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Zur Bedeutung der bürgerlichen Mitte

Die Politische Akademie (PolAk) startet im September ihr Programm und die Österreich-Gespräche, kündigte die Präsidentin, Abg. Bettina Rausch, an. In Zeiten von Polarisierung und Bevormundung brauche es die bürgerliche Mitte. Foto: PolAk

Eine Demokratie braucht demokratisch gesinnte Bürgerinnen und Bürger, braucht Debatte und Mitte. Wie das in Zeiten von Krisen und Konflikten gelingen kann war Thema des Symposiums „Zur Bedeutung der bürgerlichen Mitte“ an der Politischen Akademie der ÖVP in Wien. Hier eine kompakte Übersicht zu Thesen und Argumenten, zu Links und zu den neuen PolAk-Podcasts.

 

Volkspartei als Kraft der Mitte

„Über die Bedeutung der bürgerlichen Mitte“ war der Titel des Symposiums, zu dem die Politische Akademie geladen hatte. Expertinnen und Experten debattierten, wie eine Besinnung auf bürgerliche Tugenden und Werte den gesellschaftlichen Zusammenhalt festigen und das Vertrauen in die Demokratie stärken kann.

Bettina Rausch, Abgeordnete und Präsidentin der Politischen Akademie, erinnerte zum Auftakt an Aufgabe und Bestimmung der Volkspartei:

  • Aufgabe der Volkspartei sei es, Vertreterin und Stimme der Vielen und der Mehrheit der Bevölkerung zu sein.
  • Bestimmung der Volkspartei sei es, als politische Kraft der Mitte mit Mut und Zuversicht politische Lösungen zu finden.

Bürgerrechte sind Grundlage der Demokratie

Was charakterisiert bürgerliche Persönlichkeit? Für Ernst Bruckmüller, Doyen der heimischen Sozialgeschichte, ist ein bürgerlicher Mensch ein „reeller Mensch, einer, auf den man sich verlassen kann“ und bei dem es eine Übereinstimmung zwischen Worten und Taten gebe.

Bürgerrechte und Dialog als Grundlage für Demokratie: Peter Hefele (l.) und Ernst Bruckmüller

Rechte und Dialog schaffen Demokratie: Peter Hefele (l.) und Ernst Bruckmüller

Die bürgerlichen Grundwerte seien mehr als moralische Werte, da sie durch das Recht und das Staatsgrundgesetz geschützt seien. So heiße es in Artikel 16 des seit 1814 geltenden Allgemeinen bürgerlichen Gesetzesbuches (ABGB), jeder Mensch habe angeborene Rechte: „Das ist eine erste Kodifikation im Sinne der Menschenrechte“, sagte Bruckmüller.

Erst durch den verfassungsrechtlichen Schutz der Menschen- und Bürgerrechte ab dem Jahr 1867 konnten in Österreich die Grundrechte wie etwa Meinungs-, Presse- und Vereinsfreiheit für alle Bürger tatsächlich verwirklicht werden. Der Schutz dieser Grundrechte sei für eine Demokratie gleichermaßen Lebensader und bleibender Auftrag, so Bruckmüller.

 

Werte wirken gegen Ängste

Die Theologin Katharina Mansfeld kritisierte an Debatten zur Gegenwart, manche davon seien von Ängsten getrieben. So wie früher vor der Hölle oder dem Teufel würden sich heute viele Bürger vor dem Klimawandel fürchten. Angst sei allerdings kein kluger Ratgeber für die Politik. Werte hingegen können mithelfen, Ängste zu überwinden.

Ein Wir-Gefühl entstehe in einer Gesellschaft erst bei gemeinsamen Werten in einer attraktiven Gruppe. Dann sei Zusammenhalt möglich. Eine Gruppe oder Gesellschaft werde allerdings erst dann als attraktiv wahrgenommen, wenn sich ihre Mitglieder ähnlich sind und übereinstimmen, zur Ähnlichkeit und Übereinstimmung ihrer Mitglieder auch die Möglichkeit der Mitbestimmung und die Gerechtigkeit hinzukommen.

Plädoyer für Ziele und Tugenden in der Politik: Katharina Mansfeld

Plädoyer für Ziele und Tugenden in der Politik: Katharina Mansfeld

Eine negative, von Ängsten getriebene Politik verfolge keine Ziele, so Mansfeld. Erst gemeinsame Ziele könnten ein Wir-Gefühl und eine Identifikation mit dem großen Ganzen ermöglichen. Politik, die dem Menschen gemäß ist, müsse sich daher an den Kardinaltugenden Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung orientieren. Diese Tugenden seien der Schlüssel zur menschlichen Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit.

Politik soll sich zuerst der Einhaltung und dem Schutz von Werten glaubhaft verpflichten, dann könne sie überzeugend Ziele und Ordnungsmodelle vermitteln, erläuterte Mansfeld.

 

Sicherheit schafft Vertrauen

Die Fragen nach dem gesellschaftlichen Zusammenhalt sind für Kai Unzicker von der Bertelsmann Stiftung in den vergangenen zwei Jahrzehnten von der Nische in das Zentrum der politische Debatte gerückt.

Dieser Zusammenhalt sei anhand von Kriterien sozialwissenschaftlich messbar. Diese Kriterien sind die Qualität sozialer Beziehungen, die Verbundenheit mit anderen und das Gerechtigkeitsempfinden.

Während zwischen 1990 und 2020 kaum Veränderungen messbar waren, habe sich mit Corona alles grundlegend verändert, erklärte Unzicker: Seit 2020 haben Menschen

  • weniger soziale Kontakte,
  • weniger Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen und
  • generell werde die Gesellschaft seitdem als ungerechter empfunden.

Eine Folge davon ist laut Unzicker: Mehr als die Hälfte der Bevölkerung Deutschlands finden sich nicht mehr sozial eingebunden: In diesem Umfeld „gedeihen Verschwörungstheorien und der Wunsch nach einfachen Lösungen“.

Unsicherheit beschleunigt Populismus

Die daraus entstehenden Unsicherheiten sind nach Einschätzung des Meinungsforschers Wolfgang Bachmayer „ein idealer Nährboden für Populisten“. Diese würden „ die negativen Stimmungen aufgreifen und verstärken“.

Auch das bleibt nicht ohne Folgen, meinte Bachmayer: Gegenwärtig glauben 70 Prozent der Bürgerinnen und Bürger, dass es ihre Kinder einmal schlechter haben werden als sie selber. Und weil die Lebenserhaltungskosten ansteigen, sei vielen Bürgern heute „Selbsterhaltung wichtiger als Selbstentfaltung“.

Mit Lösungen gegen Unsicherheit: Wolfgang Bachmayer, Kai Unzicker, Bernhard Heinzlmaier, Bettina Rausch

Mit Lösungen gegen Unsicherheit: Wolfgang Bachmayer, Kai Unzicker, Bernhard Heinzlmaier, Bettina Rausch

Eine Politik der Mitte müsse darauf mit Lösungen reagieren, forderte der Meinungs- und Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier: „Wer nicht weiß, wie er seine nächste Stromrechnung bezahlten soll, dem ist der Klimawandel egal.“

Eine bürgernahe und mehrheitsfähige Politik dürfe sich daher nicht mit „Spiegelfechtereien wie Verbotskultur“ aufhalten, sondern müsse mit der Bekämpfung von Inflation und Teuerung und der Gewährleistung billiger Energieversorgung die Daseinsvorsorge der Bürgerinnen und Bürger langfristig sicherstellen: „Politik muss Sicherheit und Vertrauen garantieren“.

 

Demokratische Öffentlichkeit stärken

Auf die Gefährdung von Demokratie und offener Gesellschaft durch sozio-kulturelle Strömungen wie die Woke-Bewerbung verwies Peter Hefele, Forschungsdirektor des Wilhelm Martens Centre. Aktivisten würden das Spektrum des Sagbaren einschränken und bestimmte Sachverhalte und Themen von vornherein vom demokratischen Diskurs ausschließen. Damit werde jedoch ein ergebnisoffener, rationaler und faktenbasierter politischen Dialog zunehmend verunmöglicht.

Eine dringliche Aufgabe bürgerlicher Parteien ist es für Hefele, einen ergebnisoffenen politischen Dialogs ohne Denkverbote wieder herzustellen. Die Herausforderungen in der Arbeitswelt, Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit seien ordnungspolitisch am besten mit der Sozialen Marktwirtschaft zu lösen. Die Parteien seien dabei die „Schlüsselakteure“ im politischen Wandel, nicht hingegen vereinzelte Gruppen von Aktivisten.

 

Polarisierung positiv betrachtet

Auf die positiven Aspekte der Polarisierung in der politische Debatte verwies der Politologe Thomas Biebricher. Polarisierung als Begriff verweise nur auf Bandbreite unterschiedlicher Positionen. Pluralismus und Widersprüche seien allerdings wesentlich und wichtig für Demokratie: „Entscheidend sind nicht die Widersprüche sondern der Umgang mit ihnen“.

Es bedeute einen erheblichen Unterschied, ob etwa Migration sachlich, faktenbasiert oder emotional und hetzerisch diskutiert werde.

In der Tugend der Mäßigung sieht Biebricher eine große Stärke der politischen Mitte. Bürgerliche Parteien wie die ÖVP hätten die Aufgabe, den gesellschaftlichen Wandel sozialverträglich zu moderieren.

Angesichts des Klimawandels stehe die Gesellschaft vor einer Weggabelung. Ein Zurück in die Zeiten vor dem Klimawandel sei unmöglich, aber „mit vernunftorientiertem Gestaltungswillen“ können der Umbau der Gesellschaft und die Bewältigung des Klimawandels bewerkstelligt werden.

Bildung als wichtigstes Projekt der Demokratie: Jens Hacke, Kai Unzicker

Bildung als wichtigstes Projekt der Demokratie: Jens Hacke, Kai Unzicker

 

Neues bürgerliches Leitprojekt Bildung

Als eine Antwort auf die allgegenwärtigen Krisenrhetorik plädierte der Ideenhistoriker Jens Hacke für den zentralen Stellenwert der Bildung.

Bildung könnte Teil einer neuen großen politischen Erzählung sein: Eine leistungsorientierte und inklusive Bildungspolitik könnte zwei Mal einen Hebel bilden, einerseits für die Gewährleistung sozialer Gerechtigkeit und andererseits als Garant einer lebendigen Demokratie.

Für Jens Hacke ergibt sich eine klare Schlussfolgerung: Da der Staat und die Demokratie – dem Böckenförde-Diktum folgend – Voraussetzungen benötigen, die sie selbst nicht garantieren können, ist Bildungspolitik „der erste und wichtigste Pfeiler einer lebendigen Demokratie“.

Den Podcast zum Symposium mit den Keynotes und der Paneldebatte finden Sie HIER.

Positionen und Perspektiven von Bundeskanzler und ÖVP-Bundesparteiobmann Karl Nehammer finden Sie unter Österreich 2030.

 

Rausch moderiert in Alpbach Debatte zur Identitätspolitik

Die Politische Akademie ist nächste Woche – am Donnerstag, 31. August 2023 – beim Europäischen Forum Alpbach und wird auch dort bürgerliches Politikverständnis zum Thema machen. Konkret stellt sie die Frage, wie Identitätspolitik das Ideal der liberalen Demokratie gefährdet.

Im Programm heißt es zum Panel „Identitätspolitik und liberale Demokratie“:

„In den westlichen Demokratien verschwinden die Tugenden der Ausgewogenheit und Mäßigung, während schrille Töne die Tagesordnung der öffentlichen Meinung bestimmen. Identitätspolitik bewertet die Forderungen bestimmter Gruppen höher als die Forderungen anderer und greift damit die Grundsätze der Gleichheit und der individuellen Rechte an. Zählen die Werte von Aktivist:innen mehr als Gesetze? Bedrohen diese kulturellen Debatten das Herzstück unserer Demokratie?“

Dieses Panel der Politischen Gespräche in Alpbach wird von Bettina Rausch moderiert. Keynotes sprechen Martha Schultz (Unternehmerin), Alexander Kissler (Publizist, D.), Christian M. Stadler (Universität Wien) und Sandra Kostner (University of Education Schwäbisch Gmünd, D.)

Die Politische Akademie (PolAk) startet im September ihr Programm und die Österreich-Gespräche, kündigte die Präsidentin, Abg. Bettina Rausch, an. In Zeiten von Polarisierung und Bevormundung brauche es die bürgerliche Mitte. Foto: PolAk
Die Politische Akademie (PolAk) startet im September ihr Programm und die Österreich-Gespräche, kündigte die Präsidentin, Abg. Bettina Rausch, an. In Zeiten von Polarisierung und Bevormundung brauche es die bürgerliche Mitte. Foto: PolAk