News
Zehetner: Brücken bauen zwischen politischen Zielen und unternehmerischer Realität

Elisabeth Zehetner wurde Anfang März 2025 von Bundespräsident Alexander Van der Bellen als neue Staatssekretärin. Sie wird im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft für die Bereiche Start-ups, Energie und Tourismus zuständig sein. Zur-Sache hat mit Zehetner über ihre neue Aufgaben gesprochen.
Frau Staatssekretärin, Sie waren eine der großen personellen Überraschungen bei der Präsentation des neuen Regierungsteams. Was hat Sie bewegt, den Schritt in die Bundespolitik zu setzen und nun an vorderster Front für Österreich zu arbeiten?
Elisabeth Zehetner: In den vergangenen drei Jahren habe ich mich intensiv mit dem Thema Energie auseinandergesetzt – Innovation und Startups begleiten mich bereits seit über zwei Jahrzehnten. Als ich gefragt wurde und das Portfolio näher kennenlernte, war mir sofort klar: Passender könnte es für mich kaum sein. Deshalb habe ich sehr gerne zugesagt. Es ist für mich eine große Ehre, einen Beitrag zur Umsetzung leisten zu dürfen. Man könnte sagen: Die Aufgabe verbindet meine Erfahrung mit meiner Überzeugung.
Sie bringen viel Erfahrung von außen mit. Was glauben Sie, welche „Skills“ könne Sie aus ihren bisherigen Tätigkeiten in den politischen Betrieb einbringen?

Erste Begegnung im Rat für Energie und Transport: die polnische Ratsvorsitzende, Paulina Hennig-Kloska, im Gespräch mit Zehetner. Foto: EU
Zehetner: Gerade in den letzten drei Jahren habe ich mich ganz bewusst als konstruktive Stimme eingebracht – als Korrektiv zu einer Energiepolitik, die oft zu ideologisch gedacht war. Ich habe mich für mehr Pragmatismus eingesetzt, für mehr Vernunft und weniger Dogmatismus. Denn für mich ist klar: Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und leistbare Energie – das sind Grundpfeiler, über die man nicht diskutieren kann. Die müssen einfach gegeben sein. In dieser Zeit habe ich einiges an Erfahrung gesammelt, das ich jetzt auch in den politischen Betrieb einbringen kann. Ich verfolge einen technologieoffenen Zugang – weil ich überzeugt bin, dass nicht Verbote, sondern Innovationen die Energiewende wirklich voranbringen. Dafür braucht es Rahmenbedingungen, die Neues ermöglichen, statt Fortschritt zu blockieren. Ich habe außerdem ein tiefes Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge – gerade wenn es um Innovation, Start-ups und Standortpolitik geht. Ich weiß, wie wichtig es ist, die Wirtschaft zu stärken, nicht sie mit immer neuen Auflagen auszubremsen. Und ich habe gelernt, wie wichtig der Tourismus als verlässlicher wirtschaftlicher Faktor in vielen Regionen ist. Auch hier braucht es Politik, die Wachstum ermöglicht – und nicht durch Ideologie verhindert.
Ich verfolge einen technologieoffenen Zugang – weil ich überzeugt bin, dass nicht Verbote, sondern Innovationen die Energiewende wirklich voranbringen. Dafür braucht es Rahmenbedingungen, die Neues ermöglichen, statt Fortschritt zu blockieren. (Elisabeth Zehetner)
Im Wirtschaftsministerium werden sie als Staatssekretärin vor allem für die Bereiche Bereiche Energie, Startups und Tourismus zuständig sein. Alle drei Bereiche stehen vor unterschiedlichen Herausforderungen. Wie möchten Sie Ihre Arbeit insgesamt anlegen?
Zehetner: Für mich steht eines ganz klar im Mittelpunkt: der enge Austausch mit den Branchen und den Menschen, die in diesen Bereichen tagtäglich Verantwortung tragen – sei es in der Energiewirtschaft, in Start-ups oder im Tourismus. Ich möchte Politik gestalten, die wirkt – und zwar im besten Sinne: praxistauglich, nachvollziehbar und mit spürbarem Nutzen für die Betroffenen. Ein großer Kritikpunkt, den ich in den letzten Jahren immer wieder gehört habe, war, dass Entscheidungen oft an den Realitäten der Betroffenen vorbeigegangen sind. Dass Gesetze, Verordnungen oder Fördermodelle gemacht wurden, ohne die Perspektive jener einzubeziehen, die am Ende damit arbeiten müssen. Das möchte ich anders machen. Mir ist wichtig, zuzuhören, hinzuschauen und gemeinsam mit den relevanten Akteuren Lösungen zu erarbeiten, die tragfähig sind – wirtschaftlich, ökologisch und gesellschaftlich. Ich will Brücken bauen zwischen politischen Zielen und unternehmerischer Realität. Nur so entsteht eine Politik, die nicht nur gut gemeint, sondern auch gut gemacht ist.
Der Tourismus steht oft unter einem negativen Ruf, dennoch zeichnet sich die Branche durch eine gewisse Krisenresistenz und als stabiler Anker in der aktuellen Wirtschaftskrise aus. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Herausforderungen, vor denen der Tourismus steht.

Für Technologiefreiheit: Christian Helmenstein (Economica), E. Zehetner und Klaus von Moltke (BMW) präsentierten 2024 Automotive-Studie
Zehetner: Die größte Herausforderung liegt für mich klar im Arbeitsmarkt. Wir brauchen mehr Fachkräfte, bessere Rahmenbedingungen und insgesamt mehr Wertschätzung für die Arbeit im Tourismus. Dazu zählt auch, dass wir das Saisonnier-Kontingent erhöhen – von aktuell 4.800 auf 5.500 – und ab Herbst zusätzlich 2.500 Arbeitskräften aus Nicht-EU-Staaten des Westbalkans Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen. Aber Zahlen allein reichen nicht: Es geht auch darum, die Arbeitsbedingungen weiter zu verbessern – etwa durch mehr Kinderbetreuungsangebote, flexiblere Arbeitszeiten und bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Gleichzeitig müssen wir dafür sorgen, dass die Beschäftigten in der Branche bleiben. Die hohe Zahl an Berufsaussteigern ist alarmierend – und hier braucht es gezielte Maßnahmen: bessere Ausbildung, moderne Arbeitsumfelder, Digitalisierung und effizientere Prozesse, die den Kostendruck verringern und gleichzeitig die Attraktivität des Berufsbildes erhöhen. Letztlich geht es um mehr als nur den Tourismus – es geht um eine Kultur der Leistungsbereitschaft in Österreich. Denn nicht nur im Tourismus, auch in Pflege und vielen anderen Bereichen brauchen wir Menschen, die bereit sind, auch abends, an Wochenenden oder zu besonderen Zeiten zu arbeiten. Dafür braucht es Anerkennung, gute Bedingungen – und eine Politik, die das möglich macht.
Wenn wir wollen, dass Start-ups nicht nur in Österreich gegründet, sondern auch hier erfolgreich skaliert werden, brauchen wir eine stärkere Kapitalmarktunion auf europäischer Ebene. Das ist auch ein klares Ziel im Regierungsprogramm – und dafür werde ich mich mit voller Überzeugung einsetzen. (Elisabeth Zehetner)
Start-ups werden in unseren Breitenkreisen immer noch anders behandelt als die Szene in den Vereinigten Staaten. Was wollen sie tun, um Startups in Zukunft noch attraktiver zu machen?
Zehetner: Die Finanzierung von Start-ups ist für mich eine zentrale Priorität. Es gibt in Österreich genug privates Kapital – wir müssen es nur klug mobilisieren. Investitionen in Innovation müssen attraktiver werden. Ein zentraler Hebel ist der geplante Dachfonds, der mehr Venture Capital nach Österreich bringen und gleichzeitig den Standort für Fondsmanager interessanter machen kann. So schaffen wir ein dynamischeres Ökosystem für Wachstum und Innovation. Gleichzeitig dürfen wir nicht an den Landesgrenzen stehen bleiben: Wenn wir wollen, dass Start-ups nicht nur in Österreich gegründet, sondern auch hier erfolgreich skaliert werden, brauchen wir eine stärkere Kapitalmarktunion auf europäischer Ebene. Das ist auch ein klares Ziel im Regierungsprogramm – und dafür werde ich mich mit voller Überzeugung einsetzen. Und nicht zuletzt: Wir müssen unternehmerisches Denken viel stärker in der Bildung verankern – vom Kindergarten bis zur Hochschule. Gründen soll als echte Karriereoption sichtbar und greifbar werden. Denn wer früh versteht, was unternehmerisches Handeln bewirken kann, wird später auch mutiger, innovativer und gestaltender auftreten.
Sie hatten bereits in Brüssel Ihren ersten Auftritt beim Energie-Rat. Die Situation am Energiemarkt ist besonders für Konsumenten und Unternehmen unsicher. Was hat sich die Bundesregierung bei diesem Thema vorgenommen?
Zehetner: Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Energieversorgung sicherer, leistbarer und planbarer zu machen – für Haushalte wie für Unternehmen. Eine schnelle und spürbare Entlastung bei den Energiekosten ist dabei essenziell, um die Inflation zu dämpfen und unsere Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Ein zentrales Vorhaben ist die Überprüfung des Strompreisbildungsmechanismus, um die starke Kopplung an den Gaspreis zu lösen. Wir setzen auf langfristige Stromlieferverträge – sogenannte PPAs – und andere Preissicherungsinstrumente, die Stabilität schaffen. Gleichzeitig ist klar: Die großen Herausforderungen lösen wir nur gemeinsam auf europäischer Ebene. Der vollständige EU-Energiebinnenmarkt ist dabei ein Schlüssel. Er sorgt nicht nur für mehr Versorgungssicherheit, sondern kann auch die Strompreise deutlich senken. Österreich wird dabei als Transitland eine wichtige Rolle spielen. Darüber hinaus wollen wir Europas Einkaufsmacht beim Gaseinkauf besser nutzen – etwa durch koordinierte LNG-Beschaffung – und gleichzeitig den Umstieg auf grünen Wasserstoff aktiv mitgestalten. Und zuletzt: Wir brauchen massive Investitionen in erneuerbare Energien, Wasserstoff, Netze und Speicher. Dazu gehört auch, Beihilferegeln zu lockern und Genehmigungen zu beschleunigen – damit Innovation schneller Wirkung entfalten kann.
