Innenpolitik
Extremismus im Fokus
Staat und Gesellschaft müssen dem religiös motivierten Extremismus mit der gleichen Aufmerksamkeit begegnen wie dem Rechtsextremismus. Warum das erforderlich ist, ergibt der neue Jahresbericht der Dokumentationsstelle Politischer Islam.
Strukturen und Ideologien erfassen
Die Ereignisse nach dem Hamas-Terror am 7. Oktober 2023 und dem darauffolgenden Krieg haben aufgezeigt, wie bedeutsam Erforschung und Dokumentation des Politischen Islam sind. Dabei geht es um Strukturen sowie Ideologien, erklärt die Dokumentationsstelle.
Nahost-Konflikt als Vehikel
Der israelisch-palästinensische Konflikt dient islamistischen Akteuren oftmals als Vehikel hin zu einer undifferenzierten Polarisierung und als Vorwand zur Propagierung extremistischer Botschaften.
„Die Ereignisse der letzten Wochen mit Sympathie-Kundgebungen für die Hamas in Europa haben gezeigt, dass es eine konstante Auseinandersetzung mit islamistischen Akteuren braucht“, erklärt die Direktorin der Dokumentationsstelle, Lisa Fellhofer.
Wachsamkeit gegenüber Antisemitismus
„Diese Akteure missbrauchen die Religion für ihre Ideologie, weshalb es hier kein Wegsehen geben darf, sondern eine kritische Auseinandersetzung braucht“, sagt Fellhofer weiter: „Wachsamkeit gegenüber Antisemitismus, Diskriminierung, Rassismus und anderen radikalen Ansichten bedeutet, dem religiös motivierten politischen Extremismus mit der gleichen Aufmerksamkeit zu begegnen, wie etwa dem Rechtsextremismus.“
Extremismus, Identitätskonflikte, Propaganda
Schwerpunkte der Forschungs- und Dokumentationstätigkeit lagen zuletzt vor allem bei türkeistämmigen Strukturen in Österreich sowie bei islamistischen Influencer-Gruppierungen im deutschsprachigen Raum. Insbesondere im letzten Türkei-Wahlkampf wurden über Verbände wie die Union Internationaler Demokraten (UID) vermehrt Aktivitäten und Beeinflussungen in Österreich festgestellt. Das Netzwerk agiert als verlängerter Arm von Erdogan und seiner AKP, wobei auch problematische Narrative zum Israel-Palästina-Konflikt mit teilweise antisemitischen Stereotypen verbreitet werden.
Im virtuellen Raum instrumentalisieren islamistische Gruppierungen – die zum Teil der Hizb ut-Tahrir nahestehen – Identitätskonflikte und Erfahrungen tatsächlicher Diskriminierung für die Verbreitung von antidemokratischen und minderheitenfeindlichen Botschaften.
Auf Social-Media-Kanälen werden Jugendliche gezielt angesprochen und gesellschaftliche Gegenentwürfe propagiert, welche mit der liberal-pluralistische Demokratie nicht vereinbar sind. Politik und Medien wird pauschal eine Islamfeindlichkeit unterstellt, um die eigenen, islamistischen Ansichten und ein „Wir-gegen-Sie“-Narrativ weiter zu verbreiten.
Öffentliche Islam-Debatte ist legitim
Akteure und Verbände aus dem Spektrum des Politischen Islam versuchen verstärkt den gesellschaftlichen Diskurs zu ihren Gunsten zu bestimmen. Es gibt oftmals Bestrebungen, Debatten, die aus der Forschung und Wissenschaft angestoßen werden, von vornherein zu unterbinden und zu verzerren.
Gegen derartige negative Entwicklungen stellt sich der Oberste Gerichtshof (OGH), der in einer Entscheidung festhält, dass öffentliche Debatten über den Islam und Akteure einem gesellschaftlichen Interesse unterliegen. In diesem Sinne hat auch der Fonds unsachlichen Vorwürfen stets Fakten gegenübergestellt.
Einladung zum Dialog
Die Dokumentationsstelle hat auch mit islamischen Verbänden einen kooperativen Dialog gesucht, um eine ergebnisoffene Forschung zu fördern, es gab bislang jedoch kein ernsthaftes Interesse an einer gemeinsamen Aufarbeitung.
Die Bundesregierung hatte erst kürzlich die Vertreter der anerkannten Religionsgemeinschaften zu einem Gespräch über Toleranz und gegen Extremismus in das Bundeskanzleramt geladen.
Neue Website online
Die Dokumentationsstelle hat den Öffentlichkeitsauftritt weiterentwickelt. Die Homepage mit näheren Infos zum Jahresbericht sowie alle Grundlagenberichte, DPI-Focus-Ausgaben und Studien sind unter www.dokumentationsstelle.at abrufbar.
Die Dokumentationsstelle Politischer Islam hat seit ihrer Gründung vor drei Jahren – inklusive des aktuellen Jahresberichtes 2022 – genau 22 wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht. Die Berichte stoßen genauso wie die Arbeit des Fonds auf Interesse über Österreich hinaus, da viele der untersuchten Bewegungen und Entwicklungen transnational verlaufen und vor Staatsgrenzen keinen Halt machen.