Europa- & Aussenpolitik

Riskiert EU mit falscher Wirtschaftspolitik die Deindustrialisierung?

Angelika Winzig warnt vor dem EU-Gipfel vor einer Deindustrialisierung durch eine falsche Wirtschaftspolitik Europas und Abwanderung von Unternehmen ins EU-Ausland. Foto: iStock/mustafaU

Im Vorfeld des gegenwärtigen EU-Gipfels der 28 Staats- und Regierungschefs warnt Angelika Winzig, ÖVP-Delegationsleiterin im EU-Parlament, vor einer drohenden Deindustrialisierung durch eine falsche Wirtschaftspolitik in Europa. Die EU laufe Gefahr, im globalen Wettbewerb den Anschluss zu verlieren. Mangelnde Attraktivität würde dazu führen, dass Unternehmen ihre Betriebsstätten in nicht-EU-Länder verlegen, warnt Winzig.

 

Stärken für Wettbewerb

„Es ist höchste Zeit, dass wir hier gegensteuern. Endlich hat die Europäische Kommission dafür unlängst eine Art Grundlage vorgeschlagen – nachdem die USA mit dem sogenannten Inflation Reduction Act vorgelegt hatte. Doch leider geht in diesem Vorschlag vieles in die falsche Richtung, hier liegt es an den Mitgliedstaaten, noch deutliche Korrekturen vorzunehmen“, erklärt die EU-Parlamentarierin.

Für Winzig darf die EU nicht auf eine Schuldenunion durch die Hintertür zusteuern. Stattdessen solle vielmehr die eigene Wettbewerbsfähigkeit erhöht werden. Nur so würde man den USA „eine selbstbewusste Antwort“ geben.

 

Hälfte des Wiederaufbaufonds noch nicht verwendet

Es sei der falsche Weg für die europäische Wirtschaftspolitk, wenn immer nur eine weitere und immer langfristigere gemeinsame Schuldenaufnahme in den Raum gestellt werde, sagt Winzig.

„Viel wichtiger ist es, die bestehenden Gelder zielgerichtet zu verwenden, die wir bereits beschlossen haben. Aus dem Wiederaufbaufonds steht noch fast die Hälfte der Mittel in Form von Krediten zur Verfügung. Das Geld muss jetzt rasch in Investitionen für Forschung und Entwicklung, Innovation sowie grüne Technologien fließen“, betont Winzig.

Darüber hinaus müsse die EU den Mitgliedsstaaten bei der Unterstützung ihrer Betriebe mehr Flexibilität gewähren. Allerdings schieße der Vorschlag der Kommission für die Lockerung des Wettbewerbsrechts über das Ziel hinaus, weil er kleinere Mitgliedstaaten strukturell benachteilige. „Wir brauchen Fairness und gleiche Wettbewerbsbedingungen auf unserem gemeinsamen Binnenmarkt“, sagt Winzig.

 

Wirtschaftspolitik: Ende der Überregulierung gefordert

Auch die drastische Überregulierung sei, so Winzig, nach wie vor ein großes Problem. Die Kommission gehe hier den falschen Weg und würde bestehende Überregulierungen mit weiteren Regulierungen bekämpfen: „Gerade angesichts der multiplen Krisen müssen wir zuerst bei unserer eigenen EU-Gesetzgebung ansetzen und uns ansehen, ob unseren Unternehmen durch mehr Bürokratie, Vorschriften und Hürden nicht noch mehr geschadet wird. Ich fordere daher bei neuen EU-Gesetzen einen Machbarkeitscheck für die betriebliche Praxis unserer Unternehmen, vor allem in Bezug auf die Gesetze im Zusammenhang mit dem Green Deal“, schlägt die Oberösterreicherin vor.

Winzig erhofft sich vom EU-Gipfel entsprechende Initiativen und ein Signal zur Stärkung der europäischen Wirtschaft: „Es braucht hier noch viele Nachschärfungen, sonst fahren wir unsere europäische Wirtschaft und Industrie komplett an die Wand. Dann dürfen wir uns auch nicht wundern, wenn die Betriebe in Nicht-EU-Staaten abwandern.“