Europa- & Aussenpolitik

Nehammer verlangt Korridore der Menschlichkeit

Bundeskanzler Karl Nehammer sprach von "enormer Hochachtung" für die Menschen in der Ukraine, die derzeit um ihre Existenz, ihren Staat und ihr Heimatland kämpfen. Foto: BKA / Dragan Tatic

Der von Russlands Präsident Wladimir Putin geführte Krieg gegen die Ukraine hält nun schon eine Woche an. Österreich wirkt an den ständig umfassender und internationaler werdenden Sanktionen gegen Russland mit, um den Krieg zu stoppen. Zugleich sollen Österreichs Sicherheit umfassend gewährleistet und weitere Vorbereitungen für Hilfe vor Ort und in den Nachbarregionen getroffen werden. Bundeskanzler Karl Nehammer und Außenminister Alexander Schallenberg gaben am Dienstag nachmittags einen Überblick zur aktuellen Lage, stellten Aufruf und Bereitschaft zur Menschlichkeit in den Mittelpunkt: Nehammer verlangt Korridore für Flüchtlinge, Schallenberg zitiert Russlands Botschafter ins Außenministerium.

 

Hochachtung vor den Menschen in der Ukraine

Bundeskanzler Karl Nehammer sprach von „enormer Hochachtung“ für die Menschen in der Ukraine, die derzeit um ihre Existenz, ihren Staat und ihr Heimatland kämpfen. Er selbst habe gestern mit dem Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, telefoniert und war heute mit dem ukrainischen Ministerpräsidenten Denys Schmyhal im Austausch: „So dramatisch die Lage für die Menschen in diesen Städten ist, so dramatisch ist die Lage auch für die Menschen, die vor diesem Konflikt fliehen.“

Die „Militäroperation“, wie der russische Präsident Wladimir Putin diesen Krieg nenne, sei für Nehammer nichts weiter als ein Krieg, der einseitig begonnen wurde und ein Land brutal in Bedrängnis bringe. Bundeskanzler Karl Nehammer hat Außenminister Alexander Schallenberg angewiesen, erneut den russischen Botschafter ins Außenministerium zu zitieren und diesem klar zu machen, dass Österreich diesen Angriff weder akzeptiert noch toleriert. Die Russische Föderation solle vielmehr unverzüglich dafür Sorge tragen, Hilfskorridore zur Verfügung stellen. Humanitäre Hilfe sei nun wichtiger denn je, denn die Lebensmittel und medizinischen Vorräte würden nur noch für wenige Tage ausreichen, erläuterte der Bundeskanzler nach seinen Gesprächen mit Klitschko und Schmyhal.

 

Dringender Appell

„Wir werden den russischen Präsidenten Wladimir Putin voll verantwortlich machen, wenn österreichische Staatsbürger beim Versuch, zu helfen, zu Schaden kommen und wenn es darum geht Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufzuklären“, so der Bundeskanzler.

Es ist der dringende Appell des Bundes- und Vizekanzlers, sowie des Außenministers an die russische Föderation, Zivilisten, allen voran Frauen und Kinder, aus dem Konflikt herauszunehmen und sicherzustellen, dass Versorgungs- und Hilfskorridore gebildet werden können. „Wir als Österreich werden alles dafür tun, dass den Menschen auch tatsächlich geholfen wird“, so Nehammer. Das Innenministerium und der Gemeindebund haben eine Homepage eingerichtet, die über Spendenmöglichkeiten informiert.

 

Russischer Botschafter erneut ins Außenministerium zitiert

Währenddessen wurde der russische Botschafter erneut von Außenminister Alexander Schallenberg ins Außenministerium zitiert. „Im Auftrag des Bundeskanzlers habe ich heuten den russischen Botschafter erneut ins Außenministerium zitiert. Das ist mittlerweile das dritte Mal, dass er vorgeladen wurde, seit dem Beginn der völlig inakzeptablen russischen Aggression gegenüber der Ukraine.“

„Ich habe es heute dem russischen Botschafter gesagt und ich wiederhole es an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich: Für den russischen Angriffskrieg gegenüber der Ukraine gibt es keine Rechtfertigung. Wer die elementarsten Regeln der internationalen Ordnung und des Völkerrechts mit Füßen tritt, stellt sich selbst ins internationale Abseits. Was gerade passiert, ist eine derartige Zäsur, das haben wir seit über 70 Jahren nicht mehr gesehen“, erklärte Schallenberg Dienstag nachmittags in einem gemeinsamen Pressebriefing mit Nehammer.

 

Bereits zum dritten Mal seit Ausbruch des Russland-Ukraine-Konflikts wurde der russische Botschafter von Außenminister Alexander Schallenberg ins Außenministerium zitiert. Foto: BKA / Dragan Tatic

Bereits zum dritten Mal seit Ausbruch des Russland-Ukraine-Konflikts wurde der russische Botschafter von Außenminister Alexander Schallenberg ins Außenministerium zitiert. Foto: BKA / Dragan Tatic

 

Schallenberg: Russland zerstört europäische Sicherheitsordnung

Der Außenminister erinnerte den Botschafter auch an die europäische Sicherheitsordnung, die mit Hilfe Russlands nach dem zweiten Weltkrieg hergestellt wurde. Diese würde nun einseitig von Russland angegriffen und zerstört. „Russland zerstört in diesen Tagen die gemeinsame europäische Sicherheitsordnung, die nach dem Ende des 2. Weltkriegs und des Kalten Kriegs gemeinsam mit Russland aufgebaut wurde. Es erreichen uns immer mehr Berichte über gezielte Angriffe russischer Truppen auf Zivilisten und zivile Infrastruktur. Selbst der UNO-Generalsekretär spricht von Angriffen auf kritische, zivile Infrastruktur“, erklärt Schallenberg die aktuelle Situation in der Ukraine.

Österreichs Außenminister sieht durch die Angriffe Russlands auf die Ukraine nicht nur das Völkerrecht verletzt sondern Kriegsverbrechen gesetzt: „Solche Angriffe stellen eine schwere Verletzung des humanitären Völkerrechts dar und sind als Kriegsverbrechen anzusehen. Auch die Verwendung von Streumunition ist völkerrechtlich geächtet. Noch einmal: Das ist ein Kriegsverbrechen! Das habe ich dem russischen Botschafter auch klar gesagt.“

 

Drei Forderungen an den russischen Botschafter

Außenminister Schallenberg hat heute gegenüber dem russischen Botschafter heute drei unmissverständliche Forderungen aufgestellt:

  1. die volle Einhaltung des humanitären Völkerrechts
  2. humanitäre Korridore für Zivilisten in Kiew, Charkiv und anderen Städten, die nichts Anderes wollen, als ihr Leben zu retten und sich in Sicherheit bringen
  3. voller Zugang für humanitäre Organisationen

Schallenberg zusammenfassend: „Das heißt für uns: hinaus mit Zivilisten, hinein mit humanitärer Hilfe.“

 

Russlands volle Verantwortung

Schallenberg betonte, dass für jegliches kriegerische Handeln Russland dafür verantwortlich gemacht wird. „Nach wie vor sind zahlreiche österreichische und europäische Zivilisten in Kiew und anderen Städten in der Ukraine, teilweise in Lebensgefahr. Sollten sie zu Schaden kommen, liegt die Verantwortung dafür einzig und alleine bei Russland. Was auch immer in den nächsten Stunden und Tagen passiert, wird der russischen Regierung angelastet werden.“