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„Die NEOS haben es nicht geschafft Akzente zu setzen“

Foto: Elias Pargan

Zur-Sache traf sich mit der Wiener Stadträtin und Landesgeschäftsführerin der Neuen Volkspartei Wien Bernadette Arnoldner. Die Vision der neuen Volkspartei für Wien, Integration, Transparenz sowie ihre Kritik an der rot-pinken Stadtregierung waren Themen des Gesprächs.

 

Zur-Sache: Die Volkspartei ging als klarer Gewinner der letzten Wien-Wahl mit starkem Zuwachs hervor. Welche Möglichkeiten bieten sich der Partei nun in dieser neuen, gestärkten Position, um in Wien Akzente zu setzen?

Bernadette Arnoldner: Wir konnten einen historischen Erfolg feiern und uns mit einem Sprung von 9,2 % auf 20,43 % mehr als verdoppeln. Unser Gemeinderatsklub verdreifachte sich von 7 auf 23 Mandatare. Wir haben den größten Zuspruch aller Parteien erhalten. Das sehen wir als deutlichen Wählerauftrag: Als stärkste Oppositionspartei wollen wir unsere Themen zu Wirtschaft, Leistung, Sicherheit und Integration weiterbringen. Hier zeigen wir Probleme nicht nur auf, sondern bieten auch Lösungen an. Wir als Neue Volkspartei bleiben unseren Prinzipien und Werten treu. Deshalb haben wir gerade erst 100-Ideen für unsere Stadt präsentiert. Denn Wien kann mehr. Jetzt pochen wir auf deren Umsetzung. Besonders wichtig ist mir die Entlastung der Wirtschaft, etwa die Aussetzung des sogenannten Teuerungsgesetzes, was wir schon lange fordern. Mit unseren 23 Grätzel-Ideen, die auf Wertschöpfung und Investitionen in den einzelnen Bezirken ausgerichtet sind, wollen wir neue Akzente setzen. Ganz wichtig ist, dass wir endlich eine Trendwende in der Integrationspolitik schaffen. Integration muss in Wien endlich konsequent eingefordert, anstatt nur unverbindlich angeboten zu werden.

 

Zur-Sache: Sie nehmen nun als Stadträtin der größten Oppositionspartei im Rathaus eine wichtige Rolle ein und sprechen – auch für die Regierung – unangenehme Themen an. Dabei steht dann oft der Vorwurf des Wien-Bashings im Raum, wie gehen Sie damit um?

Arnoldner: Ich sehe in der Wien-Politik der Stadtregierung das Phänomen, dass alles was an Konstruktivität von uns eingebracht wird, als Wien-Bashing abgetan wird. Das ist eine Fortführung des „alten“ Kurses der Stadtregierung. Doch wir sehen uns durch den Wählerauftrag klar bestätigt. Deshalb werden wir auch für die Stadtregierung unangenehme Themen treiben. Beispielsweise die bei der Integration: Es kann nicht so weitergehen wie bisher. Die Stadtregierung verfolgt eine Einbürgerungsoffensive und will Einbürgerungen forcieren und beschleunigen. Wir wollen eine Integrationsoffensive. Auch in Sachen Transparenz werden wir der Stadtregierung verstärkt auf die Finger schauen.

 

Zur-Sache: Stichwort Transparenz: Eine der ersten rot-pinken Postenbesetzungen stand medial im Fokus. Thomas Drozda kam in den Vorstand der ARWAG, die enge Beziehungen zur Stadt Wien hat. Setzt sich der Kurs der SPÖ bei der Postenbesetzung fort oder üben die NEOS hier – wie im Wahlkampf angekündigt – einen Einfluss aus. 

Arnoldner: Einen neuen Einfluss durch die Neos zweifle ich an. Zwar gibt es nun einen neuen Transparenzstadtrat,  aber ein Türschild im Rathaus ist noch keine Garantie für mehr Transparenz. Vor allem, wenn man ein „Transparenzstadtrat ohne Mittel“ ist, da der Stadtrat über keinerlei Kompetenzen, Durchgriffsrechte auf andere Abteilungen oder Personal in diesem Bereich verfügt. Deshalb braucht es dringend mehr Tiefe und vor allem Qualität bei den präsentierten Maßnahmen.

Das bisherige Vorgehen der SPÖ zeigt auch der Stadtrechnungshofbericht letzter Woche. Dieser behandelt einen Versorgungsposten der Ex-SPÖ-Stadträtin Brauner, der zeigt wie dreist die Wien-SPÖ Posten schachert: 3 Personen verbrauchen 750.000 € Steuergeld in 26 Monaten und niemand kann sagen wofür diese Personen genau zuständig sind. Das ist sehr dubios. Und die NEOS sagen zur „Causa Brauner“ relativ wenig, als Oppositionspartei waren sie bei derartigen Fällen jedoch deutlich lauter.

 

Zur-Sache: Wie haben Sie die NEOS hier in den ersten 100 Tage der sogenannten „Fortschrittskoalition“ erlebt?

Arnoldner: In den letzten 100 Tagen ging eigentlich alles so weiter wie bisher. Gerade die NEOS haben es nicht geschafft neue Akzente zu setzen. In Sachen Transparenz wurde beispielsweise eine Whistleblower-Plattform groß angekündigt – das ist aber bislang mehr eine Alibi-Aktion vom Stadtrat. Wenn die Whistleblower-Plattform ernst genommen werden soll, wollen wir wissen, was an Informationen hineinkommt. Außerdem sollte es einen regelmäßigen Bericht dazu geben. Der Stadtrat hat keine Durchgriffsrechte, kein Personal und keinen wirklichen Einblick in andere Abteilungen. Hier sehen wir noch deutlichen Nachholbedarf. Meine Rolle als Stadträtin wird es die kommenden Jahre sein, Transparenz zu treiben. Bei den NEOS bin ich mir nicht so sicher.

 

Zur-Sache: Weiterer Kritikpunkt war immer das KH NORD, wo die WKStA einen Anfangsverdacht nun nicht mehr weiter verfolgt. Hält die Neue Volkspartei dennoch an ihrer Kritik am Projekt fest?

Arnoldner: Das KH Nord ist und bleibt weiterhin ein Skandalprojekt der SPÖ. Es wurde vom Rechnungshof bestätigt, dass es 8.000 Baumängel bei diesem Projekt gegeben hat. Dazu eine Verzögerung des Projekts von 8 Jahren. Bei diesem Bauskandal wurde eine halbe Milliarde Euro Steuergeld verschwendet. Wir legen Wert darauf, dass solche Projekte in Zukunft transparenter umgesetzt werden. Die Verantwortlichkeiten müssen klarer definiert werden: Oberster Bauleiter muss der Wiener Bürgermeister sein. Verantwortlichkeiten und Kompetenzen müssen in Zukunft aus einem Guss kommen, das war beim KH Nord nicht der Fall. Ich weiß aus meiner Erfahrung in der Privatwirtschaft: Es gibt nichts Schlimmeres als unklare, undurchsichtige Verantwortlichkeiten. Projekte wie das KH Nord – wo schon im Vorfeld so viel Missmanagement stattfand – müssen in Zukunft besser geplant sein.

 

Zur-Sache: Die Regierung in Wien heftet sich ja immer an die Brust Vorreiter beim Thema Frauenförderung zu sein. Frauenministerin Susanne Raab hat das Frauenbudget im Bund um über 40% erhöht. In Wien passiert im Moment aber leider genau das Gegenteil: Das Budget wird gekürzt.

Arnoldner: Ich möchte an dieser Stelle zuerst einmal ein Danke an Frauenministerin Susanne Raab richten. Seit ihrem Amtsantritt ist bereits wirklich viel weitergegangen. Sie hat das Frauenbudget weit erhöhen können und somit den Turbo beim Thema Frauenförderung aktiviert. Gerade in der Krise ist es jetzt wichtig Frauen zu unterstützen. Das Signal, das durch die Kürzung der Frauenförderung von der Stadt Wien kommt, ist absolut falsch. Ich bin der Überzeugung, dass Frauen die gerade jetzt in dieser Krise vor gewaltigen Herausforderungen stehen, mehr Wertschätzung verdienen

 

Zur-Sache: Kommen wir zu einem anderen Thema – den Demonstrationen und Ausschreitungen in Wien. Die Volkspartei hat im Wahlkampf vermehrt auf das Thema Sicherheit gesetzt. Das wurde von anderen Parteien eher kritisch gesehen. Welche Akzente setzt Rot-Pink nun?

Arnoldner: Im Moment schaut Rot-Pink lieber weg, als sich mit Themen wie Sicherheit und Integration zu beschäftigen. Es kann nicht sein, dass sich Menschen im eigenen Grätzl nicht mehr sicher fühlen, wie zum Beispiel durch die Ausschreitungen in Favoriten.  Es ist leider so, dass von der Stadtregierung keinerlei Konsequenzen gezogen werden nach solchen Zwischenfällen. Natürlich sind mehr Überwachungskameras ein wichtiger Schritt, sie lösen aber kein Integrationsproblem. Hier braucht es ein Gesamtkonzept, das die Verpflichtung zur Integration beinhaltet. Wir dürfen Integration nicht nur fördern, sondern müssen sie auch konsequent einfordern. In puncto Integration haben wir viele Lösungsvorschläge. Zum Beispiel fordern wir verpflichtende Deutschkurse für Eltern bei schlechten Sprachkenntnissen der Kinder und kämpfen entschieden gegen die Entstehung von Parallelgesellschaften. Wir fordern auch, dass das Beherrschen der deutschen Sprache Voraussetzung für die Vergabe einer Gemeindewohnung ist. Unsere Sorge ist, dass die Stadtregierung hier zu wenig tut. Die Probleme der Wiener Integrationspolitik brechen immer mehr  auf und zeigen sich etwa in Straßenschlachten zwischen türkischen und kurdischen Demonstranten in Favoriten. Es gibt zudem Volksschulen in Wien, in denen über 90 % der Schüler Deutsch nicht als Mutterspache haben. Diese Kinder sprechen nach dem Unterricht kein Wort Deutsch mehr sondern kommunizieren privat ausschließlich in ihrer Muttersprache. Das führt zu großen Defiziten bei der schulischen Leistung und der Integration in unsere Gesellschaft. Es gibt Volksschulen in Wien, in denen über 90 % der Schüler Deutsch nicht als Mutterspache haben.  Diese Kinder sprechen nach dem Unterricht kein Wort Deutsch mehr sondern kommunizieren privat ausschließlich in ihrer Muttersprache. Das führt zu großen Defiziten bei der schulischen Leistung und der Integration in unsere Gesellschaft.

 

Zur-Sache: Mit Interesse haben wir Ihr Engagement für Kultur und Gastronomie verfolgt. Was sind Ihre Beweggründe, sich für dieses Thema einzusetzen? Vor allem die NEOS haben damals viele Forderungen bei der Gastronomie und der Kultur im Wahlkampf aufgestellt. Waren diese Forderungen nur Wahlkampfgetöse?

Arnoldner: Meine Beweggründe mich für dieses Thema besonders einzusetzen, sind sehr persönlich. Ich bin selber musikalisch und versuche auch meine Kinder für Musik zu begeistern. Es gibt Studien die belegen, dass Musik sich positiv auf die Entwicklung von Kindern auswirkt. Mein zweiter Grund ist ein rationaler: Wien ist Kulturwelthauptstadt, wir dürfen uns aber nicht auf alten Lorbeeren ausruhen. Wir müssen uns diesen für Wien so wichtigen Status erhalten und verantwortungsbewusst damit umgehen. Die Stadt Wien ist für Musikförderungen zuständig. Wir haben nur 15.000 Musikschulplätze bei rund 2 Millionen Menschen die in Wien leben. Das ist unfassbar wenig. Hier bekommen viele Kinder bekommen einfach keinen Platz. Hier muss investiert werden und man dahinter sein, dass wir unsere Musik-Kulturstadt erhalten können. Die Stadt Wien zeigt hier aber keine Initiative. Ich werde mich dafür einsetzen, dass die Anzahl an Musikschulplätzen aufgestockt wird, und zwar in allen Bezirken. Denn aktuell haben 8 Wiener Bezirke überhaupt keine öffentliche Musikschule.