroms von einer Million Menschen zeitweise außer Kraft gesetzt.

 

Österreich blockiert Erweiterung des falschen Systems

Nun soll der Schengen-Raum um die Länder Kroatien, Rumänien, Bulgarien und Zypern erweitert werden. Der Beschluss soll am 8. Dezember beim Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs getroffen werden.

Österreich könnte – wie andere Staaten – jedoch dagegen stimmen. Dies hat Innenminister Gerhard Karner angekündigt. Die Begründung: Die enorm hohe Anzahl an Aufgriffen illegal eingereister Personen sowie an Schleppern sowie die hohe Anzahl an Asylanträgen in Österreich.

 

Mehr Andrang als bei Flüchtlingswelle 2015

Dazu hat das Innenministerium die vorläufige Asylstatistik für Oktober veröffentlicht. Die Antragszahlen in den ersten zehn Monaten haben sich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verdreifacht. Bis Ende Oktober haben 89.867 Männer und Frauen um Asyl angesucht.

Umgelegt auf die pro-Kopf der Einwohner hat Österreich nach Zypern die zweithöchste Anzahl an Asylanträgen! Im Durchschnitt wurden im ersten Halbjahr pro EU-Land 91 Asylanträge gestellt, in Österreich jedoch – überdurchschnittlich hoch – jedoch 348 Asylanträge.

 

Visafreiheit für Serbien schrittweise aufgehoben

Ein Großteil dieser Anträge wird von Migranten gestellt, die aus wirtschaftlichen Gründen illegal einreisen und damit praktisch keine Chance auf Asyl haben. Etwa 40 Prozent der irregulären Migranten reisen visafrei nach Serbien ein und werden von kriminellen Schleppern in die EU gebracht. Hier hat Serbien angekündigt, seine Visaregeln an jene der EU anzugleichen. So brauchen seit dem gestrigen Sonntag, Tunesier ein Visum für Serbien. Weitere Nationen wie Indien sollen bis Jahresende folgen. Das haben die Regierungschefs Karl Nehammer, Aleksandar Vucic und Victor Orban Anfang Oktober in Budapest vereinbart.

Bei Asylanträgen von Migranten aus Indien, Tunesien, Pakistan oder Marokko wird sehr rasch entschieden. Bis Oktober fielen in beschleunigten Verfahren rund 18.345 negative Entscheidungen. Außerdem haben sich 27.597 Personen dem Verfahren entzogen, damit auf ihren Schutz verzichtet und Österreich selbständig wieder verlassen.

Insgesamt gab es bis Ende Oktober fast 60.000 rechtskräftig negative Asylentscheidungen.

Das Innenministerium bleibt bei seiner klaren Linie, heißt es in einer aktuellen Information des Ressorts. Vorrang haben die Bekämpfung von Asylmissbrauch, Sozialleistungsbetrug und die Bekämpfung der organisierten Schlepperkriminalität.

 

Zahlen, Daten, Fakten

In der Asylstatistik nicht enthalten sind die kriegsvertriebenen Ukrainerinnen und Ukrainer. Sie fallen unter die EU-Richtlinie „Temporärer Schutz“.

Die wichtigsten Zahlen:

  • Von Jänner bis Oktober 2022 haben 867 Personen einen Asylantrag gestellt
  • 597 Personen haben sich von Jänner bis Oktober 2022 dem Verfahren entzogen und Österreich wieder verlassen
  • Die meisten Asylanträge im Oktober stellten Afghanen (4123), gefolgt von Indern (3479), Syrern (3424) und Tunesiern (2462).
  • Asylanträge von Migranten aus Indien und Tunesien sind de facto chancenlos (fünf Schutzgewährungen für Tunesier im laufenden Jahr).

Entscheidungen von Jänner bis Oktober

  • 602 Schutzgewährungen erteilt (Asyl, subsidiärer Schutz, humanitäre Aufenthaltstitel)
  • 908 Entscheidungen waren rechtskräftig negativ

Personen in der Grundversorgung

  • Mit Ende Oktober befanden sich rund 91.500 Personen in Grundversorgung, davon rund 56.500 Kriegsvertriebene aus der Ukraine