Europa- & Aussenpolitik

Bundeskanzler Stocker im BILD-Interview: „Mehr Anstrengung nötig“

Im Journalisten-Club im Berliner Axel Springer Haus gab Bundeskanzler Christian Stocker er "Bild" ein Interview. Foto: Screenshot Zur-Sache/bild.de

Nach seinem Besuch bei Bundeskanzler Friedrich Merz in Berlin hat Bundeskanzler Christian Stocker der „Bild“-Zeitung ein Interview gegeben. Darin sprach Stocker über Migration, Friedrich Merz, die Wettbewerbsfähigkeit Europas und die Herausforderungen des Wohlstands.

Empfang in Berlin mit allen Ehren für Bundeskanzler Christian Stocker.

Empfang in Berlin mit militärischen Ehren für Bundeskanzler Christian Stocker.

Grenzschutz: Verständnis für deutsche Maßnahmen

Auf die Frage nach den deutschen Grenzkontrollen und der Zurückweisung von Migranten äußerte Stocker Verständnis. Österreich selbst kontrolliere seine Grenzen bereits seit 2015 aufgrund eines enormen Migrationsdrucks. Er betonte die gute Abstimmung mit den deutschen Polizeibehörden:

„Wir standen in Österreich vor der Situation 2015 und 2022, dass wir mit einem enormen Migrationsdruck konfrontiert wurden und wir kontrollieren seit 2015 unsere Grenzen – und mit uns, Deutschland und weitere acht Schengenstaaten. So gesehen habe ich Verständnis, dass, wenn der Migrationsdruck steigt, wenn eine Problemlage entsteht, man auch Binnengrenzen kontrolliert. Das ist nicht das Ziel, weil wir wollen ja eine EU-Außengrenze haben, die robust genug ist, dass wir unsere innere Grenze nicht mehr kontrollieren müssen. Aber so wie wir es jetzt machen, stimmen wir uns ab und vermeiden damit auch größere Probleme an den Grenzen“, so der Kanzler in der „Bild“.

Stocker sieht keine Probleme an der Grenze zu Deutschland, da die Abstimmung der Polizeibehörden sehr gut funktioniere.

Arbeitsgespräch der Bundeskanzler: Gastgeber Friedrich Merz mit Österreichs Kanzler

Arbeitsgespräch der Bundeskanzler: Gastgeber Friedrich Merz mit Österreichs Kanzler

Drei Eckpunkte der Migrationspolitik

Für die europäische Migrationspolitik forderte er einen robusten Grenzschutz an der Außengrenze, weiters Asylverfahren an der Außengrenze und eine effektive Rückkehrverordnung für Personen ohne Aufenthaltsrecht. Konkret bedeute dies eine größere Liste sicherer Drittstaaten und schnellere Verfahren für Personen mit geringer Bleibewahrscheinlichkeit. Er unterstützte auch die Initiative, straffällig gewordene Asylbewerber abzuschieben. „Wenn jemand zu uns kommt, vor Gewalt geschützt wird, schwere Straftaten begeht, dann hat er hier nichts mehr verloren.“

 

Friedrich Merz und Deutschlands Rolle in Europa

Christian Stocker lobte im Interview mit der deutschen Zeitung die Zusammenarbeit mit Friedrich Merz und dessen Führungsfähigkeit in Europa: „Friedrich Merz hat, glaube ich, in seiner Kanzlerschaft schon gezeigt, dass er Verantwortung übernehmen will. Für mich hat er gezeigt, dass er sie auch übernehmen kann. Es geht nicht, dass einer allein führt, das ist auch nicht der Anspruch von Friedrich Merz, so wie ich ihn verstanden habe, sondern, dass Deutschland sich mehr einbringt, Verantwortung und Führung übernimmt, gemeinsam mit anderen Staaten der Europäischen Union. Wir sind 27. Es ist ein gemeinsames Projekt, aber eine stärkere Rolle Deutschlands, das tut uns sicher gut.“

Pressekonferenz der Kanzler: Wien begrüßt stärkeres Engagement Berlins in der EU

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Stocker über „Wohlstandsverwahrlosung“ in Europa

Angesichts des Zollstreits mit den USA und der systemischen Konkurrenz mit China betonte Stocker, dass Europa sich wieder auf seine eigenen Stärken besinnen müsse. Er kritisierte eine gewisse „Wohlstandsverwahrlosung“ in Europa.

Auf die Frage, ob sich Europa mehr anstrengen müsse, antwortete Stocker: „Manchmal kann ich den Eindruck gewinnen, dass wir ein Stück weit wohlstandsverwahrlost sind.“ Er sieht zwei Wege aus dieser Situation: Die Erkenntnis, dass „von nichts kommt nichts; ohne Fleiß kein Preis“, und die Politik müsse das Versprechen einlösen, dass sich Anstrengung lohnt und „von der Arbeit muss auch mehr bleiben.“

 

Wirtschaft ist die Basis

„Ich glaube, dass Europa sich wieder seiner eigenen Stärken besinnen muss. Wir sind eine Union, die aus einer Wirtschaftsunion gewachsen ist, zu einer politischen Union. Wir haben gemeinsame Werte, aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir die Basis in unserer Wirtschaft finden, damit wir unsere Werte in der Welt auch umsetzen und durchsetzen können. Und Europa hat sich in der Vergangenheit zu viel darauf verlassen, dass die Innovation in Amerika passiert, dass die Produktion in Asien erfolgt und dass es bei uns ausreicht, wenn die Regulatoren vorhanden sind.“

Stocker in Interviews: Europa muss die Anstrengungen erhöhen, um Chancen zu nutzen

Stocker in Interviews: Europa muss die Anstrengungen erhöhen, um Chancen zu nutzen

Mehr Anstrengung erforderlich

„So gesehen glaube ich, dass wir unsere Wettbewerbsfähigkeit massiv erhöhen werden müssen. Mit dem EU-Binnenmarkt haben wir eine große Chance. Und eine Wahrheit müssen wir der europäischen Gesellschaft in allen Nationalstaaten auch sagen: Wenn wir Wohlstand sichern und erhalten wollen, werden wir uns mehr anstrengen müssen.“

 

Stocker: „Deutsche Gäste willkommen.“

Bezüglich der Befürchtungen vor massiven Staus auf den Alpen-Routen durch deutsche Sommergäste zeigte sich Stocker gelassen. Er könne Staus nicht ausschließen, betonte aber, dass viel getan werde, um Stauzeiten zu vermeiden. Deutsche Gäste seien in Österreich herzlich willkommen.

„Alle deutschen Gäste sind herzlich willkommen, und ich hoffe, sie haben einen schönen Urlaub in Österreich. Als Gastgeber haben wir mindestens so eine gute Tradition wie als Partner und Freunde Deutschlands.“

Lesen Sie hier das gesamte Interview.