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Gewessler löst Anzeige, Kritik und Forderungen aus

Nach dem Alleingang von Klimaministerin Leonore Gewessler gegen die Entscheidung der Landeshauptleutekonferenz sieht Oberösterreichs LH Thoma Stelzer die Grenzen, der Kooperation mit ihr. Foto: Max Mayrhofer

Naturschutz okay – aber die Art und Weise, wie Klimaministerin Leonore Gewessler gegen Betroffene und Zuständige die EU-Renaturierungsverordnung durchdrückte, löst Kritik, Forderungen und eine Anzeige aus.

 

Problematische Regelungen

Die Renaturierungsverordnung ist ein zentralistisch angelegtes Regelwerk der EU, das auf 120 Seiten detailliert vorschreibt, welche Flächen der Nutzung zu entziehen und wieder herzustellen sind. Dies löst wegen der Vereinheitlichung über Europa und der zentralen Vorgabe aus Brüssel – bei grundsätzlicher Zustimmung zu Klima- und Naturschutz – teils erhebliche Bedenken aus. Über jene in Österreich hat sich Leonore Gewessler mit ihrer Zustimmung bei Rat der Umweltminister in Luxemburg hinweggesetzt. Das ergibt für Österreich sachliche Probleme und für Gewessler rechtliche Konsequenzen.

Wenn jeder EU-Staat – wie vorgesehen – rund 20 Prozent seiner Staatsfläche der Nutzung zu entziehen hat, entspricht dies für Österreich der Fläche des Bundeslandes Steiermark. Eine erste Analyse aus dem Landwirtschaftsministerium nennt die Folgen:

  • Neue Auflagen und neu Bürokratie
  • Weniger Flächen für die agrarische Produktion
  • Mehr Importe von Lebensmitteln aus dem Ausland
  • Höhere Preise für Lebensmittel
  • Beschränkung der Orts- und Stadtentwicklung, Verteuerung des Wohnraums
30.000 Stimmen gegen Bürokratie im Wald: Land&Forst-Betriebe. Foto: LFBÖ

30.000 Stimmen gegen Bürokratie im Wald: Land&Forst-Betriebe. Foto: LFBÖ

Naturschutz nach hinten, statt nach vorne

Nach Einschätzung von Forstfachleuten ist das Renaturierungsgesetz bezüglich der Wälder und des Baumbestandes verkehrt angelegt: Mit dem Klimawandel ändern sich die Bedingungen für Bäume, Österreichs klimafitte Wälder benötigen Baumarten, die resistenter sind etwa gegen Trockenheit. Die EU schreibt jedoch vor, überwiegend – seit Jahrzehnten – heimische Baumarten zu pflanzen. Dieser rückwärtsgewandte Naturschutz läuft der Anpassung der Baumarten an den Klimawandel zuwider.

 

Gemeinden verlangen Finanzierung durch Ministerium

Gemeinden und Länder haben wiederholt angemerkt, sie bräuchten etwa für Stilllegungen, für Rückbau und Wiederherstellung zusätzliche finanzielle Mittel. Teils für die Maßnahmen, teils für die Entschädigung der Eigentümer. Das hat Wiens Bürgermeister Michael Ludwig bestätigt.

Der Präsident des Gemeindebundes, Johannes Pressl, forderte eine 100-prozentige Finanzierung aller Maßnahmen durch das Klimaministerium. Drei Viertel der Gemeinden haben aktuell schon Probleme, ihren Haushalt zu stemmen. „Wir werden es nicht mehr zulassen, dass die Gemeinden für jede neue Maßnahme, die die EU, der Bund oder die Länder beschließen, automatisch auch die Finanzierung übernehmen. Das geht sich auf Dauer nicht mehr aus“, warnt Pressl.

Ersten Berechnungen zufolge kostet die geplante Renaturierung für Österreich etwas mehr als drei Milliarden Euro.

 

Problematische Vorgangsweise

Zu Kritik an den geplanten Maßnahmen kommen noch Kritik und Ablehnung der Vorgangsweise von Gewessler. Sie hat sich über einen Beschluss der Landeshauptleute hinweggesetzt, weswegen etwa Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer eine künftige Regierungszusammenarbeit mit ihre ablehnt.

Die ÖVP hat unterdessen gegen Gewessler eine Anzeige eingebracht, denn „der Verdacht liegt nahe, dass der Straftatbestand ‚Missbrauch der Amtsgewalt‘ gemäß § 302Strafgesetzgebuch erfüllt ist“. Gewesslers Zustimmung gegen sei gegen innerstaatliches österreichisches Recht zu Unrecht erfolgt und verstoße somit gegen verfassungesetzliche und einfachgesetzliche Vorgaben.

Franz Fischler: viele offene Fragen im EU-Gesetz zur Renaturierung (Screenshot KroneTV)

Franz Fischler: viele offene Fragen im EU-Gesetz zur Renaturierung (Screenshot KroneTV)

Ex-Kommissar Fischler sieht „viele Probleme“

Der frühere EU-Kommissar Franz Fischler kritisiert in der Krone und in KroneTV sowohl die Renaturierungsverordnung als auch Gewesslers Vorgangsweise: „Ich habe mit diesem Gesetzesentwurf viele Probleme. Er ist nicht gut gemacht und enthält offene Eigentumsfragen und finanzielle Konsequenzen.“

 

Gewessler lieferte „schlechten Präzedenzfall“

Einen Rechtsbruch durch Gewessler sehen auch ihre Regierungskollegen, Außenminister Alexander Schallenberg und Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig, weil Gewessler gegen innerstaatliche Willensbildung gestimmt habe: Gewessler hat einen „sehr schlechten Präzedenzfall“ geschaffen, sagte Schallenberg.

Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes hat detailliert dargelegt, dass der Beschluss der Landeshauptleute die Klimaministerin bindet. Sie hat sich darüber hinweggesetzt und steht damit auf „dünnem Eis“, wie Europarechtler Walter Obwexer der Universität Innsbruck in der Tageszeitung Die Presse erklärten.

 

Gemeinden wollen Mitsprache und Information

Für die Gemeinden geht es dann um die konkrete Umsetzung, um die Mitsprache der Bürger und die Verfügbarkeit der Daten.

Dazu meint Pressl: „Ich wünsche mir, dass sich all diejenigen, die jetzt aus ‚sicherer Entfernung‘ entschieden haben, bei den Folgediskussionen auch vor die Bürger vor Ort hinstellen, wenn es dann um Rückbauten, Grundinanspruchnahmen oder Einschränkung von Rechten geht.“

Gleichzeitig fordert der Gemeindebund-Chef, die Gemeinden von Beginn an in die nationalstaatliche Umsetzung einzubinden. „Das ist im EU-Beschlusstext nicht vorgesehen, für uns aber entscheidend“, so Johannes Pressl. Und bezüglich der Daten will Pressl eine einheitliche Bereitstellung zur Verarbeitung in den GIS-Systemen sowie eine kostenfreie Nutzung für die Gemeinden.

Nach dem Alleingang von Klimaministerin Leonore Gewessler gegen die Entscheidung der Landeshauptleutekonferenz sieht Oberösterreichs LH Thoma Stelzer die Grenzen, der Kooperation mit ihr. Foto: Max Mayrhofer
Nach dem Alleingang von Klimaministerin Leonore Gewessler gegen die Entscheidung der Landeshauptleutekonferenz sieht Oberösterreichs LH Thoma Stelzer die Grenzen, der Kooperation mit ihr. Foto: Max Mayrhofer