Europa- & Aussenpolitik
Die SPÖ und Liebesgrüße aus Moskau
Die Empörung ist bekannt. SPÖ und NEOS spielen seit Wochen die selbe Platte vor und zurück: Sebastian Kurz habe Österreich in die Abhängigkeit von russischem Gas geführt. Auch heute wieder, als Kurz als Auskunftsperson im Untersuchungsausschuss des Nationalrats zu Gast war, wurde diese Leier erneut gespielt. Hier ein Bericht inklusive historischer Analyse.
Je tiefer man aber in den Archiven gräbt, desto mehr findet man Belege über das Engagement sozialdemokratischer Politiker, um auf Wohlwollen im Moskauer Kreml zu stoßen. Es wurde gelacht und angestoßen, es wurden Hände geschüttelt und Verträge abgeschlossen. Oder, um es auf gut österreichisch zu sagen: man machte immer schöne Nasenlöcher fürs gute Geschäft und für Energie-Deals mit Russland bzw. der früheren kommunistischen Sowjetunion. Von SPÖ-Chef zu SPÖ-Chef und von Kanzler zu Kanzler. Über fünf Jahrzehnte. Besonders unter Bruno Kreisky (1970-1983) wurde das Gas- und Ölgeschäft mit Russland kultiviert und ausgebaut. Das zeigen viele Belege, u.a. des Kreisky-Archivs (Zur-Sache berichtete). Und nach Kreisky hörte es nicht auf, sondern es wurden noch mehr Geschäfte mit der Sowjetunion bzw. Russland gemacht.
Alles begann vor über 50 Jahren
Heute wird diese Liaison mit dem Kreml von zahlreichen Sozialdemokraten negiert, abgestritten und geleugnet. Jedenfalls war es laut SPÖ sinngemäß niemals die Sozialdemokratie, die Österreich in die Abhängigkeit von russischem Gas führte. Nein, die SPÖ hatte sicher nie etwas damit zu tun oder mit Moskau über Lieferverträge und Abkommen verhandelt. Ganz im Gegenteil. Schuld muss jemand anderer sein. Aber wer?
Das Mantra: Kurz war schuld
In der Welt der SPÖ ist spätestens seit der Abwahl von Christian Kern als ihrem Kanzler immer die ÖVP und speziell Sebastian Kurz für alles schuld. Warum nicht auch bei einem Gasliefervertrag, der 1968 seinen Anfang nahm und über die Jahre ergänzt und ausgebaut wurde? Kai Jan Krainer oder Jörg Leichtfried, aber auch die Neos, machen heute die ÖVP und Kurz zu den Verantwortlichen der jetzigen Situation. Kurz selbst meinte diese Woche bei seiner Befragung im U-Ausschuss: „Ich kenne das Mantra, dass ich an allem schuld sein muss.“
Was besonders die Sozialdemokraten nicht sagen, nicht mehr wissen oder schlicht nicht verstehen wollen: Österreich steckte schon in den siebziger und achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts tief in Gas- und Erdöl- Geschäften mit Russland, da war Sebastian Kurz noch nicht geboren. Der kam 1986 zur Welt, also 18 Jahre nach Abschluss der ersten Energie-Lieferverträge Österreichs mit der UdSSR.
97 Prozent Abhängigkeit
Blättert man im „Energiebericht 1986 der Österreichischen Bundesregierung“, so kommt man regelrecht ins Staunen. Da heißt es auf Seite 108 beim Kapitel „Gas-Importe“ wörtlich: „Der Erdgasimport nach Österreich steigerte sich 1985 um weitere 3 % auf rund 4,2 Mrd. m3 und erreichte sein bisheriges Maximum. Den Hauptanteil an dieser Menge, neben den Bezügen aus der BRD, hatte der Import aus der UdSSR mit ca. 97 %.“ In Worten: siebenundneunzig Prozent! So geht Abhängigkeit von Russland, von der Neos und SPÖ immer sprechen. Zur Erinnerung: Damals, 1986, stellte die SPÖ schon das 17. Jahr in Folge den Bundeskanzler. Und Kurz war frisch geboren.
1969-2017: die 64-fache Fördermenge
Mit einer Unterbrechung von sechs Jahren folgen nach 1986 bis Ende 2017 insgesamt weitere 25 SPÖ-Kanzler-Jahre. Als im Juni 2018 die 50-jährige Partnerschaft zwischen Gazprom und der OMV in Wien gefeiert wurde, ließ die OMV via OTS-Meldung vorab wissen, dass die jährlichen Gaslieferungen „in den letzten 50 Jahren um mehr als das 64-fache gewachsen“ sind, „diese lagen ursprünglich bei 142 Millionen Kubikmeter. Heute ist Österreich einer der wichtigsten Abnehmer von russischem Gas. Exporte erreichten 2017 einen Rekord von 9,1 Milliarden Kubikmeter, mehr als 218 Milliarden Kubikmeter wurden seit 1968 nach Österreich geliefert.“
42 Jahre dieser 50-jährigen Partnerschaft wurden unter SPÖ-Kanzlern gepflegt. Das Volumen wurde in dieser Zeit vervierundzechzigfacht (!). Der neue Liefervertrag unter Kanzler Kurz, der beim 50-Jahre Festakt erst wenige Monate im Amt war, war da noch gar nicht unterschrieben.
Kanzler Kern und russisches Gas: plus 50,3 Prozent und „Gasexport-Rekord“
Die OMV erklärt in der Aussendung noch weiter, dass 2017 (also mit Ende der Ära Kanzler Kern) der „Gasexport-Rekord nach Österreich“ erreicht wurde. Interessantes Detail: Die OMV spricht sogar davon, dass 2017 der Gasexport von Russland nach Österreich im Vergleich zum Vorjahr 2016 sogar um 50,3 Prozent zugenommen habe. Diese exorbitante Zunahme der Gasimporte aus Russland geschah also unter der Kanzlerschaft von Christian Kern. Bekanntermaßen ein Sozialdemokrat.
Es muss also doch einiges unter SPÖ-Kanzlern und SPÖ-Ministern in diesen fünf Jahrzehnten passiert sein. Von Kreisky bis Kern, von Staribacher bis Norbert Steger (FPÖ). Von der Löwelstraße bis zum Roten Platz.
OMV als rote Karriereschmiede?
So kommt es nicht von ungefähr, dass es eine gewisse Tradition in der Job-Rotation zwischen Spitzenpositionen der OMV und der SPÖ gab. Zum Beispiel Viktor Klima. Verkehrsminister, Finanzminister unter Kanzler Franz Vranitzky und schließlich, Ende der 90iger-Jahre, SPÖ Chef und Bundeskanzler. Seine Karriere begann ganz wo anders. In der OMV, wo er 1969 zu arbeiten begann und schließlich 1990 in den Vorstand aufstieg.
Oder Wolfgang Ruttenstorfer: er trat 1976 in die OMV ein und stieg über die Jahre die Karriereleiter hinauf. Ab 1985 hatte er die Verantwortung für Planung und Kontrolle der Strategie der OMV, ehe er 1992 Viktor Klima in der Funktion des Vorstandsdirektors folgte. 1997 machte Ruttenstorfer schließlich für zwei Jahre einen Abstecher als SPÖ-Staatssekretär in die Bundesregierung. Die Rückkehr in die OMV erfolgte 1999. Schließlich stand Ruttenstorfer von 2002 bis 2011 als Vorstandsvorsitzender und Generaldirektor an der Spitze des Mineralölkonzerns.
Die SPÖ tut sich also schwer, jede Verbindung nach Moskau und jedes Engagement um russisches Gas in Abrede zu stellen.Die historischen Fakten belegen vielmehr, dass unter Führung der SPÖ die Beziehungen und das Gasgeschäft enorm wuchsen. Nahezu bis zur Abhängigkeit.