Reitans Freitag

Menschenwürde, auch für Politiker

Foto: iStock, RichVintage

Das Internet und die Smartphones machen es möglich: „Es kann jeder jeden jederzeit vernichten“ sagte Christian Schertz beim Symposium zu Dirty Campaigning an der Politischen Akademie.

 

Der deutsche Wissenschafter und Rechtsanwalt, spezialisiert auf Medienrecht, verwies auf Verhaftungen, bei denen bereits Fotografen anwesend waren, und auf Berichte über Verdachtslagen. Das führe zu einer medialen Vorverurteilung, die stärker wirke als die tatsächliche Verurteilung. Diese mediale Vorverurteilung wiege so schwer, dass sie in der Strafrechtsjustiz als strafmildernd gewertet werde, berichtete Schertz. Allerdings löse sie bei den betroffenen Personen „bleibende Schäden“ aus, ähnlich den körperlichen nach einem Unfall.

 

Unschuldsvermutung als formales Beiwerk

Auf die äußerst problematischen Folgen des Verbreitens von Gerüchten, von Fake News, von anonymen Anzeigen und sich daraus ergebenden Berichten verwies Bettina Rausch zum Auftakt des Symposiums. Sie nannte Kampagnen als Beispiele, etwa jene gegen US-Präsident Barack Obama, gegen Deutschlands Bundespräsident Christian Wulff und gegen einige Landeshauptleute in Österreich, denen – erlogen und erfunden – Fehlverhalten im privaten Bereich angedichtet wurde. Das Problem dabei ist, so Rausch: „Die Vorverurteilung durch Menschen und Medien ist schnell erreicht, die Unschuldsvermutung verkommt zum rein formalen Beiwerk.“ Und Thomas Hofer ergänzte in seinem stark beachteten Vortrag: „Neu ist der Brandbeschleuniger durch die sozialen Netzwerke.“ Die Verleumdung ist, wie Meinungsforscher Rudolf Bretschneider anmerkte, eine „perfide Technik“, denn: „Die Verleumdung beginnt als Lüftchen, steigert sich zum Wind, zum Sturm und endet als Orkan.“

 

Menschenwürde – auch für Politiker

Das Phänomen der Verleumdung, der üblen Nachrede und negativer Emotionen betreffe die gesamte Gesellschaft, sagte die Medienethikerin Claudia Paganini. Gehässigkeit scheine ein klassisches Element der Politik zu sein. Das Dirty Campaigning  betreffe meist exponierte Persönlichkeiten, Künstler, Unternehmer und auch Politiker. Für Politiker sei, so Paganini, das Recht auf Privatsphäre eingeschränkt, aber: „Aus ethischer Perspektive ist zu fordern, dass auch deren Menschenwürde gewahrt wird.“