News

Handelsriesen setzen heimische Produzenten unter Druck

Die Zahl der Beschwerden heimischer Produzenten über die Handelspraktiken der Handelskonzerne hat sich 2024 vervielfacht. Foto: istock/Dan Dalton

Alarmierende Zahlen legt das Fairness-Buro im aktuellen Bericht über die Macht der Lebensmittelketten vor. Seit drei Jahren bietet das Fairness-Büro Bäuerinnen und Bauern sowie Lebensmittelproduzenten anonyme und kostenlose Hilfe, wenn sie von unfairen Handelspraktiken betroffen sind. Nun liegen die Zahlen für das Jahr 2024 vor und zeigen ein starkes Ungleichgewicht in der Lebensmittelkette. Die Zahl der Beschwerden sind weiter angestiegen. Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig schlägt nun Alarm.

 

Mehr als 800 Beschwerden wurden 2024 von betroffenen Produzenten und Landwirten eingereicht, ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren (235 Beschwerden im Jahr 2023 – Zur-Sache berichtete). Besonders unter Druck stehen traditionelle Fleischerbetriebe, Start-ups und Markenproduzenten, die sich gegen die Marktmacht der Handelsriesen kaum behaupten können. Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig fordert rasche Maßnahmen gegen unfaire Handelspraktiken. „Diese Zahl zeigt schwarz auf weiß, wie groß die Macht der Handelsketten gegenüber kleineren Produzenten ist. Um ein Ausnutzen von Machtpositionen zu verhindern, müssen wir kontinuierlich handeln. Denn viele Produzenten fürchten, ihren Regalplatz zu verlieren und sehen sich gezwungen unfaire Bedingungen zu akzeptieren, weil ihnen Alternativen fehlen“, betont der Minister.

 

Marktkonzentration als Kernproblem

In Österreich dominieren drei große Handelsketten etwa 90 Prozent des Lebensmittelmarktes. Diese Konzentration führt zu harten Preisverhandlungen, drohenden Auslistungen und einseitigen Vertragsänderungen. „Mehr als 100.000 landwirtschaftliche Betriebe und Verarbeiter stehen einer Handvoll Handelsriesen gegenüber. Das ist ein Kampf mit ungleichen Waffen“, erklärt Totschnig.

Landwirtschaftsminister Totschnig: Unfaire Bedingungen. Foto: BML / Gruber

Landwirtschaftsminister Totschnig: Kampf mit ungleichen Waffen. Foto: BML / Gruber

Schwierige Bedingungen für Bauern

Der Fairness-Büro-Bericht dokumentiert zahlreiche Beispiele für unfaire Handelspraktiken. So wurden traditionelle Fleischerbetriebe mit steigenden Energie- und Personalkosten konfrontiert, erhielten jedoch keine Preisanpassungen von den Handelsketten. In einem Fall stieg der Endverbraucherpreis eines Produkts um 30 Prozent, während der Produzent gleichzeitig zwei Prozent weniger erhielt.

Ein weiteres Problem sind sogenannte „No-Names“. Während Handelsketten ihre Eigenmarken gezielt günstig halten, werden Markenprodukte mit hohen Aufschlägen versehen. Das schafft einen unfairen Wettbewerb und führt dazu, dass immer mehr Konsumenten zu Billigprodukten greifen.

Besonders prekär ist die Situation für Start-ups: Exklusive Lieferverträge zwingen junge Unternehmen in eine totale Abhängigkeit vom Handel. Sie investieren hohe Summen in die Produktion und Logistik, ohne dass ihnen die Handelsketten eine garantierte Abnahme zusichern. Können sie die Nachfrage nicht vollständig bedienen, drohen ihnen hohe Vertragsstrafen.

 

EU-weite Maßnahmen in Sicht

Nicht nur in Österreich wird das Problem erkannt: Auch der neue EU-Agrarkommissar Christophe Hansen sieht Handlungsbedarf und hat Maßnahmen gegen unfaire Handelspraktiken angekündigt. Bis Ende 2025 soll die EU-Richtlinie über unlautere Handelspraktiken einer umfassenden Evaluierung unterzogen werden. Das Fairness-Büro liefert dafür wertvolle Erkenntnisse aus der Praxis.

Totschnig setzt auf Dialog

Bundesminister Totschnig betont, dass der Dialog mit den Handelsketten verstärkt werden soll: „Unsere Hand ist ausgestreckt. Wir wollen faire Bedingungen für Produzenten und Konsumenten gleichermaßen schaffen.“

Das Fairness-Büro – ein Überblick

  • Gegründet am 1. März 2022 als unabhängige und weisungsfreie Stelle im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft.
  • Anonyme und kostenlose Beratung für alle, die beim Verkauf von Agrar- oder Lebensmittelerzeugnissen von größeren Käufern unter Druck gesetzt werden und denen verbotene oder unlautere Handelspraktiken widerfahren.
  • Analyse von Beschwerdefällen, rechtliche Einschätzung und Unterstützung zur Einvernehmlichen Lösung mit dem Käufer.

Der vollständige Bericht des Fairness-Büros ist unter www.fairness-buero.gv.at abrufbar.