Berichte
Belarus: „Flugzeugentführung im Staatsauftrag“
Die EU reagiert entschlossen, denn am vergangenen Sonntag ereignete sich im Luftraum über Belarus unvorstellbares: Ein Passagierflugzeug wurde zur Landung gezwungen, ein belarussisches Kampfflugzeug eskortierte die Ryanair-Maschine zum Flughafen in Minsk. An Bord des Flugzeugs befand sich ein belarussischer Oppositioneller, Roman Protassewitsch. Er wurde von Sicherheitskräften des Diktators Lukaschenko festgenommen. International wird Kritik an Lukaschenko lauter, die EU setzt umfassende Sanktionen.
Einer der wichtigen Kräfte der Oppositionsbewegung in Belarus ist Roman Protassewitsch. Der von ihm betriebene Telegram-Kanal gilt laut Medienberichten als wesentlicher Informationskanal der Protestbewegung und Oppositioneller. Die Proteste folgten der Wahl in Belarus im August 2020, die inzwischen auch international als Scheinwahl gesehen wurde. Der autokratische Machthaber Alexander Lukaschenko trat nicht zurück, bis heute wird er von der EU nicht als Präsident anerkannt.
Durch Militärjet zum Landen gezwungen
Am Sonntagvormittag kam es dann zum Eklat. Die Ryanair Maschine, in der Protassewitsch an Bord war, wurde unter dem Vorwand einer Bombendrohung zur Landung in Minsk gedrängt. Ein belarussisches MIG-Militärjet zwang die Ryanair Maschine schließlich zur Landung in Minsk. Umgehend nach der Landung wurde Protassewitsch festgenommen.
Bundeskanzler Sebastian Kurz drängte danach, wie auch andere Regierungschefs auf Sanktionen gegen Belarus. Vor dem Treffen des Europäischen Rats, appellierte Kurz, dass dieser nicht „zur Tagesordnung übergehen dürfe“.
Strenge Sanktionen gegen Belarus
Nun hat die EU Sanktionen gegen Belarus beschlossen. Kein belarussisches Flugzeug darf mehr europäischen Luftraum nutzen. Außerdem soll es weitere Wirtschaftssanktionen gegen Belarus geben. Dazu gehört auch, dass die Liste der Unternehmen und Personen erweitert werden, gegen die Vermögenssperren und EU-Einreiseverbote gelten. Das EU-Investitionsvolumen für Belarus in Höhe von 3 Milliarden Euro wird ebenfalls eingefroren.
Nach dem Treffen und dem Beschluss der Sanktionen zeigte sich Bundeskanzler Kurz „sehr zufrieden, dass es hier eine klare Reaktion“, auf EU-Ebene gebe. „Es wird nicht nur verlangt, dass der verhaftete Journalist sofort freigelassen wird, sondern es gibt auch eine klare Reaktion mit Listungen, Wirtschaftssanktionen und auch einem Flugverbot“, so Kurz weiter. Kurz bestärkte zudem, dass er das Verhalten Belarus‘ für absolut inakzeptabel halte.
Wie ein Bild zeigt, das unter anderem von EU-Ratspräsident Charles Michel auf Twitter geteilt wurde, fliegen keine Passagiermaschinen mehr über Belarus.
Ryanair ortet KGB-Agenten an Bord
Von Ryanair selbst heißt es, es wäre eine „Flugzeugentführung im Staatsauftrag“ gewesen. Außerdem gab der Chef von Ryanair, Michael O’Leary, an, dass womöglich auch KGB-Agenten in Minsk von Bord gegangen sind. Das verstärkte ebenfalls der irische Außenminister. Demnach seien fünf oder sechs Personen in Minsk von Bord gegangen. Dass nur eine dieser Personen verhaftet wurde deute darauf hin, „dass die anderen Geheimdienstmitarbeiter waren“.
International stößt das Vorgehen Lukaschenkos auf deutliche Kritik. So sprach der US-Außenminister Anthony Blinken von einer „dreisten und schockierenden Tat des Lukaschenko-Regimes“. EU-Ratspräsident Charles Michel nannte den Vorfall absolut inakzeptabel. Das griechische Außenministerium sprach gar von „staatlicher Luftpiraterie“.
Proteste seit August 2020
Seit den letzten Wahlen in Belarus gibt es regelmäßig Proteste gegen den Machthabenden Lukaschenko. Die Opposition wirft ihm Wahlbetrug vor. International wird Lukaschenko für das extrem harte Vorgehen gegen Oppositionelle kritisiert. Vorwürfe der Folter stehen im Raum. Viele Oppositionelle begaben sich ins Exil. Zwischen Oppositionsführern und der österreichischen Regierung findet ein Austausch statt.
Gegen die Proteste in Belarus sind die Sicherheitskräfte gewaltsam vorgegangen, es kam zu rund 12.000 Festnahmen sowie drei Toten. Der Vorwurf der Folter durch Sicherheitskräfte wird von Menschenrechtsorganisationen und Mitgliedern der Protestbewegung erhoben.