Berichte
642 Seiten für ein dichtes politisches Jahr 2021
Die Politische Akademie startete in Wien die Präsentation ihres „Jahrbuch für Politik 2021“. Das Jahrbuch wird seit 1977 publiziert und gilt als Standardwerk für österreichische Zeitgeschichte, für Analyse und Chronik der politischen Vorgänge dieses Landes und der für Österreich bedeutsamen außenpolitische Angelegenheiten. Und 2021 war ein dichtes politisches Jahr, unter anderem geprägt von Kanzlerwechsel und der Bekämpfung der Corona-Pandemie.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Verweis auf bedenkliche Entwicklungen
Das Jahr 2021 war – auch – geprägt von Fragen politischer Kultur und Diskursfähigkeit, sagte Bettina Rausch zum Auftakt der Präsentation im Dachfoyer der Urania. Sie sieht bedenkliche Entwicklungen in Form und Inhalt der politischen Diskussion. Dazu zählen Polarisierung, Skandalisierung und Moralisierung, weiters die parteipolitische Instrumentalisierung von parlamentarischen Einrichtungen und staatsanwaltlichen Ermittlungen, schließlich auch das Messen mit zweierlei Maß. Das seien Entwicklungen, die an den Grundfesten von Demokratie und Rechtsstaat rütteln, meint Rausch bei der Präsentation – und erläutert es im Buch.
Das Parlament als Raum für Begegnung & Diskussion
In ihrem Beitrag und ihrem Statement präsentierte sie Überlegungen zu einem neuen Verständnis einer Bürgergesellschaft. Darin liege eine Chance, das Vertrauen in Demokratie und Politik wieder zu stärken. Das Parlament sei jedenfalls genau jener politische Raum, in dem die Diskussionen geführt werden können und sollen.
Als Herausgeberin und Präsidentin der Politischen Akademie betonte Rausch, wie sehr sich der politische Stil im vorigen Jahr verändert hat. Sie verspüre „dramatische Veränderungen in der politischen Landschaft“. Alleine wie schwierig es geworden sei, sich in der Politik die Hände zu reichen und zusammenzuarbeiten: „Das zeigt die Problematik, vor der wir stehen.“
Bettina Rausch erntete Applaus für ihr Statement: „Demokratie kann nie perfekt sein. Schlicht aus dem Grund, dass sie von Menschen gestaltet wird. Aber Demokratie entwickelt sich stetig weiter. Wichtig ist, dass wir uns mit anderen Meinungen und anderen Menschen auseinandersetzen und dass wir aufeinander zu gehen. Der perfekte Ort dafür wäre eigentlich das Parlament.“
Sicherheitspolitik neu denken
Im ersten von drei Panels wurden die politische Lage in Österreich und der Regierungswechsel in Deutschland beleuchtet: „Deutschland hat eine neue Regierung. Die Ampelkoalition und die Folgen für Europa“. Am Podium debattierten Prof. Dr. Karl Jurka, Politikberater, und der Leiter des Außenpolitik-Ressorts der Presse, Dr. Christian Ultsch. Sie analysierten am Auftritt von Olaf Scholz als deutschem Kanzler, dass er seit dem Ukrainekrieg international als schwach wahrgenommen werde.
Christian Ultsch sprach wegen des Krieges gegen die Ukraine von einer neuen sicherheitspolitischen Dynamik, deren Auswirkungen bald ganz Europa spüren werde. Wie schon Andreas Khol eingangs meinten auch Jurka und Ultsch, Österreich müsse diese neue Lage und eine deswegen erforderliche neu orientierte Sicherheitspolitik zumindest zu diskutieren beginnen.
Österreichs Parteien im Wandel
In zwei weiteren Panels wurden einerseits die österreichischen Parteien etwas unter die Lupe genommen, andererseits eine Bilanz der „Ära Sebastian Kurz“ gezogen. Die Journalistin Antonia Gössinger (früher Kleine Zeitung) charakterisierte die extrem populistische Politik von FPÖ-Obmännern wie Jörg Haider und Herbert Kickl, die sich als Persönlichkeiten durchaus unterscheiden würden („Haider wollte geliebt werden, das ist bei Kickl nicht der Fall“). Der Publizist Peter Pelinka analysierte den Wandel der Sozialdemokratie, weg von der klassischen Arbeiterpartei. Und der Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier bescheinigte den Grünen, in politischen Fragen eine ziemliche Beweglichkeit an den Tag zu legen.
An der Ära des früheren Bundeskanzlers Sebastian Kurz beobachtete Walter Hämmerle, Chefredakteur der Wiener Zeitung, dass Kurz in den brisanten Themen Integration und Migration einen auch in Europa beachteten Konsens geschaffen habe. Mit Kurz verbinde sich die Frage, ob dessen Politik ein Modell für die Mitte gegen die Rechte ergeben könne: „Darin liegt eine demokratiepolitische Herausforderung“, merkte Hämmerle an.
Ein überparteiliches und sachliches Sammelwerk
Herausgeber des Jahrbuchs sind Andreas Khol, Stefan Karner, Wolfgang Sobotka, Bettina Rausch und Günther Ofner. Ihnen war es besonders wichtig, ein möglichst breit gefächertes, überparteiliches und sachliches Sammelwerk zu schaffen, in dem komplexe politische Ereignisse analysiert und diskutiert werden. Die Autoren des Buches reichen von Meinungsbildnern, Profis, Beobachtern der politischen Szene bis hin zu Journalisten.
Bei der ersten Präsentation in Wien waren einige der Autoren anwesend und haben ihre Motive für die Beiträge dargelegt. Der frühere Nationalratspräsident Andreas Khol meint als Herausgeber: „Das Jahrbuch hat eine einmalige Stellung, es gibt keine vergleichbare Sammlung in Österreich.“ Das Werk sei zudem „eine Art von Hilfsmittel für all jene, die selbst gestalten wollen oder sich für Politik interessieren“.
Alle Informationen zum Band und zur Bestellung finden Sie hier
Die nächste Präsentation erfolgt am 2. Mai in Innsbruck.