Innenpolitik
Wie sich Kreisky, Fischer und Kern um russisches Gas bemühten
Der U-Ausschuss des Nationalrats befasst sich an den ersten beiden Befragungstagen im September mit den Russland Connections der OMV und Politikern der vergangenen Jahre. SPÖ, Neos und Grüne skizzieren dabei ein Bild, als würde Österreich erst plötzlich oder seit Kurzem mit Russland Geschäfte machen. Die SPÖ versucht sogar, ihre – spätestens seit Bruno Kreisky – historisch belegbar positiven Beziehungen gegenüber Moskau in Abrede zu stellen. Und die SPÖ redet sich ein, dass Österreich überhaupt erst seit der Abwahl des roten Kanzlers Christian Kern im Herbst 2017 Geschäfte mit Russland betreibe. Mitnichten, wie ein Faktencheck von Zur-Sache zeigt.
Russland-Geschäfte begannen früh
Ein Blick ins Archiv und in die Geschichtsbücher zeigt, dass Österreichs Russland-Geschäfte mit Öl und Gas bereits in den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts kultiviert wurden. Über Jahrzehnte hinweg wurde diese Zusammenarbeit Schritt für Schritt ausgebaut, besonders unter SPÖ-Kanzlern. Das war der Grundstein einer über 50-jährigen und bis heute bestehenden engen Wirtschaftsbeziehung zwischen Russland und Österreich, insbesondere im Öl- und Gasbereich. Aber der Reihe nach. Zur-Sache präsentiert eine Chronologie von (roten) Gasgeschäften mit Russland.
Einseitiger Blick auf Zeitgeschichte
Bruno Kreisky (Kanzler von 1970 bis 1983) gilt in der Sozialdemokratie als das Allerheiligste. Was den Deutschen ihr Willy Brandt ist und den Schweden ihr Olof Palme, ist für den geborenen Sozialdemokrat in Österreich eben Bruno Kreisky. Unter Kreisky wurden Wahlen gewonnen, es wurde absolut regiert und aus Sicht jedes Sozialdemokraten das Land modernisiert, internationalisiert und zum Wohlfahrtsstaat ausgebaut. Das ergibt Erinnerungen an schöne und bessere Zeiten, in denen jeder Genosse gerne schwelgt. Kritik an Kreisky gilt als tabu und ist verpönt.
Es ist allerdings ein einseitiger Blick auf die Zeitgeschichte. Denn vieles bleibt außer Betracht.
Vergessen wird im Rückblick auf Kreisky etwa die Bestellung von fünf NS-belasteter Personen in seiner ersten Regierung. Verschwiegen wird sein politischer Pakt mit FPÖ-Obmann Friedrich Peter – SS-Obersturmführer – , mit dem die FPÖ bei Wahlen zulegen konnte.
Mehr noch: Den Holocaust-Überlebenden und Nazi-Jäger Simon Wiesenthal hat Kreisky nicht nur nicht gewürdigt, sondern geschnitten. Im Gegenzug hat Kreisky für den libyschen Diktator Gadaffi und PLO-Chef Jassir Arafat den roten Teppich ausgerollt und ihnen den Zugang zur internationalen politischen Bühne ermöglicht.
Dennoch bemüht sich die SPÖ, den Mythos und die Legendenbildung auch 50 Jahre danach aufrecht zu erhalten. So wurden unter anderem das „Kreisky Forum“ oder das „Kreisky Archiv“ gegründet, um sein Erbe zu pflegen und weiterzutragen. Sie dokumentieren auch die politischen Kontakte zu Russland.
Das Kreisky Archiv und die Staribacher Tagebücher
Im „Kreisky Archiv“, dessen Obmann Wiens SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig ist, wird in einer ausführlichen wissenschaftlichen Arbeit die Wirtschaftspolitik seit den 70er Jahren beleuchtet bzw. gewürdigt. Grundlage der Arbeiten bilden zahlreiche Recherchen sowie Passagen aus dem Tagebuch das damaligen SPÖ-Handelsministers Josef Staribacher.
Bereits 1968 wurden die erste enge Zusammenarbeit mit Russland besiegelt und Energie-Lieferverträge abgeschlossen. Was hervorsticht: es finden sich ausführliche Belege dafür, dass nach der Übernahme der Kanzlerschaft von SPÖ-Chef Bruno Kreisky im Jahr 1970 der Kontakt und die Zusammenarbeit mit der damaligen UdSSR vertieft und die (Gas- und Öl) Geschäfte ausgebaut wurden.
Lieferverträge „besonders mit der UdSSR verhandelt“
„1968 gelang Österreich der Abschluss eines Gasliefervertrages mit der UdSSR, um den ständig steigenden Gasverbrauch der privaten Haushalte zu befriedigen“, heißt es auf Seite 113 des Forschungsberichtes „Österreichische Wirtschaftspolitik 1970 – 2000“ des Kreisky Archivs. Dieser Vertragsabschluss bildete den Grundstein der Zusammenarbeit zwischen Moskau und Wien.
Der Forschungsbericht legt nahe, dass sich die Kreisky-Regierung nach ihrer Machtübernahme 1970 aktiv und intensiv um weitere Öl- und Gaslieferverträge mit der damaligen Sowjetunion bemühte. So heißt es: „Um den ständig steigenden Bedarf zu decken, standen Anfang der siebziger Jahre mehrere wichtige Projekte im Bereich der Mineralöl- und chemischen Industrie zur Diskussion bzw. in Planung (…) Über eine Aufstockung bestehender Lieferverträge wurde besonders mit der UdSSR verhandelt.“
Kreiskys Reisen in den Osten
Mehr Gas und Öl aus der UdSSR und anderen Gebieten im (Nahen) Osten erscheinen bei der Lektüre des Forschungsberichts klare Chefsache von Bruno Kreisky gewesen zu sein. So versuchte er persönlich, noch mehr Energiegeschäfte Österreichs mit der Sowjetunion und anderen Ländern unter Dach und Fach zu bringen, als 1973 in Österreich eine Energiekrise – Mangel an Öl und Gas – herrschte.
Im Bericht zu diesen Jahren heißt es:
„Die während der Versorgungskrise eingeleiteten Bemühungen, die Energieimporte, insbesondere bei Rohöl und Erdgas, auf eine breitere Basis zu stellen, wurden weiter fortgesetzt. Diesem Ziel dienten zahlreiche Besuche, die der Bundeskanzler (Anm. Kreisky) und sein Handelsminister (Anm. Staribacher) in den folgenden Jahren absolvierten, wobei für die Energieversorgung besonders die UdSSR als Öl- und Gaslieferant, Polen als Lieferant für Steinkohle, die arabischen Staaten im Nahen Osten und in Nordafrika sowie der Iran von Bedeutung waren.“ (Forschungsbericht Seite 189). Energiesicherheit waren Kreisky und Staribacher demnach wichtig, ganz im Gegensatz zur heutigen SPÖ, die erst kürzlich einer Verordnung zum Energielenkungsgesetz ihr „Njet“ aussprach. (Zur Sache berichtete)
„Zwischenstopp in Moskau“ und „erleichternde Nachricht“
Wie sehr Österreich von russischen Öl- und Gasimporten bereits in den 70er Jahren abhängig war und nicht erst seit 2015 oder 2017, wie es die Opposition – besonders die SPÖ – gerne behauptet – zeigt eine Episode, die ebenfalls Eingang in den Forschungsbericht des Kreisky Archivs findet und sich auf einen Tagebucheintrag des damaligen SPÖ-Handelsminister Staribacher stützt.
Dort heißt es: „Mitte September legte Staribacher auf dem Rückflug von einer GATT-Konferenz in Japan einen Zwischenstopp in Moskau ein, wo er mit dem stv. Außenhandelsminister Joseph Kuzmin neuerlich die Möglichkeit sowjetischer Öllieferungen besprach. Aber erst im Oktober 1973, am Beginn der Ölkrise, sicherte die UdSSR Österreich die Lieferung von mindestens 80.000 t Rohöl für die nächsten Monate zu, eine in Anbetracht der nagenden Ungewissheit inmitten der Ölkrise erleichternde Nachricht“.
Gasbedarf „nicht richtig eingeschätzt“ – russisches Gas „dringend benötigt“
Dass es überhaupt im Herbst 1973 zur „erleichternden Nachricht“ kam, gingen lange und schwere Verhandlungen Österreichs mit der Sowjetunion voraus. Im Dokument des Kreisky Archivs heißt es wörtlich: „Ende Jänner 1973 traf der sowjetische Handelsminister Patolitschew zu einem Besuch in Wien ein. Die ÖMV hatte sich schon im Vorfeld dieses Besuchs um die Lieferung von je 1 Mio. t Rohöl im Lauf der nächsten drei Jahre bemüht. Außerdem liefen seit Monaten Verhandlungen über eine Erhöhung der Erdgas-Lieferungen über die im Gasvertrag von 1968 vereinbarte Menge von 1,5 Mrd. m3 jährlich hinaus.“
Und weiter: „Die russische Delegation war auch verärgert, dass die österreichische Presse in dieser Frage der UdSSR den schwarzen Peter zuschob, während die ÖMV Staribacher zerknirscht eingestand, den Gasbedarf damals nicht richtig eingeschätzt zu haben. In der Zwischenzeit benötigte man das russische Gas aber dringend und hoffte, über Trans Austria Gas -Pipeline (TAG) 4,5 Mrd. m3 russisches Gas zu erhalten, um die Verträge mit deutschen u. a. Partnern im Gasgeschäft erfüllen zu können.“
Gas und Öl aus Russland bereits in den 70ern für Österreich wichtig
Das Öl- und Gasgeschäft mit Russland gewann bereits unter Kreisky voll an Fahrt. Die damalige UdSSR war nicht nur irgend ein Lieferpartner, sondern war laut Aufzeichnungen bereits damals sinngemäß überlebenswichtig für die Energieversorgung Österreichs, sonst würden nicht Begriffe wie „dringend benötigt“ oder „Gasbedarf falsch eingeschätzt“ in der Forschungsarbeit vorkommen. Das Geschäft mit Russland war also schon in den 70er Jahren unter SPÖ-Kanzler Bruno Kreisky essentiell für die Versorgungssicherheit. Diese Geschäfte mit Russland nahmen über die Jahre auch nicht ab.
Christian Kern „EU-Stargast“ bei Putin in St. Petersburg
Fast 50 Jahre später: Der Eiserne Vorhang war längst gefallen, die Sowjetunion zerfallen, aber die Geschäfte bleiben und gehen weiter, ja werden sogar intensiviert. Ausgerechnet unter SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern, der sich dieser Tage überall als Energieexperte und Russland Kritiker zum Besten gibt, bemühte man sich um eine Fortsetzung und Intensivierung der Zusammenarbeit mit der russischen Gazprom.
Am 2. Juni 2017 machte SPÖ-Kanzler Kern Russlands Präsident Putin beim Wirtschaftsforum in St. Petersburg die Aufwartung. Der Kurier beschreibt das Wirtschaftsforum als „die Leistungsschau der russischen Großindustrie und Hochfinanz“ und bezeichnet Kern als den „EU-Stargast“ in St. Petersburg. Auf einem Rundgang durch das Panoptikum der wieder erstarkten russischen Wirtschaft, so der Kurier, trifft Kanzler Christian Kern z.B. auf Gazprom-Chef Alexej Miller, einen der einflussreichsten Manager Russlands und wichtigsten Kooperationspartner der OMV.
In St. Petersburg kommt es auch zu einem Treffen mit Putin. Die Kleine Zeitung zitiert später den Kanzler so: „Wir sind auch überzeugt, dass wir diesen Weg nur dann fortsetzen können, wenn wir die Kooperation gerade auch mit Russland zum wirtschaftlichen Nutzen aller Beteiligten fortsetzen können“, sagte Kern. Er erteilte einer „Abschottungspolitik“, die gegen wirtschaftlichen Austausch über Kontinents- und Ländergrenzen auftrete, eine Abfuhr. Die russisch-europäischen und russisch-österreichischen Beziehungen seien nicht nur in der Geschichte wertvoll gewesen, sondern, so betonte der Bundeskanzler, würden auch in der Zukunft eine große Bedeutung haben.
Unter Ära Kern: Gazprom meldet gesteigerte Exporte nach Österreich
Gut ein Jahr zuvor gab es Medienberichte von einem Treffen von Kanzler Kern mit Gazprom Chef Aleksej Miller am 11. Oktober 2016 in Wien . Gesprächsinhalt des „Arbeitstreffens“ waren laut Berichte: „Gespräche über die russisch-österreichische Zusammenarbeit am Gassektor, Nord-Stream-2 und Vermögenstausch mit der OMV.“ Zusätzlich heißt es „Gazprom steigerte Exporte nach Österreich“ und „Miller und Kern hätten die russisch-österreichische Zusammenarbeit am Gassektor äußerst positiv bewertet“.
Von Kritik oder Distanzierung keine Rede. Geschäfte mit Russland werden gutgeheißen, Deals vorangetrieben und weiter Öl und Gas in großen Mengen nach Österreich importiert.
Fischer ebenfalls um Russland Geschäfte bemüht
Nicht nur die Regierungen der vergangenen 50 Jahren bemühten sich um Deals, Gas und Öl mit Moskau. Auch Heinz Fischer, Sozialdemokrat seit Jugendtagen und Bundespräsident von 2004-2016, bemühte sich – wie schon als Präsident des Nationalrats – um ein gutes Klima für Energielieferungen aus Russland. Russlands Präsident Putin und Fischer trafen sich mehrmals. Bei einem Besuch im Mai 2007 in Wien versicherte Putin dem Bundespräsidenten, dass die Lieferung von russischem Gas nach Österreich langfristig gesichert seien und die bis 2027 laufenden Verträge mit österreichischen Partnern eingehalten würden.
Kein Widerspruch von Fischer, der in gleicher Pressekonferenz meinte, dass beim Treffen alle Fragen von gemeinsamem Interesse angesprochen wurden. Er sprach von einem „offenen, ehrlichen und fairen Gespräch“ mit Putin. Auch die Bilder, als Fischer gegen Ende seiner Amtszeit als Bundespräsident Putin regelrecht hofierte und den russischen Präsidenten geradezu umgarnte, sind bekannt.