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So erklärt ÖVP-Chef Stocker das Ende der Verhandlungen mit FPÖ

Nach 34 Tagen endeten die Verhandlungen von ÖVP und FPÖ über eine mögliche Koalition ohne Ergebnis. Wie kam es dazu? Hier die Erklärung von Christian Stocker, geschäftsführender Parteiobmann und Verhandlungsführer der ÖVP, in einem öffentlichen Statement am 12. Februar 2025 nachmittags in der Bundespartei in Wien.
Schwierige Zeiten, schwierige Verhandlungen …
Es ist heute ein ereignisreicher Tag in der Innenpolitik. Und seit dem Ergebnis der Nationalratswahl im September des Vorjahres erleben wir sehr schwierige politische Zeiten und mehr als schwierige Verhandlungen zur Bildung einer neuen Bundesregierung. Vom Ergebnis der Nationalratswahl ausgehend haben wir uns über drei Monate bemüht, mit der SPÖ und auch mit den NEOS eine Regierung und eine Mehrheit zu finden.

Christian Stocker: Es gibt unverhandelbare Grundlagen
… aber auch gute Ergebnisse
Es war ein Prozess, den viele kritisiert haben, der aber auch viele gute Ergebnisse gebracht hat. Nachdem sich allerdings zuerst die NEOS aus den Verhandlungen zurückgezogen haben, konnten wir unsere Bemühungen um eine Koalition zu dritt nicht mehr fortsetzen. Wie Sie wissen, war in der Folge auch mit der SPÖ keine Einigung möglich.
Änderung aus Verantwortung
Daraufhin hat die Volkspartei und habe auch ich persönlich eine Änderung vorgenommen, die sehr schwierig war. Aber wir wollten für Österreich eine handlungsfähige Regierung finden, die dieses Land auch dringend braucht.

Bundeskanzler und Außenminister Alexander Schallenberg führt Amtsgeschäfte und Bundesregierung während der Verhandlungen über eine neue Bundesregierung. Foto: Bka
Kickls Einladung als unfreundlich empfunden
Daher haben wir uns, nachdem Herbert Kickl vom Bundespräsidenten den Regierungsbildungsauftrag erhalten hat, den Verhandlungen mit der FPÖ auch nicht verschlossen. Das, obwohl wir die Einladung, die wir von Herbert Kickl bekommen haben, durchaus als unfreundlich empfunden haben. Wir haben sie trotzdem angenommen aus Verantwortung für dieses Land und für die Menschen in diesem Land, die sich eben dringend eine neue handlungsfähige Regierung verdient haben.
Verhandlungen ehrlich und konstruktiv geführt
Wir haben daher in den vergangenen Wochen intensiv mit der Freiheitlichen Partei verhandelt, um eine Einigung zu finden zur Bildung einer Bundesregierung. Wir haben als Volkspartei und auch ich persönlich zu jeder Zeit diese Verhandlungen ehrlich und konstruktiv geführt. Wir haben engagiert daran gearbeitet, eine Mitte-Rechtsregierung für Österreich zu bilden.
ÖVP hat sich bewegt
Wir haben uns dabei auch deutlich auf die Freiheitliche Partei zubewegt, indem wir grundsätzlich in diese Verhandlungen eingetreten sind, indem wir bereit waren, einen Kanzler Herbert Kickl zu akzeptieren, wenn wir eine Einigung finden und indem wir in vielen Bereichen auch über unseren eigenen Schatten gesprungen sind.
Voraussetzungen klargemacht
Schon zu Beginn der Verhandlungen habe ich allerdings die Grundvoraussetzungen klargemacht, die für eine Regierungszusammenarbeit aus unserer Sicht notwendig und unabdingbar sind. Nämlich ein souveränes Österreich, das frei von ausländischer Einflussnahme bleibt, insbesondere einer Einflussnahme aus Russland.

Raketenwerfer der deutschen Firma Diehl als Teil der europäischen Initiative Sky Shield. Foto: Diehl
Sicherheit – Grundlagen sind unverzichtbar
Das bedeutet sowohl Sicherheit im Inneren durch einen konsequenten Asylstop, als auch Sicherheit im Äußeren durch den Drohnen- und Raketenschutzschirm SkyShield. Ein starkes Österreich in Europa, das ein verlässlicher Partner in der Europäischen Union bleibt, für Wohlstand, Frieden und Sicherheit in unserem Land. Ein wehrhafter Rechtsstaat, der unsere Demokratie schützt und entschlossen gegen jede Form von Extremismus vorgeht, sei es von rechts, von links oder religiös motiviert. Diese Grundvoraussetzungen sind keine leeren Phrasen, sondern unverzichtbar für die Bildung einer österreichischen Bundesregierung.
Internationale Kooperation sichern
Das heißt, wir wollen Sicherheit für die Menschen im Land. Die Zusammenarbeit mit den internationalen Nachrichtendiensten darf nicht gefährdet sein. Diese Zusammenarbeit ist auch notwendig, um Terroranschläge, wie sie beim Taylor Swift-Konzert geplant waren, hintanzuhalten. Wir wollen den Wohlstand ausbauen, die Arbeitsplätze sichern und keine Abschottung unseres Landes durch eine Festung Österreich.
Österreich als verlässlicher Partner
Wir wollen ein konstruktiver, verlässlicher Partner in der Europäischen Union sein und in unseren internationalen Beziehungen auch pflegen, fortsetzen und ausbauen, weil das für die Wirtschaft, den Wohlstand und die Sicherheit dieses Landes notwendig, vorteilhaft und unerlässlich ist. Für uns war immer klar, dass es ein Bekenntnis der Freiheitlichen Partei zu diesen Grundvoraussetzungen braucht und gleichzeitig müssen sich diese Grundlinien in der Kompetenzverteilung einer neuen Bundesregierung natürlich widerspiegeln.

Wer sitzt mit welchem Kompetenzen auf der Regierungsbank im Parlament? Foto: Ulrike Wieser
Keine Einigung bei Zuständigkeiten
Im Laufe der Verhandlungen wurde deutlich, dass wir mit Herbert Kickl keine Einigung darüber erzielen konnten, welche Partei welche Kompetenzen in einer neuen Regierung übernimmt. Wir hätten das aus unserer Sicht durchaus rasch lösen können, denn wir wollten uns bei dieser Kompetenzverteilung einerseits an den historischen Verteilungen bei anderen Wahlergebnissen in der Vergangenheit, wo wir durchaus auch Zweiter aus diesen Wahlen hervorgegangen sind, orientieren.
Orientierung an Stärke der Parteien
Wir wollten uns orientieren an der Stärke der Parteien aufgrund des Wahlergebnisses im Herbst und natürlich auch an der inhaltlichen Positionierung der Parteien. Wir haben auch auf den Tisch gelegt, wie wir diese Kompetenzverteilung in der Vergangenheit gemacht haben, als die Volkspartei in der Rolle des Juniorpartners war. Wir hatten in dieser Rolle in der Regel das Finanz- und das Innenministerium zu führen.
Forderungen nicht annehmbar
Die FPÖ hat allerdings nicht nur eines dieser beiden Ressorts zusätzlich zum Bundeskanzler beansprucht, sondern beide. Das war eine Forderung, die nicht annehmbar war, weil, und wir haben verschiedene Kompromissangebote der FPÖ unterbreitet, weil es uns nicht um Parteitaktik gegangen ist, sondern um die Interessen dieses Landes. Sonst hätten wir das Finanzministerium nicht anbieten dürfen und wir hätten beim Innenministerium durchaus gesprächsbereit sein können, wenn es nicht um die Sicherheit gegangen wäre.
Warnungen aus dem Ausland
Wie Sie wissen, spielt im Wirtschaftsbereich das Finanzministerium eine entscheidende Rolle, im Sicherheitsbereich das Innenministerium. Und wir haben der FPÖ als Kompromiss sogar angeboten, ein eigenes Migrations- und Asylministerium bzw. einen Staatssekretär zu etablieren. Wir haben zahlreiche Warnungen aus dem Inland, aber auch aus dem Ausland erhalten, dass die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste in Gefahr sei, wenn die Freiheitliche Partei den Innenminister stellt.
Teilen auf Augenhöhe
Es kommt für uns nicht infrage, dass wir die Sicherheit des Landes in Regierungsverhandlungen aufs Spiel setzen. Nur weil Herbert Kickl seinen Machtanspruch durchsetzen wollte und eine Partei mit etwas mehr als 28 Prozent wesentlicher Schlüsselressorts zusätzlich zum Bundeskanzler an sich ziehen wollte. Ein Unterschied von rund 2,5 Prozent im Wahlergebnis, das bedeutet für uns Teilen auf Augenhöhe, nicht nur was das Programm, die Inhalte und die Positionierungen betrifft, sondern auch, wenn es um die Kompetenzverteilung geht.
Interessen des Landes vorangestellt
Wir wollen uns vor Augen führen, die Volkspartei hat mit 1,3 Millionen Stimmen rund 120.000 Stimmen weniger erhalten als die Freiheitliche Partei. Das heißt, Herbert Kickl ist Erster in dieser Wahl, aber das rechtfertigt keinen Anspruch auf die gesamte Macht. Der Volkspartei ist es in diesen Verhandlungen um das Land und um die Menschen gegangen und wir haben daher die Parteiinteressen zurückgestellt und das Sicherheitsinteresse des Landes vorangestellt.
Wir sind auch unseren Grundsätzen treu geblieben, daher sind die Verhandlungen für eine Mitte an der Haltung von Herbert Kickl letztlich gescheitert.
Und viele werden sich fragen, wie geht es nun weiter? Jetzt ist einmal der Bundespräsident am Wort. Ich kann Ihnen nur versprechen, die Volkspartei war in der Vergangenheit bereit, Verantwortung zu tragen. Wir sind es selbstverständlich auch jetzt und in Zukunft.
Herbert Kickl ist aus der Rolle des Oppositionspolitikers nicht ausreichend in die Rolle eines Regierungschefs gewechselt. Es hat die Chance gegeben, die Freiheitliche Partei hätte diese Chance gehabt, dass sie den Kanzler in Österreich stellt. Sie wurde aber von Herbert Kickl nicht genützt.

Christian Stocker: Herbert Kickl (am 6. Jänner bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen) hat eine Chance gehabt – aber nicht genutzt.
