Berichte
Strategische Reserven auch für Lebensmittel
Mit Lebensmittelsicherheit für Österreich befasste sich ein Gipfel, zu dem Bundeskanzler Karl Nehammer in das Bundeskanzleramt lud. Wesentliches Ergebnis: Die Versorgung ist sicher, aber strategische Reserven müssen angelegt werden. Österreich engagiert sich zudem für grüne Korridore, um etwa Weizen aus der Ukraine über den Landweg nach EU-Europa und von dort auf die Weltmärkte zu verfrachten.
Selbstversorgung Österreichs gesichert
Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Sicherheit in der Versorgung mit Lebensmitteln zu einem großen Thema werden lassen, erklärte Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger nach dem Gipfelgespräch der Koalitionsregierung mit Sozialpartnern und Wirtschaftsexperten.
Die Selbstversorgung Österreichs mit Nahrungsmitteln sei gesichert, sagte Köstinger unter Hinweis auf die von Experten beim Gipfel im Bundeskanzleramt präsentierten Daten und Informationen. So könne sich Österreich etwa bei Getreide, Kartoffeln und Eiern zu 90 % selber versorgen, bei Fleisch und Milch liege die Versorgung über 100 % des Inlandsverbrauch,
Köstinger wörtlich dazu: „Was diese Grundnahrungsmittel betrifft, ist Österreich gut aufgestellt. Das gilt auch für Obst und Gemüse.“
Steigende Preise sind das größte Problem
Allerdings habe die Bundesregierung und ihr Ressort bereits wegen der Corona-Pandemie einen Krisenstab eingerichtet, dessen Arbeit nahtlos in den Ukraine-Krisenstab übergegangen sei. „Wir haben Hamsterkäufe erlebt“, meinte Köstinger. Die Bundesregierung wolle die Versorgung sicherstellen, zudem Vorbereitungen für Herbst und für das nächste Jahr treffen.
Die Analyse der Ausgangslage sowie der eingetretenen und möglichen Probleme ergebe ein klares Bild, so Köstinger: „Die Preissteigerungen sind das größte Problem.“
Die Teuerungen und Preissteigerungen betreffen laut Köstinger als erstes die Produktion, denn die Lebensmittelproduktion benötige etwa 10 % des importierten Gases. Die Kosten für Dünge- und für Pflanzenschutzmittel hätten sich um 200 % erhöht, einen Anstieg verzeichnen ebenso die Kosten für Veterinärmedizin. „Diese Kostensteigerungen sind für die Landwirtschaft eine große Herausforderung“, meinte Köstinger.
Kosten steigen stärker als Erlöse
Warum? Die Erzeugerpreise und Erlöse, die die Bauern erhalten, steigen nicht im gleich hohen Ausmaß wie die Kosten für die Betriebsmittel, erläuterte Josef Moosbrugger, Präsident der Landwirtschaftskammer. Die Viehhalter hätten mit Medikamentenkosten zu kämpfen, die Gärtner mit den Energiekosten, die Ackerbauern mit jenen für die Betriebsmittel, vom Pflanzenschutz bis zum Treibstoff.
Österreich hat also keine Versorgungskrise, erläuterte WIFO-Chef Gabriel Felbermayr sondern sei mit steigenden Preisen für Lebensmittel und für deren Produktion konfrontiert. Die Steigerung der Lebensmittelpreise liege mit 5,8 % noch um 1,5 %-Punkte unter der gesamten Teuerung. Die Preise einiger Produkte (Butter, Mehl, Öl) seien stark, jene für andere (etwa Geflügel) kaum angestiegen – „doch das wird noch passieren“, so Felbermayr.
Strategische Reserven anlegen
Als Folge will die Bundesregierung die Eigenproduktion und die Eigenversorgung „massiv stärken und ausbauen“, zusätzliche Flächen für die agrarische Produktion nutzen, etwa Brachflächen.
Zugleich werde an weiteren Maßnahmen gearbeitet, um die Teuerung abfedern. Es sei richtig, so Felbermayr, nicht die Mehrwertsteuer zu verändern, sondern die Probleme dort zu lösen, wo die Probleme lägen. Dies bedeute, die Nebenkosten für Löhne zu senken und die kalte Progression abzuschaffen. Die Diskussion mit dem Finanzressort sei jedenfalls eröffnet, zur Debatte steht laut Köstinger auch ein Paket für landwirtschaftliche Betriebe und zu deren Entlastung bei den Kosten für Betriebsmittel. Ebenfalls beraten werde über die Einlagerungen größerer Mengen an Lebens- und Nahrungsmittel, um strategische Reserven zu bilden. Es gehe nicht mehr so sehr um Lenkung der Preise wie in früheren Jahren sondern um die Sicherheit in der Versorgung. Bereits jetzt habe Österreich den Jahresbedarf an Düngemitteln und Pflanzenschutz eingelagert.
Grüne Korridore aus der Kornkammer nach Europa
Zugleich befasste sich der Gipfel „mit der Lage außerhalb Europas“, namentlich mit jener in der Ukraine und mit jener hinsichtlich der Welternährung.
Österreich wolle die Ukraine jedenfalls darin unterstützen, ausreichend Saatgut zu erhalten, um anbauen und ernten zu können. Saatkartoffel seien bereits von Österreich in die Ukraine gebracht worden. Um die Ernte aus der Ukraine über den Landweg nach Österreich und nach Europa bringen zu können, sollten „grüne Korridore“ geschaffen werden, gab Köstinger bekannt. Gespräche mit Deutschland und mit der EU werden bereit geführt.