Regierung
Jobgipfel: Was tun bei über 100.000 offen Stellen?
Die von der Bundesregierung eingesetzte Reformgruppe zur Erhöhung der Zahl der Beschäftigten am heimischen Arbeitsmarkt nimmt die Arbeit auf. Am Montag erfolgte der Auftakt mit Experten, Sozialpartnern und Ländervertretern.
Der österreichische Arbeitsmarkt im Jahr 2023: Niedrigste Arbeitslosenzahl seit über 15 Jahren, aber ein hoher Stand an offenen Stellen. Bei ihrer Klausur zu Jahresbeginn beschloss die Regierung eine eigene Reformgruppe einzusetzen. Unter Führung des Arbeits-, Finanz- und Sozialministeriums sollen Maßnahmen erarbeitet werden, wie der gegenwärtige Mangel an Arbeitskräften in Österreich behoben werden kann.
Die Ausgangslage
Der branchenübergreifende Arbeits- und Fachkräftemangel ist das drängende Thema am Arbeitsmarkt. Die Zahl der offenen Stellen ist in den letzten Monaten saisonal und konjunkturbedingt zwar leicht zurückgegangen, ist aber immer noch hoch. Aktuell sind 107.518 offenen Stellen beim AMS gemeldet. Der Grund für die hohe Zahl liegt nicht an fehlenden Vermittlungstätigkeiten, sondern das Problem liegt laut Arbeitsministerium vordergründig darin, dass zu wenig Personen zur Verfügung stehen, welche die offenen Stellen besetzen können. Die Arbeitslosigkeit befindet sich hingegen auf einem historischen Tiefstand. In vielen Regionen Österreichs herrscht praktisch Vollbeschäftigung.
Klarer Auftrag der Regierung
Zur Bewältigung dieser Herausforderung formulierte die Bundesregierung bei der Klausur eine klare Zielsetzung und erwartet sich noch im ersten Quartal 2023 von der Reformgruppe Vorschläge zu folgenden Handlungsfeldern:
- Attraktivierung der Erwerbstätigkeit parallel zum Bezug einer Eigenpension ab dem Regelpensionsalter
- Erhöhung der Anreize für einen Verbleib im Erwerbsleben über das gesetzliche Pensionsantrittsalter hinaus
- Maßnahmen zur Erhöhung des faktischen Pensionsantrittsalters durch Positivanreize
- Befristete Erhöhung der Anzahl und des Freibetrags für die Steuerbefreiung von Überstundenzuschlägen
- Evaluierung weiterer bestehender Steuerbefreiungen von Lohn- und Gehaltszulagen
- Stipendium für Berufsumsteigerinnen und Berufsumsteiger in die Elementarpädagogik nach dem Vorbild des Pflegestipendiums
Kocher sieht mehrere „Stellschrauben“
Das erste Treffen mit Experten, Sozialpartnern, Ländervertretern, Seniorenvertretern sowie allen Parlamentsparteien diente am Montag zum Abstecken wichtigsten Themenfelder. „Es gibt mehrere Stellschrauben, die man drehen kann, um dem Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken“, erklärte Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher, der die anstehenden Diskussionen „ergebnisoffen“ angehen möchte. Dennoch macht der Wirtschaftsprofessor im Vorfeld Vorschläge und bringt unter anderem die Idee eines Steuerfreibetrages für Überstunden ins Spiel.
Laut Statistik Austria wurden im Jahr 2021 rund 190 Millionen Überstunden geleistet. Das entspricht in etwa 2,8 Prozent des insgesamt geleisteten Arbeitsvolumens von 9,7 Milliarden Arbeitsstunden bzw. über 100.000 Jahresvollzeitäquivalenten, die dem Arbeitsmarkt sonst zusätzlich zum bestehenden Arbeits- und Fachkräftemangel fehlen würden, rechnet das Arbeitsministerium in einer Aussendung vor. Kocher erklärt dazu: „Wenn es uns gelingt, hier eine steuerrechtlich attraktivere Lösung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf die Beine zu stellen, können wir einen sehr wichtigen Hebel in Bewegung setzen.“