Regierung

Ausreichende Gasreserven: Mehr Budget und schärferes Gesetz

Österreich hat ausreichend Speicherkapazitäten, nun sollen die Speicher stärker befüllt werden. Dafür stehen mehr Budgetmittel und neue gesetzliche Regelungen bereit. Foto: RAG/Haidach

Der Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine und der offene Einsatz von Energielieferungen als Waffe verdeutlicht Österreichs weitreichende Abhängigkeit von Energieimporten aus Russland. Daher wurden für die umfangreichere Bevorratung am Mittwoch im Ministerrat und am Donnerstag im Nationalrat weitere Beschlüsse getroffen: Die Regierung erhält die rechtlichen und finanziellen Mittel, um Gas einkaufen und einlagern zu lassen. Mit den zusätzlichen Vorkehrungen im Gaswirtschaftsgesetz ist Österreich für den Winter gut gerüstet, erklärte Bundeskanzler Karl Nehammer vor dem Nationalrat.

 

Wegen der außerordentlichen Bedeutung präsentiert Zur-Sache in Auszügen den Ministerratsvortrag, der gesamte ist auf der Seite des Bundeskanzleramts dokumentiert.

 

Abhängigkeit schadet Betrieben und Familien

Diese Abhängigkeit von Gasimporten aus Russland „schadet unseren Betrieben und belastet viele Familien“ heißt in dem Vortrag an den Ministerrat von Finanzminister Magnus Brunner und Klimaministerin Eleonore Gewessler.

Aus diesen Gründen stärkt die Bundesregierung die Widerstandsfähigkeit Österreichs im Fall einer Unterbrechung der Lieferungen von russischem Erdgas.

Durch die Befüllung der Erdgasspeicher wird dafür Sorge getragen, dass auch im Falle eines plötzlichen Lieferstopps niemand in Österreich frieren muss und die überlebenswichtigen Bereiche der Wirtschaft weiterhin arbeiten können.

Ziel der österreichischen Bundesregierung ist es, die österreichischen Erdgasspeicher vor Beginn der kommenden Heizsaison bestmöglich, zumindest aber zu 80 % gefüllt sind. Diesem Ziel ist Österreich bereits ein gutes Stück nähergekommen: Der Speicherstand in den österreichischen Erdgasspeichern ist stark ansteigend. Für Gesamtösterreich beträgt er per 17. Mai 2022 bei 24,9 TWh, das sind 26,1 % der gesamten österreichischen Speicherkapazität.

Eine Erläuterung dazu gab Bundeskanzler Karl Nehammer am Mittwoch nach dem Ministerrat vor dem Plenum des Nationalrats: In einem kalten Jänner verbrauche Österreich über 10 Terrawattstunden (TWh) an Erdgas, in einem durchschnittlichen Sommermonat hingegen 4,6 TWh. Werde als die Reserve von 10 auf 20 Terrawattstunden erhöht, sei Österreich für den nächsten Winter gut gerüstet.

Um die Füllung der österreichischen Gasspeicher weiter zu beschleunigen und die Unabhängigkeit von Russland zu stärken, bringt die Bundesregierung folgende Maßnahmen auf den Weg:

 

Strategische Erdgas-Reserve als Sicherungsnetz

Der Gesetzgeber hat im Rahmen einer Novelle des Gaswirtschaftsgesetzes in § 18a ff die gesetzliche Grundlage für die Bevorratung einer strategischen Gasreserve von rund 12,6 TWh (durchschnittlicher Jännermonat) verankert.

Diese Gasreserve wird im Rahmen eines marktbasierten, transparenten, nichtdiskriminierenden und öffentlichen Ausschreibungsverfahrens beschafft und durch den Bundeshaushalt bedeckt.

Die Bundesregierung kann die Höhe der strategischen Gasreserve mit Verordnung anpassen. Die Verordnung bedarf der Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrates. Durch die Einführung dieser Maßnahme lagert der Staat Österreich durch den Verteilergebietsmanager erstmals selbst Gasreserven ein. Die strategische Gasreserve ist ein flexibler Schutzschirm, deren Umfang durch zusätzliche Beschaffung noch weiter gestärkt wird und auch für die Diversifizierung der österreichischen Energieversorgung beitragen kann.

In einem weiteren Schritt soll die Gasreserve um 7,4 TWh auf insgesamt 20 TWh aufgestockt werden. Damit wäre der gesamte Gasverbrauch von zwei Wintermonaten abgedeckt. Angesichts der großen Abhängigkeit Österreichs vom russischen Gas ist es dringend notwendig, für eine weitgehende und bestmögliche Diversifikation der Gasversorgungsquellen zu sorgen. Die zusätzliche Menge der strategischen Reserve soll daher – unter Berücksichtigung der Verfügbarkeit am Markt – aus nicht-russischen Quellen stammen.

 

Speicherkapazitäten nützen oder weitergeben (Use-it-or-lose-it)

Speichernutzer werden verpflichtet, ungenutzte Speicherkapazitäten anzubieten oder zurückzugeben. Das ermöglicht es anderen Unternehmen, darauf zuzugreifen und die Speicher zu befüllen. Bleiben Speicherkapazitäten systematisch ungenutzt, so sind diese durch das Speicherunternehmen nach vorhergehender schriftlicher Ankündigung zu entziehen. Details zu den Verpflichtungen von Speichernutzern und Speicherunternehmen sind mit Verordnung durch die E-Control zu regeln.

Mit dieser Maßnahme soll verhindert werden, dass Speichernutzer aufgrund marktfremder Beweggründe ihre Speicher unbefüllt lassen. Ein diesbezüglicher Initiativantrag zur Änderung des GWG soll im Nationalrat eingebracht werden.

Die Energieagentur entwarf Möglichkeiten, Österreichs Gasimporte aus Russland bis 2027 zu ersetzen und die Importabhängigkeit bis 2030 zu verringern. Ministerrat und Nationalrat beschlossen diese Woche weitere Maßnahmen, um Gas zu bevorraten. Grafik: Österreichische Energieagentur

Die Energieagentur entwarf Möglichkeiten, Österreichs Gasimporte aus Russland bis 2027 zu ersetzen und die Importabhängigkeit bis 2030 zu verringern. Ministerrat und Nationalrat beschlossen diese Woche weitere Maßnahmen, um Gas zu bevorraten. Grafik: Österreichische Energieagentur

Anbindung aller Speicher an das österreichische Gasnetz

Sämtliche Speicheranlagen auf dem Hoheitsgebiet Österreichs sollen an das österreichische Leitungsnetz angeschlossen werden. Damit wird sichergestellt, dass alle österreichischen Speicher auch direkt an österreichische Kundinnen und Kunden liefern können. Für betroffene Speicheranlagen ist innerhalb von vier Monaten ab Inkrafttreten ein Antrag auf Netzzugang und Netzzutritt zu stellen. Auch diese Maßnahme erfordert eine Änderung des GWG, die diese Woche mittels Initiativantrag im Nationalrat eingebracht wird.

 

Eigeninitiatives Einspeichern für Großverbraucher unterstützen

Viele Unternehmen wollen in Wahrnehmung ihrer unternehmerischen Verantwortung für ihre eigenen Gasvorräte vorsorgen, haben aber Bedenken, dass das eingespeicherte Gas im Fall eines Lieferstopps im Wege der Energielenkung de facto enteignet wird. Durch eine Novelle des Energielenkungsgesetzes sollen die gesetzliche Rahmenbedingungen für eine Abgeltung von Vermögensnachteilen geschaffen werden, die aus einer Energielenkungsmaßnahme entsteht. Die bisher nur für Lenkungsmaßnahmen für feste und flüssige Energieträger geltende Entschädigungsregelung wird in den allgemeinen Teil des Gesetzes verschoben und damit auch für Lenkungsmaßnahmen im Bereich Elektrizität und Erdgas anwendbar gemacht.

Die erforderliche Novelle des Energielenkungsgesetzes soll bereits diese Woche im Nationalrat beschlossen werden.

Optionen für Ausgleichsenergie (Market Maker)

Um sicherzustellen, dass die Bilanz zwischen Gasaufbringung und Gasabgabe im Erdgasnetz immer ausgeglichen ist, gibt es die so genannte Ausgleichsenergie. Es werden jene Gasmengen gekauft oder verkauft, die der Markt- und Verteilergebietsmanager (MVGM) physikalisch in das Erdgasnetz einspeisen oder aus dem Erdgasnetz abgeben muss, um die Netzstabilität zu gewährleisten. Dieses Modell soll ausgebaut werden, damit im Fall einer Unterbrechung der Erdgaslieferungen aus Russland zusätzliche Ausgleichsenergiemengen vorgehalten werden.

Die erforderliche Novelle des Gaswirtschaftsgesetzes soll bereits diese Woche im Nationalrat beschlossen werden.

Das Zusammenwirken dieser unterschiedlichen Maßnahmen soll eine umfassende Einspeicherung in allen österreichischen Speichern sicherstellen und gleichzeitig zur Reduktion der Abhängigkeit von russischem Erdgas beitragen.