Innenpolitik

Das neue Jahr startet mit Ende der Kalten Progression

In den kommenden vier Jahren wird die Abschaffung der Kalten Progression 20 Milliarden Euro Entlastung bringen. Für Finanzminister Magnus Brunner ein "historisches Paket". Foto: BMF

Es ist ein steuerpolitischer Meilenstein, der seit Punkt Mitternacht gilt. Mit Erklingen der Pummerin wurde das Ende der Kalten Progression eingeläutet. Von nun an ist sie Geschichte und zählt ab jetzt zu den steuerlichen Relikten der Republik. Finanzminister Brunner sieht mit dem Ende der Kalten Progression einen „Akt der Fairness“

 

Ende einer jahrzehntelangen Debatte

Sie war ein Dauerthema der österreichischen Innenpolitik und vielfacher Streitpunkt unzähliger Politdebatten. Von vielen Regierungen versprochen, aber nie umgesetzt, beschloss die aktuelle Regierung unter Kanzler Karl Nehammer und Finanzminister Magnus Brunner jenen Schritt zu setzen, auf den viele Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gewartet haben: Die Kalte Progression – also die schleichende Steuererhöhung – wird abgeschafft.

 

Staat verdient bei Gehaltserhöhung nicht mehr mit

Von nun an wird der Staat nicht mehr mitverdienen, wenn arbeitende Menschen eine Gehaltserhöhung bekommen, aber der Staat aufgrund der Steuertarif-Struktur dabei ordentlich mitverdient. Gerade nach den hohen Gehaltsabschlüssen in vielen Branchen aufgrund der hohen Inflation bedeutet dies fürs neue Jahr, dass den Menschen noch mehr Netto vom Brutto im Börserl bleibt und sich der Staat nicht mehr nebenher die Hände reibt, wenn er durch die Kalte Progression saftig mitverdient. Hinzu kommt noch die ökologische Steuerreform die mit der Senkung von zwei Tarifstufen für eine weitere Entlastung sorgt. Rechenbeispiele veranschaulichen hier das Ausmaß der Entlastung.

 

20 Milliarden Euro Entlastung bis 2026

Das Ende der Kalten Progression bedeutet auch einen der massivsten Eingriffe der Politik in die österreichische Steuerstruktur. Jene Menschen, die Lohn- und Einkommenssteuerpflichtig sind, ersparen sich laut Berechnungen des Finanzministeriums bis 2026 rund 20 Milliarden Euro an Steuern. Dies wird sich auch auf die Wertschöpfung des Landes auswirken, denn die Experten im BMF rechnen mit einem Anstieg des BIP um 1 % sowie zusätzliche 36.000 Arbeitsplätze.

 

Die Details

Eines vorweg: Lohnsteuerzahler müssen nichts unternehmen, um in den Genuss der Auswirkung durch das Ende der Kalten Progression zu kommen. Alles erfolgt automatisch im Rahmen der Lohnverrechnung. Die „Gutschrift“ teilt sich in zwei Bereiche. Zwei Drittel der Inflationsrate werden jährlich angepasst und wird jeweils wirksam ab dem Folgejahr für die Beitragswerte:

  • der für die Anwendung des progressiven Steuertarifs maßgebenden Grenzbeträge (mit Ausnahme des für die Anwendung des Spitzensteuersatzes von 55% geltenden Betrages von 1 Mio. Euro),
  • des Alleinverdiener-, des Alleinerzieher- und des Unterhaltsabsetzbetrages,
  • der Verkehrsabsetzbeträge und des Zuschlags zum Verkehrsabsetzbetrag,
  • der Pensionistenabsetzbeträge,
  • der Erstattung des Alleinverdiener- und Alleinerzieherabsetzbetrages sowie der SV-Rückerstattung und des SV-Bonus.

Das verbleibende Drittel wird für weitere Entlastungsmaßnahmen verwendet:

  • Die Grenzbeträge der untersten beiden Tarifstufen werden über die Höhe der Inflationsrate erhöht. Das bedeutet: Niedrige und mittlere Einkommen werden über die Inflationsrate hinausgehend entlastet.
  • Auch die Absetzbeträge (Alleinverdiener- und Alleinerzieherabsetzbetrag, Verkehrsabsetzbeträge, Pensionistenabsetzbeträge) werden in voller Höhe der Inflation angepasst.
  • Die sonstigen Tarifstufen der Einkommensteuergrenzbeträge werden mit Ausnahme des Spitzensteuersatzes um zwei Drittel der Inflationsrate erhöht.

 

Brunner: „Akt der Fairness“

Bereits im Sommer meinte Finanzminister Magnus Brunner, dass die Abschaffung der Kalten Progression ein „Akt der Fairness“ sei. Die Regierung drehe an „den großen Schrauben“ und Brunner weiter: „Arbeitnehmer sollen nicht bestraft werden, wenn sie eine Lohnerhöhung erhalten.“ Für Brunner ist die Abschaffung ein wesentlicher Teil der Entlastungen des abgelaufenen Jahres. Die Besonderheit bei der Kalten Progression liegt daran, dass ihr Ende ein Eingriff in die Steuerstruktur ist und keinen Einmaleffekt auslöst sondern dauerhaft wirkt.

 

Lob von Medien und Experten

Das Aus der Kalten Progression erntete viel Lob. Sowohl bei Experten als auch bei den Medien. Nachdem das Ende der schleichenden Steuererhöhung beschlossen war, sprach der Chefredakteur der Kleinen Zeitung damals in einem Kommentar von einer „steuerpolitischen Großtat“. Die Tageszeitung „Die Presse“ bezeichnete in einem Leitartikel die Regierungsentscheidung als „Ein historischer Schritt, für den der Regierung Anerkennung gebührt„. Die Krone lobte den Finanzminister und sah es als „Verdienst“ von Magnus Brunner. Und die Salzburger Nachrichten meinten, dass die Abschaffung der Kalten Progression einen „fast uneingeschränktes Applaus“ wert sei.

Von Expertenseite meinte WIFO-Chef Gabriel Felbermayer: „Das WIFO und ich sind durchaus kritikfähig. Wenn uns etwas nicht passt, dann sagen wir das auch. An der Stelle möchte ich der Regierung mein Lob aussprechen. Hier wurde eine große Reform angegangen, die von vielen Ökonomen gefordert wurde. Österreich tut das, was viele Länder bereits gemacht haben“, so Felbermayr und betonte bereits im Juli gerade in Hinblick auf die hohe Inflation die Notwendigkeit von Reformen: „Diese Strukturreform ist in Zeiten hoher Inflation wichtig und ich bin froh, dass es passiert.“