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Österreichische Identität: So geht Leitkultur

Rechtliche Normen und gesellschaftlich anerkannte Regeln ergeben die Leitkultur für Österreich erklärt Johannes Klotz, Sozial- und Datenwissenschafter des OGM, bei der Präsentation erster Ergebnisse des Expertenrates im Bundeskanzleramt. Fotos: Bka / Regina Aigner

Österreich hat Werte und Kultur – und diese müssen etwa Asylwerbern und Asylberechtigten vermittelt werden, damit die erforderliche Integration und das Zusammenleben gelingen. Um für Integrationskurse aber auch für Schulen klar zu machen, worum es bei Werten geht, startete Integrationsministerin Susanne Raab im März einen umfassenden Prozess zur österreichischen Identität und Leitkultur. Mit Wissenschaftlern präsentierte sie erste Ergebnisse.

 

Elemente der Leitkultur

Um österreichische Identität und Leitkultur vermitteln zu können, muss klar bekannt und formuliert sein, worin sie besteht. Genau das leistet ein wissenschaftliches Forschungsprojekt, über dessen erste Ergebnisse der Demograf und Datenwissenschaftler Johannes Klotz (OGM) und der Sozialwissenschaftler Wolfgang Mazal (Universität Wien) berichteten.

Integration steht, wie Klotz bekräftigte, auf drei Säulen:

  • Sprachkenntnis
  • Arbeit
  • Werten und Normen

Der dritte Bereich, also die Werte und Normen, umfasst

  1. Gesetze und Verordnungen;
  2. Sozial allgemein anerkannte Regeln, also Sitte, Anstand, übliches Verhalten (Konvention), Tugenden;
  3. Individuelle Lebensstile.

Der erste und der zweite Regelbereich ergeben die Leitkultur. Das sind die rechtlich festgelegten Werte und sozial akzeptierten Regeln, die erst die Grundlage dafür bilden, dass der dritte Bereich – die individuellen Lebensstile – gelegt und gepflegt werden können.

Aus den Recherchen und den Gesprächen  zeigt sich, laut Klotz, dass es „innerhalb der zugewanderten Bevölkerung sehr starke Unterschiede im Verständnis Werten und von Normen bestehen“. Die Unterschiede ergeben sich aus den verschiedenen Herkunftsländern, aber auch aus unterschiedlichen Regionen, etwa städtischen oder ländlichen.

Eine volle Breite an Wahlappellen werden an die Öffentlichkeit gerichtet: Am 9. Juni wählt Österreich die nächsten Mitglieder des Europäischen Parlaments. Die Landes- und die Teilorganisationen der ÖVP argumentieren intensiv für das Team. Bild: Aufruf an der Demokratie und Parlament, Träger der Leitkultur. Foto: Michael Buchner

Demokratie und Parlament, Träger der Leitkultur. Foto: Michael Buchner

Wertekonflikte über Familie und Religion

In zwei Bereichen sind verstärkte Wertekonflikte zu beobachten, so Klotz:

Welche Rolle hat die Familie? Wie erfolgt die Rollenverteilung zischen den Geschlechtern? Bei welchem Ehepartner bleiben im Scheidungsfall die Kinder? Klotz dazu: Viele Zuwanderer kommen aus Kulturkreisen, in denen es selbstverständlich ist, dass die Kinder immer beim Vater sind, „was die österreichischen Familiengerichte nicht immer so sehen“.

Welche Rolle spielt Religion im öffentlichen Raum? Religionsfreiheit ist zwar ein Grundrecht, aber es löste Konflikte aus, wenn eine Arbeit oder eine Schulstunde wegen eines Gebets unterbrochen werden. Dazu hat ein Höchstgericht in Straßburg in einem Schweizer Fall entschieden, dass die Schulpflicht gegenüber der Religionsfreiheit den Vorrang hat.

Neue Auflage von Zusammenleben in Österreich: Elisabeth Wenger-Donig, Gruppenleiterin für Asyl/Migration/Grundversorgung im BMI

Neue Auflage von Zusammenleben in Österreich: Elisabeth Wenger-Donig (BMI)

Leitkultur formulieren

Wenn Österreich seine Leitkultur durchsetzen wolle, dann müsse diese klar formuliert werden, folgert Klotz. Denn alleine die Anwesenheit eines Asylwerbers in Österreich ist keine Garantie dafür, dass Normen und Werte erkannt und übernommen werden.

Es geht eben um Normen und nicht um persönliche Vorlieben, die jedermann und jederfrau unbenommen sind, wie Mazal erläuterte. Werte würden ausdrücken, was uns wichtig ist. Das beginnt bei der Verfassung und führt bis zum Kulturbegriff, also der Antwort auf die Frage, wie gutes Zusammenleben möglich ist. Dies alles erfordert Nachdenken, so Mazal, denn „wir alle wollen Menschen, die reflektiert übernehmen und anerkennen können, was die Rechtsordnung sagt und was der Gesellschaft wichtig ist.

Dazu gehören laut Mazal:

  • Achtung vor staatlichen Normen und Organen,
  • Respekt in der Begegnung mit Anderen,
  • Respekt gegenüber anderen Meinungen,
  • Bereitschaft und Fähigkeit zum Diskurs,
  • Absage an Dominanzverhalten,
  • Bejahung von Eigenverantwortung,
  • Bereitschaft zu Solidarität,
  • Bekenntnis zu Engagement,
  • Akzeptanz von Brauchtum,
  • Offenheit gegenüber Neuem.

Diese Erfahrungen und Erkenntnisse aus der bisherigen wissenschaftlichen Arbeit sind in das Regelwerk Zusammenleben in Österreich eingeflossen. Zu den bisherigen Schwerpunkten wurden Gleichberechtigung der Geschlechter und Kampf gegen den Antisemitismus neu eingebaut, wie Raab erläuterte.

olfgang Mazal: Achtung vor Normen, Respekt in der Begegnung mit anderen

Wolfgang Mazal: Achtung vor Normen, Respekt in der Begegnung mit anderen

Kurs für Staatsbürgerschaft

Die Integrationskurse sollen künftig mit einer Prüfung abgeschlossen werden, schlägt Raab vor. Und sie fordert eine weitere Neuerung: Der schon jetzt vorgesehenen Staatsbürgerschaftsprüfung sollte künftig ein verpflichtender Kurs zu Staatsbürgerschaft vorangehen. Menschen, die nach Österreich kommen, sollten die Sete, Sitten, Gebräuche und Traditionen kennen und respektieren, fordert Raab: „Ich halte das für total selbstverständlich. Das ist doch etwas, was wir machen, wenn wir uns in einem anderen Land niederlassen.“

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Rechtliche Normen und gesellschaftlich anerkannte Regeln ergeben die Leitkultur für Österreich erklärt Johannes Klotz, Sozial- und Datenwissenschafter des OGM, bei der Präsentation erster Ergebnisse des Expertenrates im Bundeskanzleramt. Fotos: Bka / Regina Aigner
Rechtliche Normen und gesellschaftlich anerkannte Regeln ergeben die Leitkultur für Österreich erklärt Johannes Klotz, Sozial- und Datenwissenschafter des OGM, bei der Präsentation erster Ergebnisse des Expertenrates im Bundeskanzleramt. Fotos: Bka / Regina Aigner