Innenpolitik

Die SPÖ und ihre vielen Logen

Zur Sache

Alles Walzer. Am Donnerstag tanzen Politik und Wirtschaft sowie Kunst und Kultur wieder bei Österreichs Staatsball in der Wiener Staatsoper. Der Opernball kehrt nach dreijähriger Corona-Pause zurück. Logen und Ränge werden dicht gefüllt sein. Eine Loge wird dieses Jahr besonders unter Beobachtung stehen. Jene von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig. In der politischen Realität gibt es allerdings eine Vielzahl roter Logen. Hier ein analytischer Blick auf die Besetzung dieser Logen, der auch nicht frei von Ironie ist.

 

Fußball-Präsident Wrabetz als Ehrengast

Die Aufregung war groß, als diese Woche bekannt wurde, dass der ehemalige ORF-Chef und jetzige SK-Rapid Präsident Alexander Wrabetz auf Einladung von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig beim diesjährigen Opernball in dessen Loge zu Gast sein wird.

Sofort wurde orakelt, welche Botschaft der Wiener SPÖ-Chef damit aussenden will. Denn in den vergangenen Wochen hatte die Debatte um die Ablöse der amtierenden SPÖ-Vorsitzenden Pamela Rendi-Wagner wieder an Fahrt zugelegt. Und es fiel immer wieder der Name Alexander Wrabetz.

Ex-ORF-General Wrabetz hatte auf einem roten Ticket und dank einer Ampelkoalition über viele Jahre am Küniglberg residiert und ist SPÖ Mitglied. Daher lag es für viele nahe, dass sein Hut von Parteikreisen als potentieller Rendi-Nachfolger in den Ring geworfen wird. Ludwig hingegen positionierte sich bisher immer als der (letzte) Rettungsanker von Rendi-Wagner. Immer wieder musste Ludwig ausrücken, um bei aufkommenden Vorsitz-Debatten in der Bundes-SPÖ für Rendi-Wagner das Feuer zu löschen. Wie zuletzt, als die niederösterreichischen Genossen die Landtagswahl vergeigten und wieder mal „Pam“ zum Thema wurde. Ludwig sprang erneut für Rendi-Wagner ein.

Die Einladung Ludwigs, Alexander Wrabetz als „Ehrengast“ in seine Loge einzuladen, ist Sinnbild dafür, wie sehr sich die SPÖ mittlerweile in mehrere Machtflügel zersetzt hat. Die Zwischenrufe gegen Rendi-Wagner kommen in der roten Welt aus nahezu allen Himmelsrichtungen. Es bilden sich immer mehr Cliquen und Seilschaften. Mit der Vielzahl an Gruppierungen könnten am Opernball mehrere Logen gefüllt werden. Der Kampf um die besten Plätze im vorderen Rang der SPÖ ist offenkundig ausgebrochen. Das Problem der SPÖ: die vielen Organisationen, die früher immer ihre Stärke waren, sind jetzt ein Problem. Aber mal Loge für Loge der Reihe nach.

 

Die Loge der Einsamen

Zunächst wäre die um ihr Amt kämpfende Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner. Sie wirkt inzwischen wie am Parteisitz in der Wiener Löwelstraße eingebunkert. Klub-Vize Jörg Leichtfried sowie ein paar getreue Mitarbeiter scheinen ihre einzigen Vertrauten zu sein und ihr Rückhalt zu geben. Leichtfried rückt für Rendi-Wagner Woche für Woche aus, um in Pressekonferenzen die Regierung zu kritisieren und den Menschen die rote Politik zu erklären.

Rendi-Wagner selbst stolpert von einem vermasselten Interview ins nächste. Sie kommt nicht von der Stelle. Jüngstes Beispiel: In einem ZIB2 Interview zum Jahresauftakt konnte Rendi-Wagner auf die Frage nach den Arbeitslosenzahlen in den Bundesländern keine Antwort geben. Dieses Unwissen wurde von Beobachtern als Blamage für die Vorsitzende der Arbeiterpartei gewertet. Ihr Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch, der im professionell geführten Parteimanagement zum engsten Vertrauten eines Parteichefs oder Chefin zählt, sitzt darüber hinaus in einer anderen Loge. Auch das sagt viel. Mehr dazu weiter unten.

 

Die große rote Loge

Bisher verhalten sie sich in den parteiinternen Debatten noch ruhig, aber ihr Wort gilt als mächtig. Die Rede ist von ÖGB und der AK. Der Gewerkschaftsflügel hat bisher noch keine vernehmbare Kritik an Rendi-Wagner geäußert. Hinter vorgehaltener Hand sprechen manche Gewerkschafter aber etwas lauter. Das bisherige Schweigen wird noch als Unterstützung für Rendi-Wagner gewertet.

Aber sollte die SPÖ bei Wahlen weiter von Niederlage zu Niederlage durch die Bundesländer ziehen und es Rendi-Wagner nicht gelingen, die aktuelle Stimmung im Bund für die Partei zu nützen, dann wird sich die Gewerkschaft nach jemand anderen an der Spitze umsehen. Denn es ist in der DNA der Gewerkschaft, dass man als Teil der hochgelobten Sozialpartnerschaft mitgestalten will. Sprich: die Gewerkschaft will wieder am Regierungstisch sitzen. Wenn das mit Rendi-Wagner nicht gelingt, dann braucht es eben wen anderen.

 

Die Loge der zu kurz Gekommenen

Bis heute hat er seine Niederlage gegen Sebastian Kurz und Abwahl als Bundeskanzler bei der Nationalratswahl 2017 nicht verkraftet. Christian Kern versuchte laut Zeugen in jener Wahlnacht krampfhaft, als Wahlverlierer mit der FPÖ ein Bündnis am Wahlsieger ÖVP vorbei zu schmieden. Es ist ihm aber nicht gelungen. Monatelang quälte sich der Wahlverlierer dann als Klubobmann im Parlament ab, bis er über Nacht das Handtuch warf.

In seiner Verzweiflung nominierte sich Kern in seiner Rücktrittsrede noch schnell zum Spitzenkandidaten für die anstehende EU-Wahl, um noch irgendwie dranbleiben zu können, die Partei entschied dann aber anders.

Seine Kandidatin Pamela Rendi-Wagner enttäuschte Kern schnell. Die Distanz zwischen beiden wurde größer. Zwischenzeitlich dockt Kern in Eisenstadt bei Hans Doskozil als Berater an. In der Energiekrise kam es wieder zu einer Annäherung, als Rendi-Wagner ihren Vorgänger als Energieexperten präsentierte. Das Gerücht hält sich hartnäckig wie eine verschleppte Grippe, dass Christian Kern es selber auch noch einmal versuchen möchte, auf den Thron der SPÖ zurückzukehren.

Zu Kern kann sich auch Gerhard Zeiler gesellen. Der Medienmanager, der im ORF Karriere machte und zuvor Pressesprecher der Kanzler Sinowatz und Vranitzky war, machte sich bereits nach dem Faymann-Rücktritt 2015 Hoffnungen auf die Parteispitze und das Kanzleramt. Als er aus dem Ausland kommend Richtung Wien im Anflug war, kam ihm Kern zuvor. Auch jetzt fällt bei der Vorsitzdebatte rund um Rendi-Wagner immer wieder der Name Zeiler als möglicher Nachfolger.

 

Die pannonische Loge

Gefühlt ist die pannonische Loge die große Mittelloge, auf die sich alle Blicke richten. Politisch könnte man sie allerdings in eine rechte und linke Loge aufteilen, zwischen denen Burgenlands Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil hin und her wechselt. Nach seinem Ausstieg aus der Bundespolitik und Einstieg in die Landespolitik ist Doskozil eine Hoffnung und Problem für die SPÖ zu gleich.

Regelmäßig richtet Doskozil der Vorsitzenden Rendi-Wagner aus, dass sie de facto nicht für die Spitzenkandidatur bei der nächsten Wahl geeignet ist. Aber so richtig in den Ring gestiegen ist er auch wieder nicht. Dennoch düpiert er regelmäßig die Bundes-SPÖ mit inhaltlichen Themen wie Mindestlohn oder einer harten Linie in der Migration. Sein regelmäßiger rechts-links Schwenk führt bei einigen Sozialdemokraten bereits zu Schwindelanfällen. Dennoch kann er sich vor allem bei der Parteibasis der Unterstützung sicher sein.

Salzburgs wahlkämpfender Landesparteichef David Egger und der umtriebige steirische Nationalratsabgeordnete Max Lercher stehen Doskozil bei der Schwächung Rendi-Wagners unterstützend zur Seite. Besonders Lercher hat als ehemaliger Bundesgeschäftsführer unter Christian Kern mit Rendi-Wagner und der Löwelstraße noch eine Rechnung offen.

 

Die Liesinger Loge

Sie wirken fast wie die Gallier im stark rot dominierten Wien. Sie haben ein starkes Gewicht in der roten Stadtpartei und ihren Einfluss bis in die höchsten Gremien der SPÖ ausgebaut. Die Rede ist von der „Liesinger Partie“.

Parlamentsvizepräsidentin Doris Bures ist dort politisch sozialisiert. Ihre Rolle gilt in der SPÖ nach wie vor als mächtig. Immer wieder wurde sie als Gegenkandidatin zu Rendi-Wagner ins Spiel gebracht. Auch mit der Hofburg wurde sie als mögliche SPÖ-Präsidentschaftskandidatin in Verbindung gebracht.

Der ehemalige Kanzleramtsminister Josef Ostermayer zieht Gerüchten zufolge im Hintergrund weiter den einen oder anderen Faden. Zu schmerzlich ist die Demontage von Werner Faymann in den Maitagen des Jahres 2015 in Erinnerung. Nach einem verheerenden 1. Maiaufmarsch, begleitet von Pfiffen und Buh-Rufen der Basis gegen Faymann, übernahm wenige Tage später Christian Kern das Ruder in der SPÖ und das Kanzleramt.

In dieser Loge finden sich alle „Faymann-Getreuen“ wieder. Mit dabei in ist auch SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch, der Rendi-Wagner seinerzeit als „Aufpasser“ vom Rathaus in die Bundespartei geschickt wurde. Deutsch könnte nach den nächsten vorhergesagten Wahlniederlagen in Kärnten und Salzburg das Bauernopfer von Rendi-Wagner werden. Ob das ausreicht?

 

Die Loge der Einzelkämpfer

Und da wären noch vereinzelte SPÖ-Politiker, die versuchen, medial Lücken zu füllen und Aufmerksamkeit zu erhaschen. Julia Heer ist eine davon, die jede Parlamentssitzung dafür nutzt, mit lautstarken Linksparolen die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu lenken, indem sie der freien Marktwirtschaft den Garaus herbeizureden versucht. Oder Kai-Jan Krainer. Mit Anzeigen gegen die ÖVP (Zur-Sache berichtete) versucht Kai-Jan Krainer, die Schlagzeilen zu füllen. Seine wöchentlich zur Schau gestellte Aversion gegen die ÖVP ging zuletzt auch dem ein oder anderen Oppositionspolitiker im Untersuchungsausschuss zu weit, wie in den Parlamentsgängen berichtet wird.

Die Logen der SPÖ sind unterschiedlich groß und deren Macht wird zum Teil über- und dann wiederum unterschätzt. Ob es der SPÖ gelingt, dass sich alle am Tanzparkett wiederfinden und im Gleichklang zum Walzer ansetzen, bleibt angesichts der nahezu täglich aufkommenden Diskussionen mehr als fraglich. Ausrutscher am glatt umkämpften SPÖ-Parkett scheinen nicht ausgeschlossen. Spätestens nach der Landtagswahl in Kärnten wird Landeshauptmann Peter Kaiser vom Dreiviertel Takt ausscheren und einen Takt höher schalten.

Eine wird jedenfalls fehlen: Pamela Rendi-Wagner wird, so ihre Ankündigung, den Opernball nicht besuchen. Zumindest der Anblick der Logen bleibt ihr erspart. Bis zum Tag nach dem Opernball, wenn dass Morgengrauen die Ballbesucher wieder so erscheinen lässt, wie sie sind.