Bundesländer
Kommt der Wolf, verschwindet die Alm
Wölfe breiten sich im Alpenraum aus, brutale Angriffe auf Schafe, Rinder und Ziegen sind die Folge. Vor allem in den westlichen Bundesländern wird die Rückkehr der sogenannten Großen Beutegreifer zum Problem für die Landwirtschaft. Über 200 gerissene und verendete Tiere waren es alleine in Tirol seit Anfang dieses Jahres. Der Wolf ist längst kein alleiniges Problem der Bauernfamilien mehr, sondern wird zunehmend zur Belastung für den Tourismus und somit auch für die vielen Freizeitnutzer auf heimischen Almen.
Wolf-Meldungen häufen sich
‚Wolf riss erneut Schafe‘, ‚Almbauern ziehen Reißleine und bringen Tiere wieder ins Tal‘ – diese und andere beunruhigende Meldungen häufen sich, vor allem in den alpinen, westlichen Regionen Österreichs.
„Liebe Politiker, tut bitte alles, dass meine Schafe nicht vom Wolf gerissen werden“, bittet ein junges Mädchen Politiker um Hilfe, danach schließt sie sich ihrer Familie wieder an, die bei der Großdemonstration des Tiroler Bauernbundes in Innsbruck im Juli dabei war. Nur einen Tag später wurden ihre Schafe gerissen auf der Alm angefunden, so wird aus Tirol berichtet.
Die Sorgen der Landwirte sind klar: Der Wolf treibt seit einigen Jahren wieder ungehindert sein Unwesen auf heimischen Almen. Bauernfamilien müssen tatenlos zuschauen, wie ihre Schafe morgens nicht mehr da sind, weil Wölfe sich an der Herde vergangen haben.
Tierschutz ist ein Volksbegehren – Wolf darf keine Ausnahme darstellen
Tierschutz ist Gegenstand eines Volksbegehrens und gilt auch für das Vieh auf heimischen Almen und Weiden. Der Schutz und das Wohl der Rinder, Schafe, Ziegen und Pferde sowie die Almwirtschaft müssen gesichert werden. Es ist einerseits ein Naturgut und andererseits die Basis für Einkommen in der Landwirtschaft und im Tourismus. Daran besteht öffentliches Interesse, dieses muss auch nach Rückkehr der Großraubtiere gesichert werden.
Der hohe Standard im Tierschutz in Österreich gilt auch für das Alm- und Weidevieh. „Deshalb können wir nicht hinnehmen, dass Großraubtiere beliebig Tiere reißen, schwer verletzen und verschrecken. Die Entnahme von Problemwölfen muss daher möglich sein, um Tiere vor Wolfsangriffen zu schützen“, erklärt eine Sprecherin des Bauernbundes gegenüber Zur-Sache.
Kulturlandschaft bedroht
Die Angst der Bäuerinnen und Bauern in den von Wolfsrissen betroffenen Regionen ist groß. Allein in Tirol sind heuer bereits 200 Tiere Angriffen auf Almen zum Opfer gefallen. Auf Zur-Sache Nachfrage wird berichtet, dass viele Bauernfamilien überlegen, ihre Tiere gar nicht mehr auf die Alm oder Weide zu treiben. Einige Almbewirtschafter treiben die Herden frühzeitig ins Tal ab und müssen ihre Tiere wieder in den Stall zurückbringen.
Anstatt eines Almsommers verbringen die Tiere ihren Sommer am Hof. Die Futtergrundlage auf den Almen kann nicht genutzt werden, stattdessen müssen sich die Bauernfamilien darum bemühen, mehr Futter für die Tiere anzukaufen. „Oben auf den Almen wäre genug Futter, doch dort warten die Wölfe“, so die vorherrschende Meinung in Tirols Bauernschaft. Das Ausbleiben der Tiere auf heimischen Almen und Weiden hat gravierenden Einfluss auf unser Ökosystem und unsere Landschaft. „Werden unsere Almen nicht mehr bewirtschaftet, verlieren wir an Biodiversität und das hätte fatale Auswirkungen auf unsere Kulturlandschaft und in weiterer Folge auch auf den Tourismus“, so Bauernbund-Präsident Abg. z. NR DI Georg Strasser.
Wolf „längst nicht mehr vom Aussterben bedroht“
Tierschutz hört nicht bei der Stalltür auf. Eine Koexistenz von Wolf und Landwirtschaft braucht die Entnahme von Problemwölfen in Weideschutzgebieten. „Es ist wissenschaftlich belegt, dass ein wirksamer Herdenschutz in vielen Gebieten und Regionen Österreichs aus ökonomischen oder topographischen Gründen nicht möglich ist. Daher ist die Einrichtung eines wirksamen Herdenschutzes in Form von Weideschutzgebieten in besonders sensiblen und vulnerablen Gebieten notwendig. Nur so kann die Almwirtschaft in Österreich gesichert werden und als Basis für Einkommen in der Landwirtschaft, im Tourismus und in der Freizeitwirtschaft dienen“, erklärt Bauernbund-Chef Strasser gegenüber Zur-Sache weiter.
Längst ist der Wolf nicht mehr vom Aussterben bedroht, das zeigt die hohe Reproduktionsrate. Die heimische Wolfspopulation wird derzeit auf rund 50 Tiere geschätzt. Entwickelt sich diese Population ungehindert weiter, rechnen Experten in den nächsten 15 Jahren mit bis zu 500 Wölfen.
Folgen von Wolfs-Problematik auch für Tourismus „fatal“
Die Ausbreitung des Wolfes stellt die Land- und Forstwirtschaft, aber insbesondere die Alm- und Weidewirtschaft vor große Herausforderungen. Die steigende Stückzahl und das Entnahmeverbot für Wölfe bedeutet zwangsläufig eine Koexistenz der Landwirtschaft, des Tourismus und der Freizeitwirtschaft mit den zugewanderten Großraubtieren.
„Künftig muss man unter Umständen Touristen an der Hotelrezeption die Frage stellen: Sind Sie schon Mal einem Herdenschutzhund begegnet? Wenn nicht, dann rate ich Ihnen, die mit Herdenschutzhunden bewirtschaftete Alm lieber nicht zu bewandern“, schildert ein betroffener Landwirt den Konflikt zwischen Freizeitnutzern und Hirtenhunden.
Für Bauernbund-Präsident Strasser wiederum ist klar: Wenn die traditionelle Alm- und Weidewirtschaft in Gefahr ist, hat das vielfältige Auswirkungen und ist nicht nur Problem der Bauern. Können Nutztiere nicht mehr auf die Almen und Weiden aufgetrieben werden, verwildern diese und würden für den Tourismus nicht mehr attraktiv wirken. Die Folgen für die gesamte Branche und ihre Gäste, vom Urlauber bis zum heimischen Ausflugsgast sowie für die österreichische Bevölkerung wären fatal.
Viele Menschen fragen sich angesichts der aktuellen Problematik, was die Politik genau tun kann. Klar ist, dass für eine positive Bestandsentwicklung des Wolfes der hohe Schutzstatus, der Großraubtiere durch EU-Recht in der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) zugesichert wird, entscheidend ist. Das damalige Ziel war ein überlebensfähiger Wolfsbestand in Europa, dies wurde längst erreicht. Die EU plant jedoch nicht, den Schutzstatus des Wolfes in der FFH-Richtlinie zu verändern. Das EU-Recht ermöglicht die Entnahme von Problemwölfen in Ausnahmefällen. Daher muss der nationale Rahmen der Möglichkeiten voll ausgeschöpft werden. So geschah dies bereits Anfang Juli im Tiroler Landtag, hierbei wurden sogenannte Weideschutzgebiete geschaffen, in denen Problemwölfe entnommen werden dürfen.
Josef Geisler: „FFH-Richtlinie ist kein Evangelium“
Der Tiroler Landeshauptmann-Stellvertreter Geisler fordert abermals auch Bund und EU auf, zu handeln. „Wir sind im Korsett des EU-Rechtsrahmens, aber die FFH-Richtlinie ist kein unantastbares und unveränderbares Evangelium. Im Gegenteil stelle ich die Zeitgemäßheit der vor 30 Jahren festgelegten Richtlinie, in der der höchste Schutz für Raubtiere wie Wolf und Bär fest verankert ist, stark in Frage und fordere eine Überprüfung und Aktualisierung ein. Wir haben auf Landesebene nun alles umgesetzt, was rechtlich machbar ist. Jetzt muss auch Druck vom Bund auf die EU aufgebaut werden, damit es zu einer Überarbeitung dieser nicht mehr zeitgemäßen Richtlinie kommt“, so Josef Geisler.
Das Land Tirol hat mit der Novelle des Jagd- und Almgesetzes und der Schaffung eines Fachkuratoriums umgesetzt, was rechtlich möglich ist. Tirol geht beim Thema Großraubtiere nun weiter als alle anderen Bundesländer oder auch Südtirol. Auch wenn das rechtliche EU-Korsett ein enges ist, sollen mit einem umfassenden Paket Problemwölfe von heimischen Almen ferngehalten werden. Die Maßnahmen gehen von Herdenschutz bis hin zur Entnahme von Problemwölfen.
Debatte versachlichen und Experten urteilen lassen
Künftig wird in Tirol eine fachliche Kommission die Fallbeurteilung vornehmen. Die Debatte soll damit versachlicht werden. Denn die Beurteilung, ob ein Tier entnommen wird, ist keine politische Frage, sondern eine fachliche. Experten werden den Einzelfall beurteilen und beantworten. Nur mit einem klaren Regelwerk wird es möglich sein, unterschiedliche Interessen rund um den Wolf auszugleichen und unter einen Hut zu bringen.
Bauernbund-Präsident Strasser betont abschließend gegenüber Zur-Sache: „Ohne die Entnahme von Problemwölfen wird es in Zukunft keine Bewirtschaftung der Almen mehr geben.“